Um die Gastronomie während der Coronapandemie zu entlasten, war der Mehrwertsteuerersatz für Speisen in Restaurants und Cafés vorübergehend von 19 auf sieben Prozent gesenkt worden. Danach wurde die Ausnahmeregelung wegen der Energiekrise mehrmals verlängert, zuletzt bis Ende 2023. Die Bundesregierung bezifferte die jährlichen Kosten auf 3,4 Milliarden Euro. Seit dem 1. Januar muss wieder der volle Steuersatz bezahlt werden. Wie wirkt sich das auf Lokale im Kreis Neu-Ulm aus?
In der Pizzeria Piero Gallone in Illertissen sind die Auswirkungen noch nicht zu sehen, derzeit gebe es keinen Unterschied zu den Zahlen aus dem Vorjahr, meint Geschäftsführerin Leonarda Gallone. Preiserhöhungen habe es in ihrem Restaurant aber schon gegeben, die Margherita kostet seit dem Jahreswechsel nun 8,50 statt acht Euro. Aber: "Wir sind allgemein etwas günstiger im Gegensatz zu anderen", sagt Gallone, die seit 1987 in der Vöhlinstadt beheimatet ist und vor 2016 das Kupferkrügle bewirtete. Rückmeldungen seitens der Gäste hielten sich in Grenzen. "Die wissen ja alle Bescheid." Sie vermutet, dass sich neben der Mehrwertsteuer auch die insgesamt gestiegenen Preise auf das Ausgehverhalten der Menschen auswirken würden. Ihre Gewinnspanne werde am Ende aber womöglich gleich bleiben. "Aber das kann ich noch nicht sagen."
"Der Rostbraten ist nicht mehr mein Renner, eher ein Penner"
Seit sechs Jahren führt Stefan Schmid das Austüble in Thalfingen. Die Kundschaft sei weniger geworden – auf jeden Fall, meint der 53-Jährige. "Gleicher Umsatz bei weniger Gästen, das ist verheerend." Doch das liege nicht allein an der Mehrwertsteuer, sondern eben an den enorm gestiegenen Nebenkosten. "Der Rostbraten ist nicht mehr mein Renner, eher ein Penner", so Schmid. Den Preis für das schwäbische Schmankerl musste er von 25,90 auf 27,90 Euro erhöhen – allerdings schon im Herbst, weil der Kilopreis fürs Rind teurer geworden sei. Wenngleich bei jener Preisklasse die Kundschaft nicht mehr auf den letzten Euro achte. Beim Schwein habe sich nichts getan, das Schnitzel mit Salat koste immer noch gleich.
Seinen Mittagstisch musste Schmid um einen Euro erhöhen. Seinen Stammgästen aber sei das egal. Das seien unter anderem alleinstehende Rentner, und die nicht immer kochen können oder auch wollen. Wie sich das auf das Ergebnis unterm Strich auswirkt, lasse sich erst um Ostern herum sagen. Fasching und Fastenzeit seien generell keine guten Gastrozeiten. Er hofft, dass er in diesem Jahr die "Hämmer von der Coronazeit" hinter sich lassen könne, immer noch müsse er Hilfen zurückzahlen. Und vielleicht, so seine Hoffnung, trenne sich durch die Unwägbarkeiten die "Spreu vom Weizen": "Dass die Schlechten draufgehen."
Anno 1460 in Weißenhorn: Vor- und Nachspeisen nicht mehr so häufig bestellt
Dan Serban von der Schlossgaststätte Anno 1460 in Weißenhorn stößt vor allem sauer auf, dass ausschließlich Restaurants von den 19 Prozent betroffen sind. Essen zum Mitnehmen vom Metzger oder dem Kebab-laden nebenan werde weiterhin mit sieben Prozent besteuert. Ihm fehlen nun so monatlich bis zu 5000 Euro. Etwa die Hälfte versuche er durch Preiserhöhungen hereinzuholen, vor allem bei Produkten, in denen viel Handarbeit steckt. Weil aber die Konkurrenz im To-go-Geschäft das nicht muss, könne er das nicht überall machen. "Bei einem Rostbraten über 30 Euro kommt niemand mehr zum Essen", sagt er. Das gehe vielleicht in Ulm oder München, aber nicht im ländlicheren Raum wie Weißenhorn. Beim Personal versuche er zu sparen, auch bei Nebenkosten wie Wartungen. Etwa 20 Prozent seien dann aber immer noch offen, im Jahr seien das für ihn gut 20.000 Euro. Hinzu kämen gestiegene Preise bei Waren und der erhöhte Mindestlohn. Ob Gäste wegbleiben, könne er noch nicht sagen. Januar und Februar seien immer etwas ruhiger. Was er aber schon feststelle: Vor- und Nachspeisen werden im Vergleich zu früher nicht mehr so häufig bestellt.
Johann Britsch, Chef vom Landgasthof Hirsch in Finningen und Vorsitzender des Dehoga-Bezirks Schwaben, glaubt schon, dass bei den Menschen eine "Preisempflindlichkeit" und eine "gewisse Sensibilität" vorhanden sei. Schließlich werde ja nicht nur das Essen in der Wirtschaft, sondern auch die Energiekosten bei jedem daheim teurer. Ein großes Klagen zwar höre er nicht. Die Branche aber sei "verängstigt", "man ist nervös". Vor allem die Traditionsgastronomie mit ihren Gasthöfen im ländlichen Raum würden sich in Zukunft schwerertun, so Britsch.
"Verängstigt": Johann Britsch vom Hirsch in Finningen gibt der Politik die Schuld
Die Schuld gibt er der aktuellen Koalition in der Bundesregierung und deren "Unfähigkeit". Zwar wolle er nicht behaupten, dass es andere besser gemacht hätten. Doch alle Politiker, unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), hätten versprochen, dass die sieben Prozent für die Gastronomie blieben. Das fordere der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband schon lange. "Unser Tun ist ein Handwerk", sagt Britsch. Weil aber die Politik "ihre Hausaufgaben" nicht gemacht und einen verfassungswidrigen Haushalt aufgestellt habe, stünden Betriebe nun mit dem Rücken zur Wand. Dabei sei es gerade die Traditionsgastronomie, die in Bayern und Baden-Württemberg so wertgeschätzt wird. Seinen Hirsch in Finningen träfen die fehlenden zwölf Prozentpunkte nicht wirklich, so Britsch. Der Landgasthof sei auf Geschäftskunden ausgerichtet – und denen sei das egal.