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Kreis Neu-Ulm/Kreis Günzburg: Kinderpornografie im Landkreis: „Es nimmt überhand“

Kreis Neu-Ulm/Kreis Günzburg

Kinderpornografie im Landkreis: „Es nimmt überhand“

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    Bei einer Durchsuchungsaktion nehmen die Kripo-Beamten meist Handys, Laptops und Speichermedien zur Sichtung mit. Was sie dann erwartet, sind in den Fällen von Kinder- und Jugendpornografie oft verstörende Szenen.
    Bei einer Durchsuchungsaktion nehmen die Kripo-Beamten meist Handys, Laptops und Speichermedien zur Sichtung mit. Was sie dann erwartet, sind in den Fällen von Kinder- und Jugendpornografie oft verstörende Szenen.

    Wenn Roland Maier von der Kriminalpolizei Neu-Ulm beschreibt, was er auf den Bildern und in den Videos der beschlagnahmten Handys sieht, will man am liebsten weghören. Teilweise müssen er und seine Kollegen mit ansehen, wie Kleinkinder vergewaltigt werden. Was in den Videos passiert, sei unvorstellbar, so Maier. Aber eben nur so lange, bis es durch die eigenen Augen wahrhaftig wird. Das Sichten kinder- und jugendpornografischer Schriften gehört mittlerweile zum Arbeitsalltag der Kripo und der Staatsanwaltschaft.

    Bereits im März und im Mai gab es Durchsuchungen

    Vor wenigen Tagen erst meldete die Polizei, dass bei Durchsuchungen in den Landkreisen Neu-Ulm und Günzburg in neun Fällen der Verdacht des Besitzes und/oder der Verbreitung kinder- oder jugendpornografischer Schriften besteht. Und das ist nicht das erste Mal. Bereits im März und im Mai dieses Jahres wurden

    Die mutmaßlichen Täter haben nicht immer etwas miteinander zu tun. Vermutlich würden sich die neun Beschuldigten aus den beiden Landkreisen untereinander gar nicht kennen. „Es gibt auch keinen Schwerpunkt im Landkreis Neu-Ulm“, berichtet Maier weiter. Man könne also von keinem großen Kinderpornoring sprechen.

    Drei unterschiedliche Meldewege, um auf die Verdächtigen zu kommen

    Die Häufigkeit der Fälle bereitet den Beamten dennoch Sorgen. In den Sommerferien soll es bereits die nächste Durchsuchungsaktion geben. „Das Ganze nimmt überhand“, sagt Maier. Die Beamten kommen kaum hinterher, immer wieder gibt es einen neuen Verdacht. Deswegen werden nach einer Durchsuchung, wie bei der Mitte Juli, so viele neue Fälle auf einmal bekannt gegeben. Übrigens spricht Maier von einer Durchsuchung und keiner Razzia. „Wir schlagen da nicht die Haustüre ein und stürmen die Wohnung“, sagt der Kripo-Beamte. Einen Anruf gibt es vorher trotzdem nicht, „der Überraschungseffekt muss schon da sein“. Wenn die Beamten diese Aktion durchführen, haben sie zuvor genügend Hinweise für den Verdacht gesammelt.

    Doch wie kommt die Polizei eigentlich auf die mutmaßlichen Täter? „Es gibt drei Meldewege“, sagt Maier. Die Spurensuche beginne oft in Amerika bei der Organisation National Center for Missing & Exploited Children (NCMEC) (deutsch: Nationales Zentrum für vermisste und ausgebeutete Kinder). Diese Behörde ist halbstaatlich organisiert. Dort werden Straftaten in Zusammenhang mit Kindern gemeldet, zum Beispiel Vermisstenanzeigen oder auch illegale Videos. Sobald irgendjemand auf der Welt eine pornografische Datei im Internet hochlädt, nimmt die NCMEC die Spur auf, erklärt Maier genauer. Dann werde festgestellt, welche IP-Adresse, also welche Länderkennung den Inhalt generiert hat. Diese Info bekommt das Bundeskriminalamt: Dann können die Polizeibeamten vor Ort nachschauen, wer der Rufnummerinhaber oder Besitzer des jeweiligen Gerätes ist. Schnell weiß die Kripo dann, wo sie klingeln muss.

    Viele Eltern haben zu großes Vertrauen in ihre Kinder und kontrollieren das Handy nicht

    Aber auch durch Ermittlungen wie die aktuellen stößt die Polizei immer wieder auf neue Verdächtige, die beispielsweise in den gleichen Facebook-Gruppen wie bereits bekannte Täter auftauchen. „Und ganz vereinzelt gibt es Eltern, die dann doch einmal auf das Handy des Kindes schauen“, nennt Maier die dritte Möglichkeit, auf dubiose pornografische Inhalte im Netz zu stoßen. Hier kritisiert der Kripo-Beamte das Verhalten einiger Eltern: „Der Vorwurf ist ein Mangel an Kontrolle und ein Übermaß an Vertrauen.“ Es habe bereits einen Fall gegeben, bei der eine Neunjährige erpresst wurde, anzügliche Bilder zu versenden. „Eltern, passt auf, auch wenn euer Kind erst in der zweiten Klasse ist“, appelliert Maier, der mit Mitte 50 selbst einen anderen Umgang mit Mobiltelefonen gelernt hat.

    Auch Jugendliche sollten selbst reflektieren, was strafbar ist und was nicht: „Der jüngste Mensch fordert mittlerweile Mündigkeit und Erlaubnis in allen Bereichen, dann sollte er auch wissen, was er darf und was nicht“, sagt der Neu-Ulmer Beamte. Doch nicht jeder Fall des Besitzes kinder- oder jugendpornografischer Schriften führt zu einer Anzeige, erklärt Thorsten Thamm, Sprecher der Staatsanwaltschaft Memmingen. Vor allem bei unter 14-Jährigen werden die Ermittlungen sofort eingestellt und keine Durchsuchung angeordnet, da Kinder noch nicht strafmündig sind.

    Nicht alle Beschuldigten werden angezeigt: Vor allem keine Kinder unter 14 Jahren

    Bei der aktuellen Durchsuchung im Juli waren die Beschuldigten im Alter von 13 bis 68 Jahren. „Man kommt hier sehr schnell in eine Strafbarkeit“, erklärt Thamm. Allein das Empfangen oder Herunterladen kinder- und jugendpornografischer Inhalte ist strafbar. „Da ist es letztendlich egal, ob willentlich danach gesucht wurde oder nicht“, sagt der Staatsanwalt weiter. Auch die neun Beschuldigten aus den Landkreisen Neu-Ulm und Günzburg haben größtenteils nichts selbst verschickt, sondern die Inhalte über WhatsApp- oder Facebook-Gruppen empfangen.

    Das Motiv dahinter, derartige Bilder und Videos zu verbreiten und zu konsumieren, kann von pädophilen Neigungen bis hin zu Ahnungslosigkeit alles sein. Das lasse sich letztendlich auch am Alter der Beschuldigten sehen, so Maier. Doch egal wer dahintersteckt, es seien „ganz verwerfliche Handlungen“. Damit meint der Kripo-Beamte die Bilder, die ihm sicher lange nicht aus dem Kopf gehen werden.

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