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Kommentar: Attacke auf Grünen-Spitzenduo: Der widerliche Steinwurf von Neu-Ulm

Kommentar

Attacke auf Grünen-Spitzenduo: Der widerliche Steinwurf von Neu-Ulm

Ronald Hinzpeter
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    Beim Auftritt des bayerischen Grünen-Spitzenduos in Neu-Ulm eskalierten die Proteste.
    Beim Auftritt des bayerischen Grünen-Spitzenduos in Neu-Ulm eskalierten die Proteste. Foto: Dagmar Hub

    Geht das jetzt immer so weiter, wenn jemand aus den vorderen Reihen der Grünen hier öffentlich redet? In Oberelchingen wurde jüngst eine Veranstaltung mit Anton Hofreiter massiv gestört und jetzt passierte etwas Vergleichbares in Neu-Ulm: Beim Auftritt des bayerischen Grünen-Spitzenduos Katharina Schulze und Ludwig Hartmann wurde getrillert, getrötet, geschrien und gepöbelt. Doch diesmal blieb es nicht bei Akustik-Attacken, denn ein Mann warf einen Stein in Richtung Bühne. Das darf man getrost als Eskalation bezeichnen, mit friedlichem Protest hat das nichts mehr zu tun, denn ein Stein ist eine potenziell tödliche Waffe. Zumindest kann er die getroffene Person schwer verletzen. Das ist zum Glück nicht passiert, doch damit wurde eindeutig eine Grenze überschritten. Wer so etwas tut, nimmt billigend in Kauf, dass Personen mindestens verletzt werden. 

    Früher wurden Eier geworfen, fliegen jetzt Steine?

    Es ist ja nicht so, dass früher Proteste ausschließlich mit Worten und Lärm vorgetragen wurden. Nicht selten dienten Torten als Wurfgeschosse oder sie wurden einer missliebigen Person ins Gesicht gedrückt. Jüngst traf es den Tagesschau-Sprecher Constantin Schreiber. In die Geschichte eingegangen ist der sogenannte Eierwurf von Halle. Am 10. Mai 1991 bewarfen Demonstranten den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl nicht nur mit Eiern, sondern auch mit Tomaten und Farbbeuteln. Das ist oder besser war alles nicht schön, doch ein Stein gegen eine Politikerin oder einen Politiker? Das ist ebenso neu wie abstoßend und muss natürlich entsprechend geahndet werden. 

    Die Angriffe auf Parteienvertreter treffen überwiegend die Grünen

    Zu dieser Verrohung der Protestsitten passt ein Artikel, den das Nachrichtenmagazin Der Spiegel in seiner jüngsten Ausgabe veröffentlicht hat. Er befasst sich mit der zunehmenden politisch motivierten Kriminalität, die seit 2022 gestiegen ist. Aus einer Anfrage im Bundestag ging laut Spiegel hervor, dass allein im ersten Halbjahr 2023 bereits 739 Attacken auf Repräsentanten einer im Bundestag vertretenen Partei gezählt wurden. Dazu gehören tätliche Angriffe, Beleidigungen und Bedrohungen. Sie betreffen zu einem Großteil die Grünen: Der Spiegel schreibt von 300 Fällen, im vorangegangenen Halbjahr seien es nur 75 gewesen. Darüber hinaus wurde die SPD 153-mal attackiert, die AfD 122-mal und die FDP 80-mal, Vertreterinnen und Vertreter von Union und Linken deutlich seltener. Das Fazit des Nachrichtenmagazins: "Die Grünen, das geht aus den Zahlen hervor, sind die aktuellen politischen Hassobjekte." Der Steinwurf von Neu-Ulm wird wohl seinen Niederschlag in dieser unrühmlichen Statistik finden.

    Aus dem Gebrüll und Gepfeife ragte allerdings eine Wortmeldung hervor. Der ehemalige SPD-Stadtrat Günther Kammerer sprach folgenden schönen Satz ins Zuschauer-Mikrofon: "Als langjähriger Stadtrat von Neu-Ulm muss ich mich entschuldigen für diesen Pöbel da hinten." Daraufhin ging das Geschrei wieder los.

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