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Illerkirchberg/Ulm: Tötete er, weil er heiraten wollte? So lief der Prozessauftakt zum Ece-Mord

Illerkirchberg/Ulm

Tötete er, weil er heiraten wollte? So lief der Prozessauftakt zum Ece-Mord

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    Der Angeklagte im Fall der tödlichen Messerattacke wird in Hand- und Fußschellen in den Gerichtssaal geführt. Der Asylbewerber aus Eritrea soll in Illerkirchberg zwei Schülerinnen mit einem Messer attackiert haben. Die 14-jährige Ece starb an ihren Verletzungen.
    Der Angeklagte im Fall der tödlichen Messerattacke wird in Hand- und Fußschellen in den Gerichtssaal geführt. Der Asylbewerber aus Eritrea soll in Illerkirchberg zwei Schülerinnen mit einem Messer attackiert haben. Die 14-jährige Ece starb an ihren Verletzungen. Foto: Felix Kästle, dpa

    Die Kapuze des Parkas über den Kopf gezogen. Eine schwarze Mund-und-Nasen-Maske im Gesicht. Hände wie Füße gefesselt. Im Fokus der Kameras betritt der Angeklagte in blauem Shirt und dunkelroter Jogginghose im Fall der tödlichen Messerattacke von Illerkirchberg am Freitag um eine halbe Stunde verspätet um ziemlich genau 10.30 Uhr den Großen Sitzungssaal. Er wirkt eingeschüchtert, eher klein und schmächtig. Sein Blick geht fast nur zum Boden. An der Anklagebank angekommen, verdeckt er mit einem Ordner sein Gesicht. 

    Vorgeworfen wird dem Asylbewerber aus Eritrea, am 5. Dezember 2022 in dem beschaulichen Ort im Alb-Donau-Kreis zwei Mädchen auf ihrem Schulweg mit einem Messer angegriffen und eines von ihnen, die 14 Jahre alte Ece, getötet zu haben. Am Landgericht Ulm ist jetzt der Prozess gegen ihn gestartet. Es geht um Mord und versuchten Mord. Und obwohl die Verhandlung nur 15 Minuten geht und ausschließlich die Anklage verlesen wird, kommen neue Details ans Licht.

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    Ein 27-jähriger Asylbewerber aus Eritrea steht ab heute wegen der tödlichen Messerattacke in Illerkirchberg vor dem Landgericht Ulm. Die Bilder vom Prozessauftakt.

    Der Auftakt ist mit Spannung erwartet worden. Mit einem großen Medienaufgebot wurde gerechnet. Entsprechend die Sicherheitsvorkehrungen. 20 Plätze sind für Pressevertreter reserviert. Nach der Reihenfolge des Eintreffens werden sie vergeben. Die ersten treffen bereits vor 7 Uhr ein, da ist das Gerichtsgebäude noch geschlossen. Unter ihnen auch einer mit zwei leeren Bierflaschen, der angibt, Vertreter eines Radiosenders zu sein. Ihm aber wird der Zutritt nicht gewährt. Anwesend ist jedoch nahezu jedes regional wie bundesweit bekannte Medium. Auch ein Vertreter der türkischen Presse. Am Ende sind es mehr Presseschaffende als Zuhörerinnen und Zuhörer. In etwa genauso viele Justizbeamte kontrollieren die Zugänge, durchsuchen Taschen und passen auf, dass nur dort gefilmt und fotografiert wird, wo es erlaubt ist.

    Prozess zum Ece-Mord startet verspätet: Dolmetscher musste "noch woanders" übersetzen

    Um 10 Uhr soll der Prozess eigentlich beginnen. Weil der Dolmetscher für den Angeklagten, der ihn seit Beginn des Verfahrens begleitet, nach eigenen Angaben erst "noch woanders" übersetzen muss, geht es mit 30 Minuten Verspätung los. Vom Vorsitzenden Richter Wolfgang Tresenreiter gibt es dafür einen Rüffel: "Das erfreut nicht alle." Tigrinisch ist die Muttersprache des 27-jährigen Asylbewerbers aus Eritrea, der sich seit März 2015 in Deutschland aufhält. Er spreche ausreichend Deutsch, dass es ihm für den Alltag reicht, meint seine Pflichtverteidigerin Corinna Nagel. Wenn es aber schnell und förmlich wird, brauche er Hilfe.

    Als Staatsanwältin Nadine Schmelzer die Anklageschrift verliest, blickt der Eritreer deshalb fast ausschließlich in Richtung des Dolmetschers oder auf den Tisch vor sich. Emotionen sind aufgrund seines verdeckten Gesichts schwer zu erkennen. Der Großteil der ihm vorgeworfenen Taten ist bereits bekannt. Er sei an jenem Morgen gegen 7.20 Uhr auf dem Weg zur Bushaltestelle in der Dietenheimer Straße gewesen, als er das Messer, mit dem er sich beim Landratsamt einen Pass habe erpressen wollen, vom Rucksack in seine Tasche gesteckt haben soll. In der Annahme, die beiden Mädchen hätten die Waffe gesehen und sie würden ihn verpetzen wollen, soll er beschlossen haben, sie zu töten.

    "Tatsächlich bemerkten die Mädchen das Messer bei ihm nicht", so Schmelzer. Er soll die Schülerinnen noch gegrüßt haben, um in einem Überraschungsmoment zuzustechen. Die 13-Jährige soll er einmal mit der 16 Zentimeter langen Klinge getroffen haben. Auf die 14-Jährige habe er zwölfmal in den Rücken und neunmal in den Nacken- und Kopfbereich eingestochen. Der Angeklagte soll anschließend versucht haben, sich in seiner Wohnung das Leben zu nehmen. Ece starb circa zweieinhalb Stunden nach der Attacke in der Ulmer Uniklinik. 

    Messerattacke von Illerkirchberg: Der 13-Jährigen geht es soweit wieder besser

    Dem 13-jährigen Mädchen gehe es wieder den Umständen entsprechend soweit gut, meint die Staatsanwältin im Nachgang des Prozessauftakts. Die Wunde des Angriffs sei schnell verheilt. Ihre Eltern und die von Ece haben sich dem Verfahren als Nebenkläger angeschlossen. Am Freitag und wohl auch bei den noch anstehenden vier Terminen werden sie nicht anwesend sein. Ihre Anwälte äußern sich gegenüber Medienvertretern am Freitag nicht.

    Auch Menschen, die im Zuhörerbereich zum Teil mit Tränen in den Augen den ersten Verhandlungstag verfolgten, wollen sich nicht äußern. Darunter auch ein jüngerer Mann, der auch schon auf der Trauerfeier am Tag nach dem Angriff bei der Alevitischen Gemeinde in Ulm war. Ein Mann aus Ulm berichtet, er habe den Fall durchweg in den Medien verfolgt. Er und seine Frau würden regelmäßig darüber sprechen. Ihn interessiere, wer und vor allem warum man so etwas tue. Auch Mädchen, ungefähr im Alter der Opfer, saßen im Publikum. 

    27-Jähriger wollte wohl einen Pass, um eine Frau in Äthiopien zu heiraten

    Was in der Öffentlichkeit so noch nicht bekannt, aber Teil der Anklage war: Den Pass habe sich der 27-Jährige erpressen wollen, um nach Äthiopien zu reisen und dort eine Frau zu heiraten. Das habe der Angeklagte bei seiner Vernehmung so erklärt. Ob es die Frau aber tatsächlich gibt, kann die Staatsanwältin im Nachgang des Prozesses nicht definitiv sagen. Als Zeugin geladen ist sie nicht. Die Verteidigerin ergänzt, dass es entsprechende Kontakte und Nachrichten über das Internet gegeben habe. Darüber hätten sie sich auch kennengelernt. Eine derartige Partnervermittlung sei zwischen Eritrea und Äthiopien wohl geläufig. Die Frau hätte so wohl als Familiennachzug nach Deutschland gebracht werden sollen.

    Die Junge Alternative Schwaben hisste zum Prozessauftakt um die tödliche Messerattacke von Illerkirchberg ein Banner vor dem Landgericht Ulm.
    Die Junge Alternative Schwaben hisste zum Prozessauftakt um die tödliche Messerattacke von Illerkirchberg ein Banner vor dem Landgericht Ulm. Foto: Thomas Heckmann

    Wie geht es jetzt weiter? Die Verteidigerin will den Auftakt sacken lassen, auf sich und ihren Mandanten wirken lassen und sich dann mit ihm zusammensetzen. Erst dann soll die Entscheidung fallen, ob und wenn ja, wie er sich im Verfahren einlässt. Ob er selbst aussagt oder etwas verlesen wird. Ob Fragen beantwortet werden. In einer Vernehmung soll er bislang ausschließlich die Attacke auf die 14-Jährige, nicht aber auf die 13-Jährige eingeräumt haben. Es gehe ihm nicht gut, er habe mehrere Nächte nicht geschlafen, so Anwältin Nagel. Auf sie habe er eingeschüchtert und erschrocken vom großen Rummel gewirkt. 

    Der Mann sei als Leiharbeiter tätig gewesen und habe einen Minijob nebenher gehabt. Bis auf ein kleines Verfahren wegen Fahrens ohne Führerschein sei er strafrechtlich völlig unbelastet, sagt die Juristin. Von der Presse wird sie gefragt, ob ihr Mandant Reue zeige. "Er ist sehr introvertiert und hat nach dem Vorfall auch versucht, sich umzubringen. Also ich denke, ein größeres Anzeichen für Reue gibt es eigentlich nicht."

    Beim nächsten Verhandlungstermin am Dienstag, 13. Juni, werden erste Zeugen vernommen. Zum Beispiel der Streifenbeamte, der als Erster am Tatort eintraf. Zudem zwei Beamte, die Spuren im Wohnhaus und an der Kleidung des Angeklagten sicherten. Geladen sind auch ein Fasersachverständiger des Landeskriminalamts, ein Mitarbeiter des Landratsamts und eine Person aus dem Nahfeld des 27-Jährigen. Am 20. Juni werden weitere Spurensicherungsbeamte, ein Rechtsmediziner sowie der behandelnde Arzt und der Hausarzt des Angeklagten zu Wort kommen. Ob auch die 13-Jährige aussagen muss, ist wohl noch unklar. Ein Urteil könnte am 4. Juli fallen.

    Alle Artikel zum tödlichen Angriff in Illerkirchberg finden Sie hier.

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