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Illertissen: Wenn sechs Bayern die Heimat suchen

Illertissen

Wenn sechs Bayern die Heimat suchen

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    Dem Heimatbegriff auf der Spur (bon links): Ex-Fußballer Paul Breitner, Museumsdesigner Andreas Koop, Filemacherin Lisa Miller, Moderator Ronald Hinzpeter, Ex-Abtprimas Notker Wolf und Bezirksheimatpfleger Peter Faßl.
    Dem Heimatbegriff auf der Spur (bon links): Ex-Fußballer Paul Breitner, Museumsdesigner Andreas Koop, Filemacherin Lisa Miller, Moderator Ronald Hinzpeter, Ex-Abtprimas Notker Wolf und Bezirksheimatpfleger Peter Faßl. Foto: Andreas Brücken

    In Bayern ist man „dahoam“, in Schwaben eher „dahoim“: Aber was bedeutet das eigentlich? Dieser Frage haben sich prominente Gäste gestern Abend in der Illertisser Schranne genähert – dabei wurde es witzig, aber durchaus auch nachdenklich. Diskutiert wurde auf Einladung von Stadt Illertissen und Landkreis Neu-Ulm, den Anlass lieferten das Doppeljubiläum „100 Jahre

    Gelegenheit zum Schmunzeln bekamen die rund 140 geladenen Zuhörer gestern Abend noch häufiger. Etwa als Ex-Fußballstar Paul Breitner, ein Oberbayer, den Schwaben empfahl, sich doch in „Westbayern“ umzubenennen. Dann könnten sie vom guten Ruf der Bayern als wirtschaftlich erfolgreiche Region profitieren. Dass das dem Publikum nicht recht gefallen wollte, schien Breitner nicht weiter zu stören – schließlich gilt der Weltmeister von 1974 als Mann der deutlichen Worte. Ganz allein schuld an dem kleinen Eklat war Breitner freilich nicht: Moderator Ronald Hinzpeter, der Redaktionsleiter der Illertisser Zeitung, hatte provokant gefragt, wie es die Schwaben denn schaffen könnten, in Bayern stärker wahrgenommen zu werden.

    Ihre Identität sollten sie freilich nicht aufgeben, schickte der Ex-Nationalspieler hinterher – nachdem sein Mitdiskutant, Bezirksheimatpfleger Peter Faßl eingewendet hatte, Schwaben sei doch wohl mehr als ein wirtschaftspolitischer Begriff. Geht es nach dem „Berufsschwaben“ Faßl, wird „Heimat“ viel zu häufig verwendet, und zwar in „Gerede bar jeden Wissens“. Oft könnten vor allem Zugezogene die Schönheit eines Dorfes besser wertschätzen. „Heimat“ könne man lernen, so Faßl. „Aber man muss sich mit ihr befassen.“

    Breitner durfte dann noch schildern, wie er als stolzer Bayer damals mit seinem Mannschaftskameraden Uli Hoeneß, gebürtiger Ulmer und heute Präsident des FC Bayern München, klargekommen sei. „Wir haben uns darauf geeinigt, keinen Dialekt zu reden“, sagte Breitner und räumte ein, dass er mit „Schwäbisch“ bis heute so seine Probleme habe. Der Ex-Kicker aus Kolbermoor bemerkte, Heimat sei für ihn, wo er sich „dahoam“ fühle – und zwar in Oberbayern.

    Anders lautete der Ansatz der Regisseurin Lisa Miller aus Bubenhausen, deren ironischer Heimatfilm „Landrauschen“ derzeit in den Kinos zu sehen ist. Heimat sei kein Ort, sondern ein Lebensgefühl und „da wo meine Freunde sind“. Sie möge Dialekt, sagte Miller. Denn der deute Sprache um. So sei es möglich, dass man als Deutscher mitten in Deutschland plötzlich nichts mehr verstehe, genauso wie etwa ein Besucher aus Afrika. Miller wollte ihre Heimat im Film zeigen, samt der schrulligen Seiten. Ohne dabei verletzend zu sein. „Manchmal eine Herausforderung.“

    Als „Allgaier“ fühlt sich nach eigenem Bekunden Notker Wolf, der aus Bad Grönenbach stammt. Folgerichtig sprach er ehemalige Abtprimas der Benediktiner gestern Abend denn auch Dialekt. Er gab sich auch sonst lokalpatriotisch: Wenn „Nordlichter“ behaupteten, in Bayern gingen die Uhren anders, antworte er: „Jawohl, aber richtig.“ Wolfs Credo seien die „vier Bs“, Bayern, Berge, Bier und Benediktiner. Wie der Freistaat stehe der Orden für „leben und leben lassen“.

    Heimatgefühle ließen sich nicht darstellen, sagte Andreas Koop, der das neue Illertisser Heimatmuseum gestaltet hat. Aus dem Gezeigten könne eine solche Emotion jedoch erwachsen. Ein Ort sei nicht die Summe seiner Häuser („oder Jägerzäune“), sagte Koop, sondern was seine Bewohner täten und was nicht. Auf eine Herkunft stolz zu sein, hält Koop für absurd. „Ich werde da nur hingeboren, dann wäre ich stolz auf Dinge, für ich nichts kann.“ Der Oberallgäuer erhielt großen Beifall.

    Die Meriten des Freistaats Bayern hob Festrednerin Beate Merk hervor, auch blau-weißer Himmel, Selbstbewusstsein und starke Politiker wie Franz Josef Strauß gehörten dazu. Als gebürtige Niedersächsin (Nordhorn) fühle sie sich nach 41 Jahren „voll und ganz als Bayerin“, sagte sie. Und Landrat Thorsten Freudenberger freute sich, Bayern in Illertissen zu feiern. Über Heimat nachzudenken sei gerade in Zeiten wichtig, in denen Nationalisten gegen die Demokratie arbeiteten.

    Beim Bayernfest gab es auch viel Musik: Erst in Schranne wo die Musikschule spielte und der Jedesheimer Dreigesang freche Texte präsentierte – natürlich auf schwäbisch. danach ging es auf dem ehemaligen Baywa-Areal weiter, wo das „Bayern-Sound“-Festival stattfand (Bericht folgt). "Diese Woche, Seite 27

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