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Interview: Für Bäckermeister Meinrad Stetter geht es auch beim Backen um Bestleistung

Interview

Für Bäckermeister Meinrad Stetter geht es auch beim Backen um Bestleistung

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    Bäckermeister Meinrad Stetter und sein Sohn Meinrad Stetter junior in ihrer Backstube in Pfaffenhofen, wo fast jeden Tag schon ab 2 Uhr morgens gebacken wird.
    Bäckermeister Meinrad Stetter und sein Sohn Meinrad Stetter junior in ihrer Backstube in Pfaffenhofen, wo fast jeden Tag schon ab 2 Uhr morgens gebacken wird. Foto: Alexander Kaya

    Herr Stetter, herzlichen Glückwunsch zum Bayerischen Staatsehrenpreis! In Bayern gibt es rund 2000 Bäckereien – wie schafft man es da unter die 20 besten? 
    MEINRAD STETTER: Danke. Anstrengen, bemühen, beobachten. Das ist wie bei jedem Leistungswettkampf: Sie müssen dranbleiben und schauen, dass Sie die Ergebnisse der letzten Brotprüfung kritisch bewerten. Jede Brotprüfung ist eine Wettkampfsituation, da muss man dabei sein. Das ist wie Sport. Wenn Sie an dem Tag daneben sind, dann sind Sie ein ganzes Jahr danebengelegen. 

    Stehen Sie am Tag der Prüfung also selbst in der Backstube?
    STETTER: Ich stehe sowieso fast jeden Tag in der Backstube (lacht). Natürlich ist das an solchen Tagen schon verschärft. Da will ich es genau wissen, logisch. Nicht jeder Tag ist gleich: Im Winter geht die Hefe nicht so toll auf, im Sommer geht das schneller. Ist der Ofen gerade frei, wenn das Brot geschossen werden muss, oder war anderes Gebäck vordringlicher? Sind alle Mitarbeiter anwesend, mit denen geplant wurde? All diese Sachen haben einen Einfluss auf die Qualität am Ende. Ein Tag lässt sich schwer so genau planen, es ist schon auch Glück dabei. 

    Wie sieht denn Ihr typischer Tagesablauf aus? 
    STETTER: Unser Tag in der Backstube beginnt um halb zwei. Unsere Mitarbeiter kommen allerdings erst nach und nach: So starten die Konditoren erst etwas später, gegen vier Uhr. Wir produzieren in der Backstube etwa bis 10.30 Uhr vormittags, wer später kommt, bleibt entsprechend länger. Anschließend steht Büroarbeit an. Selbstverständlich braucht es eine Mittagsruhe und auch der Hund fordert sein Recht und möchte eine Stunde raus. Dafür bin ich ihm durchaus dankbar. Dann noch eine Runde Büro für den Folgetag. Abendessen gegen 18.30 Uhr und dann geht der Tag nicht mehr lang … 

    Sie begreifen das Handwerk als Sport. So eine Ambition erklärt vielleicht einen Bayerischen Staatsehrenpreis. Woher nehmen Sie diese Motivation? 
    STETTER: Diese Frage stellt sich mir nie. Die habe ich einfach. Ich will, dass es perfekt ist, und dass es ordentlich ist. Da gibt es keinen Trick und das ist auch nicht angelernt. Ich diskutiere auch nicht über Work-Life-Balance oder Ähnliches. Entweder man hat eine intrinsische Motivation oder man will es halt nicht und macht ständig Kompromisse. Wenn einem das gefällt, ist das schon gut so, aber es reicht nicht. So kommt man nicht zu einer Spitzenleistung, die prämiert gehört. Dazu gehört einfach ein höherer Einsatz.

    Was zeichnet die Bäckerei Stetter aus? 
    STETTER: Ein absolutes Augenmerk auf Qualität. Wir benutzen ausschließlich eigene Rezepte und Produkte, keine Fertigbackmittel. Selbstverständlich führen wir Sauerteige für Roggenmischbrote, Dinkelsauerteig für Dinkelbackwaren und einen Roggenvollkornsauerteig für unser Roggenvollkornbrot. Gerade für Dinkelbackwaren ist der Zusatz von gekochten Dinkelflocken (Kochstück) das Tüpfelchen auf dem i, wenn es um Frischhaltung auf natürlichem Weg geht. 

    Die Brote der Bäckerei Stetter entstehen alle ganz ohne Fertigbackmittel nach eigenen Rezepten.
    Die Brote der Bäckerei Stetter entstehen alle ganz ohne Fertigbackmittel nach eigenen Rezepten. Foto: Alexander Kaya

    Ist es nicht typisch, dass eine Bäckerei alles selbst herstellt, so wie Sie es tun? 
    STETTER: Das weiß ich nicht. Aber die Backmittelfirmen sind nicht umsonst so groß. Was ich aber weiß, ist, dass die Versender ihr Tiefkühllager ständig ausbauen. Da ist ein Bedarf da, anders kann ich mir das nicht erklären. Das Interesse ist schlicht riesig und viele sagen: "Wir haben das Personal nicht, um alles selbst zu machen." Unsere Antwort darauf: Man muss sein Sortiment so gestalten, dass man es selbst machen kann. Wir sind auch nicht viele Bäcker, aber wir backen nicht alles jeden Tag. 

    Hat Ihr Vater Ihnen das schon so mitgegeben? Dieser Anspruch, dass Sie möglichst viel selbst backen wollen, bei einer möglichst hohen Qualität? 
    STETTER: Ja, wobei das damals eine ganz andere Situation war. In meinen Kindheitserinnerungen war das so: Die Bauern sind gekommen und haben einen fünf Kilo Sack Mehl vorbeigebracht. Meine Mama hat das dann gegen gerechnet und dafür Brot ausgeben. Und früher hatte man nur zwei Brotsorten, vielleicht drei und noch eine Semmel und eine Brezel dazu. Diese fast uferlose Sortenvielfalt kam erst Ende der 70er auf. Damals hatten wir keine Körnersemmel oder Ähnliches. Natürlich hat sich auch das Essverhalten völlig verändert: Außer Haus-Verzehr war kein Thema, Gastronomie war für Bäckereien auch kein Thema.

    Stimmt es, dass die Bäcker keinen Nachwuchs mehr finden? 
    STETTER: Das Problem liegt hauptsächlich im Verkauf. Bei den Bäckern sind wir zwar besetzt, aber Lehrlinge sind natürlich schwierig zu finden. Als ich in der Ausbildung war, gab es in Ulm vier Bäckerklassen mit 60 Schülern. Heute besteht häufig die Gefahr, dass wir keine Klasse mehr vollbekommen. Und das ist schon erschreckend. Es gibt nun diese vereinfachte Lehrlingszuwanderung. Darüber haben wir zwei Lehrlinge bekommen: Einen jungen Mann aus Marokko und eine Dame aus dem Iran. 

    Also sind Menschen von weit hergekommen, um in Pfaffenhofen Brot zu backen. Wieso findet man denn keine Lehrlinge aus Deutschland mehr? 
    STETTER: Stellen Sie sich vor, es kommt Ihr Sohn zu Ihnen und sagt: "Papa, ich will Bäcker werden." Was sagen Sie zuerst? "Weißt du schon, dass du nachts aufstehen muss?" Sie sagen nicht: "Oh super, dann hast du den Nachmittag frei!" Aber wenn Ihr Sohn kommt und sagt "Ich habe Medizin studiert", dann sagen Sie: "Klasse!" Da denken Sie keine Sekunde an die Schichtarbeitszeiten. 

    Liegt der Fokus in der öffentlichen Wahrnehmung zu Unrecht auf den Arbeitszeiten, obwohl der Beruf eigentlich viel mehr Schönes zu bieten hat? 
    STETTER: Wir haben den schönsten Beruf, den man sich wünschen kann. Unser Material ist einfach klasse. Es ist super, es riecht gut. Man hat keine verschmierten Hände, sondern ein natürliches Produkt in der Hand. Wir erleben die Entstehung unserer Backwaren vom Anfang bis zum fertigen Gebäck. Aber wenn Sie mit den Eltern reden, bekommen Sie etwas anderes zu hören. 

    Die Anzahl der Bäckereien geht immer weiter zurück. Wird sich dieser Trend auch im Landkreis Neu-Ulm fortsetzen? 
    STETTER: Wahrscheinlich. Als ich Jugendlicher war, gab es im Landkreis 60 Bäckereien. Heute sind es noch acht. Diese acht sind nicht das Ende der Fahnenstange. Überlegen Sie einfach: Ich bin 60 Jahre alt. Meine Kollegen sind alle im selben Alter. Fast alle Betriebe stehen in den nächsten zehn Jahren zur Übergabe an. Da gibt es welche, die keinen Nachfolger aus der Familie haben. Ein Thema, das uns alle im Handwerk beschäftigt. Etwa 40 Prozent aller Handwerksbetriebe stehen in den nächsten Jahren zur Übergabe an. 

    Auf welche Backwaren sind Sie eigentlich besonders stolz? Und haben Sie ein Lieblingsbrot? 
    STETTER: Ja, der Frankenlaib mit Kümmel (lacht). Das ist ein Roggenmischbrot, natürlich mit Sauerteig, und sehr kräftigem Geschmack, urwüchsig. Und das hundertprozentige Roggenvollkornbrot, das gibt es nur donnerstags und das haben wir auch immer privat.

    Zur Person

    Meinrad Stetter führt in dritter Generation eine Bäckerei in Pfaffenhofen. Für die herausragende Qualität ihrer Backwaren wurde die Familie Stetter bereits zum dritten Mal mit dem Bayerischen Staatsehrenpreis im Bäckereihandwerk ausgezeichnet.

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