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Nach tödlichem Messerangriff in Illerkirchberg: Eltern von Ece S. äußern sich

Illerkirchberg

Tödlicher Messerangriff: Eces Eltern bitten um Frieden für Familie und Ort

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    Plakate wie dieses wurden auf der Demonstration gezeigt, bei der sich Menschen gegen die Kundgebung der rechtsextremen Kleinpartei Der Dritte Weg positionierten.
    Plakate wie dieses wurden auf der Demonstration gezeigt, bei der sich Menschen gegen die Kundgebung der rechtsextremen Kleinpartei Der Dritte Weg positionierten. Foto: Alexander Kaya

    Zehn Tage nach dem gewaltsamen Tod ihrer Tochter haben sich die Eltern von Ece S. erstmals öffentlich zu Wort gemeldet und sich gegen eine Spaltung der Gesellschaft ausgesprochen. Dabei wenden sie sich auch ausdrücklich an die Medien und bitten um Frieden für die Familie und den Ort. In Illerkirchberg hatte es in den Tagen nach dem tödlichen Messerangriff es eine Reihe von politischen Demonstrationen gegeben. Menschen aus der Gemeinde selbst sagten unserer Redaktion, sie hätten Angst. "Wir wollen Frieden für den Ort", schreibt Eces Mutter nun.

    An den ersten Tagen nach dem tödlichen Angriff am Montag, 5. Dezember, war es in Momenten der Stille am Tatort immer wieder zu politischen Äußerungen gekommen. Unmittelbar nach Eces Beerdigung am Freitag hisste die rechtsextreme Identitäre Bewegung am Rathaus ein Banner. Tags darauf demonstrierte die AfD im Ort, zeigleich fand eine Gegenkundgebung statt. Am Sonntag stellten Familienväter 1000 Kerzen für Ece auf. Dabei ergriff der aus Berlin angereiste Gewaltpräventionsexperte und TV-Coach Carsten Stahl das Wort und prangerte die Asylpolitik Deutschlands an. Ein Organisator der Kerzenaktion ärgerte sich, dass der Wunsch nach stiller Trauer missachtet wurde. Carsten

    Stimmungsmache im Netz nach tödlichem Messerangriff auf Ece S.

    Im Internet wurde die Tat mit politischen Forderungen verknüpft. Kira Ayyadi, die sich für das Internetportal Belltower.News der Amadeu Antonio Stiftung mit Hetze im Netz beschäftigt, fürchtete Ausschreitungen infolge der Stimmungsmache. Eine Sorge, die Eces Eltern offenbar teilen: "Lassen wir es nicht zu, dass das abscheuliche Verbrechen unsere Gesellschaft weiter spaltet", schreiben sie. Und weiter: "Geben wir Hass, Hetze und Rassismus keinen Raum, ansonsten stirbt auch unser gemeinsames Miteinander." Auch in den dunkelsten Stunden komme es darauf an, Frieden zwischen allen Menschen und ihren Kulturen und Religionen suchen. Die Herkunft eines Menschen spiele keine Rolle.

    Bei der Trauerfeier am 9. Dezember sagte eine Cousine der getöteten Schülerin: "Seid nett und würdevoll zueinander, habt Respekt. Dann leben wir in einer guten Welt, dann herrscht Frieden." Zwei Tage später wurde auf dem vom früheren Bild-Chefredakteur Julian Reichelt betriebenen YouTube-Kanal Achtung Reichelt ein Interview mit einem Onkel von Ece veröffentlicht. Der Mann spricht darin über seine Trauer, kritisiert aber auch die Asylpolitik der Bundesregierung. Das Video ist inzwischen nicht mehr frei zugänglich. Auch ein Artikel der Bild, in dem der Mann zu Wort kommt, ist im Internet nicht mehr abrufbar. Womöglich, weil die Familie Ruhe eingefordert hat: "Wir trauern und dazu benötigen wir Abstand und Ruhe. Deshalb bitten wir Sie inständig: Sehen Sie ab von weiteren Versuchen der Kontaktaufnahme mit unserer Familie", heißt es in der Mitteilung der Eltern.

    Eltern der getöteten Schülerin beschreiben ihre Trauer

    Für ihre Trauer finden die Eltern eindringliche Worte: "Der Schmerz über den Verlust unseres Kindes ist unbeschreiblich und die Wunde, die das Verbrechen hinterlassen hat, wird niemals verheilen", schreiben sie. "Seither ist alles anders in unserem Leben, aber sicher auch bei den meisten Bürgerinnen und Bürgern unserer Gemeinde Illerkirchberg", heißt es weiter in der Mitteilung, die unsere Redaktion am späten Mittwochabend erhielt.

    Die 14-jährige Ece S. und eine um ein Jahr jüngere Freundin waren am 5. Dezember auf dem Weg zum Schulbus angegriffen worden. Ece erlag den Stichverletzungen, ihre Freundin wurde schwer verletzt und ist inzwischen wieder bei ihrer Familie. Ein 27 Jahre alter Mann aus Eritrea steht unter Verdacht, er ist in Untersuchungshaft und schweigt zu den Vorwürfen. "Diese unbegreifliche Tat verurteilen wir auf das Allerschärfste und können unsere Trauer nicht in Worte fassen", schreiben Eces Eltern. Den Tod ihrer Tochter bezeichnen sie als "Tiefpunkt ihres Lebens". Gleichzeitig erinnern sie daran, dass auch eine weitere Schülerin attackiert wurde: "Wir sind sehr dankbar, dass die Freundin unserer Tochter ihre lebensbedrohlichen Verletzungen überlebt hat."

    Eltern bitten um Ruhe für die Familie und für Illerkirchberg

    Die Eltern danken in ihrer Mitteilungen allen, die Hilfe geleistet haben: Polizei, Rettungsdienste, Seelsorger, Ärztinnen und Ärzte, die Alevitische Gemeinde, Ditib, die evangelischen und katholischen Kirchengemeinden mit ihren beiden Pfarrern, Ortsverwaltung und Bürgermeister sowie der türkische Botschafter und andere offizielle Vertreter des Staats. Dank richten sie auch an alle, die der Familie Beileid ausgesprochen haben: "Unseren Nachbarn und Freunden und wildfremden Menschen aus Illerkirchberg und überregional." Sie bitten darum, die Gemeinde zur Ruhe kommen zu lassen. Ruhe und Frieden fehlen dort seit dem Tod der Schülerin. Zwei Tage danach nahm sich ein Geflüchteter das Leben, der von der Polizei vernommen worden war, aber nicht unter Verdacht stand. Eine weitere Nachricht brachte zusätzliche Aufregung: 2019 war ein anderes 14-jähriges Mädchen in Illerkirchberg von einer Gruppe Geflüchteter vergewaltigt worden. Einer der Täter kehrte nach seiner Haft auf Anordnung der Behörden zurück in die Gemeinde. Inzwischen hält er sich nicht mehr dort auf. In sein Heimatland Afghanistan kann er derzeit nicht abgeschoben werden. Die Bundesregierung hat Rückführungen dorthin aus Sicherheitsgründen ausgesetzt, seit die Taliban wieder an der Macht sind.

    Alle Artikel zum tödlichen Angriff in Illerkirchberg finden Sie hier.

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