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Illerkirchberg/Ulm: Mordfall Ece: Die wirren Vorstellungen des Angeklagten

Illerkirchberg/Ulm

Mordfall Ece: Die wirren Vorstellungen des Angeklagten

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    Nach dem Mord vor der Asylunterkunft wurden zahlreiche Kerzen an dem Ort in Illerkirchberg, an dem zwei Mädchen mit einem Messer niedergestochen worden waren, aufgestellt.
    Nach dem Mord vor der Asylunterkunft wurden zahlreiche Kerzen an dem Ort in Illerkirchberg, an dem zwei Mädchen mit einem Messer niedergestochen worden waren, aufgestellt. Foto: Alexander Kaya (Archivbild)

    Die Staatsanwaltschaft Ulm hat Anklage gegen den Angreifer von Illerkirchberg erhoben. Nach der vorläufigen Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen gehen die Ermittler von einer vorhandenen Schuldfähigkeit des 27-Jährigen aus. Dem Mann aus Eritrea werden Mord und versuchter

    Der 27-jährige eritreische Staatsbürger wollte laut Anklage bei der für ihn zuständigen Ausländerbehörde im Landratsamt des Alb-Donau-Kreises in Ulm unter Einsatz des Messers einen Pass erlangen. Das klappte nicht: Denn er dachte, dass Ece das Messer bei ihm entdeckt habe. Deswegen habe der Angeschuldigte spontan beschlossen, diese zu töten. 

    Nicht nur die Gewalttat, auch die Absicht, bei einer Ulmer Behörde einen eritreischen Reisepass mit Gewalt zu erzwingen, lässt den Angeklagten zumindest verwirrt erscheinen. Die Staatsanwaltschaft äußert sich im Gespräch mit unserer Redaktion im Detail über ihre Einschätzung des Angreifers

    Anklage gegen Angreifer von Illerkirchberg: Geständnis für Tötung von Ece liegt vor

    "Er räumt ein, das Mädchen getötet zu haben." An die 13-jährige Begleitung könne er sich nicht erinnern. "Das muss man nicht unbedingt glauben", sagt Oberstaatsanwalt Michael Bischofberger. Unter Umständen werde die Verletzung des anderen Mädchens ohnehin keine Rolle beim Strafmaß spielen. Denn die Tötung gibt er ja zu: "Wir haben ja im Prinzip ein Geständnis für die Tat."

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    Rund 300 Menschen stellen am Sonntag brennende Kerzen auf, wo Ece S. getötet wurde. Eine Gruppe von Familienvätern hat die Aktion organisiert.

    Die ausführliche Schilderung des Tatvorgangs in der Anklage beruhe auf den Aussagen des Angeklagten. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass der Angeklagte "immer wieder" zum Landratsamt nach Ulm gekommen sei, um einen Pass zu fordern. "Ihm wurde auch immer wieder gesagt: Sie sind hier bei der falschen Behörde", so Bischofberger. 

    Denn die Ausgabe von Reisedokumenten eines eritreischen Reisepasses könne nicht durch ein deutsches Amt erfolgen. "Da hätte allenfalls ein eritreisches Konsulat oder die Botschaft einen Pass ausstellen können." Dies sei ihm bei der Ausländerbehörde auch mehrfach so gesagt worden. Das habe der Mann aber offenbar nicht verstanden. Der Täter hatte viele Rechte in Deutschland: Er durfte arbeiten und sich frei bewegen, hatte also keine Einschränkung auf bestimmte Landkreise, wie es oft bei laufenden Asylverfahren üblich ist.

    Täter wollte einen eritreischen Reisepass von Behörde in Ulm

    Die einzige Einschränkung, die er hatte: Ohne Reisepass konnte er Deutschland nicht verlassen. Den wollte er sich bei der Ulmer Ausländerbehörde mit Gewalt erzwingen. Wohin der Täter reisen wollte, wisse Bischofberger nicht. Klar sei nur, dass er Deutschland nicht endgültig den Rücken kehren wollte. Von Verwandten des Täters habe die Staatsanwaltschaft keine Kenntnis. 

    "Der geschilderte Sachverhalt ist für uns schwer nachvollziehbar, löste aber eine große Betroffenheit aus", teilt das Landratsamt mit. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ausländerbehörde seien erschüttert über die Möglichkeit, dass der Angriff eventuell ihnen gegolten hätte. 

    Der Gefahr in Anbetracht der sensiblen Thematik sei man sich bewusst: In der Dienststelle der Ausländerbehörde in Ulm ist bereits dauerhaft ein Sicherheitsdienst im Einsatz. Doch eine Reaktion auf die jüngsten Ereignisse sei das nicht, heißt es auf Anfrage. Ob eine Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen nun nötig werde, sei unklar, hieß es am Dienstag auf Anfrage. 

    Nach der Tat in Illerkirchberg nahm sich ein 25-Jähriger das Leben

    Bischofberger fallen viele Erklärungsansätze für das Verhalten des Täters ein: von mangelnder Intelligenz bis zur Unerfahrenheit im Umgang mit deutschen Behörden. Aus gutem Grund habe die Staatsanwaltschaft einen psychiatrischen Sachverständigen beauftragt, ein Gutachten anzufertigen. Der Gutachter sehe allerdings in einer vorläufigen Einschätzung derzeit keine Hinweise auf eine verminderte Schuldfähigkeit. Anhaltspunkte, wonach der Täter bei der Tat unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen gestanden habe, gibt es nicht. 

    Wie Bischofberger sagt, haben die Ermittlungen in Bezug auf die Selbsttötung wenig später keine Hinweise auf eine Tatbeteiligung ergeben. Nach der Messerattacke, bei Ece tödliche Verletzungen erlitten, hatte sich ein 25-Jähriger am Bahnhof in Senden das Leben genommen. Der Mann war eine der drei Personen, die nach der Tat von der Polizei in der Flüchtlingsunterkunft angetroffen wurden. Zunächst hatte der Verdacht bestanden, dass er an der Tat beteiligt gewesen sein könnte. Bischofberger: "Da haben die Ermittlungen keine Beteiligung in irgendeiner Form ergeben." Auch die anderen zwei Männer waren offenbar unschuldig. Der eine sei gar nicht zur Tatzeit vor Ort gewesen, sondern bei der Arbeit. Und der andere habe nichts von der Tat mitbekommen. 

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