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Illerkirchberg: Mehr als 1000 Kerzen für Ece: Illerkirchberg kommt nach der Bluttat nicht zur Ruhe

Illerkirchberg

Mehr als 1000 Kerzen für Ece: Illerkirchberg kommt nach der Bluttat nicht zur Ruhe

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    Mehr als 1000 Kerzen legten Menschen am späten Sonntagnachmittag dort nieder, wo die Schülerin Ece S. am Montag davor getötet worden war.
    Mehr als 1000 Kerzen legten Menschen am späten Sonntagnachmittag dort nieder, wo die Schülerin Ece S. am Montag davor getötet worden war. Foto: Sebastian Mayr

    Als die Diskussionen anfangen, ist Eces Mutter schon wieder weg. Es ist Sonntag, wenige Minuten nach vier. Langsam schreitet sie die lange Reihe an Lichtern und Kerzen ab, kniet immer wieder nieder, liest die Botschaften an ihre tote Tochter. Später werden hier noch mehr Lichter brennen, mehr als 1000. Für ein stilles Gedenken an die getötete Jugendliche. Doch es bleibt nicht still.

    Eces Mutter geht den Weg einmal bergauf und dann wieder bergab. Sie liest den Gruß, den Demonstrantinnen und Demonstranten am Samstag an einem Gesteck hinterlassen haben: "Wir von der AfD sind fassungslos und fühlen mit euch...." Die Mutter des Opfers wischt ein paar Schneeflocken von den weißen Blüten, dann geht sie weiter. Die meisten Menschen bleiben ein paar Schritte entfernt, einige wenige treten näher und nehmen die Frau in den Arm. "Ich kenne die Mutter. Es ist so schrecklich", sagt eine Frau. Mehr bringt sie nicht heraus. Um 16.30 Uhr, so heißt es, sollen hier Kerzen aufgestellt werden. Eine Aktion für den Ort, für die Familie.

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    Rund 300 Menschen stellen am Sonntag brennende Kerzen auf, wo Ece S. getötet wurde. Eine Gruppe von Familienvätern hat die Aktion organisiert.

    Gedenken an Ece S. nach tödlichem Messerangriff in Illerkirchberg

    Die Ersten, die dabei sein wollen, warten schon weit länger. Langsam füllen sich Straße und Gehweg der kleinen Stichstraße, am Ende kommen rund 300 Menschen zusammen. Vor einem Zaun liegen Kerzen und Blumen. Gegenüber bröckelt der Putz von der Fassade der Unterkunft für Geflüchtete, in der sich der Täter am Montag mit den zwei Mädchen verschanzt hatte. Auf dem Boden davor liegt ein laminiertes Blatt Papier. Es ist einem anderen Menschen gewidmet, der gestorben ist: "Für dich, dessen Tod das Schicksal auf so tragische Weise mit dem gewaltsamen Tod von Ece verknüpft hat." Ein Geflüchteter aus Eritrea soll Ece getötet haben, er ist in Untersuchungshaft. Zwei Landsmänner des Verdächtigen waren ebenfalls in der Unterkunft, einer von ihnen nahm sich am Mittwoch das Leben. Eine Frau hebt das Blatt auf, liest den Text und legt es zu den Kerzen.

    Als es dunkel wird, trägt ein Mann mit blauer Jacke Kartons herbei, andere Männer helfen ihm. Sie verteilen Kerzen. Erst wollten sie 1000 besorgen, nun sind es noch einmal 200 mehr geworden. Roman ist 38 und lebt in Ulm, seine Tochter war mit Ece in der Tanzschule. Seinen Nachnamen will der Mann nicht im Artikel lesen. Es solle nicht um ihn gehen. "Wir haben auch Kinder. Wir haben geweint, als wir davon gehört haben", erzählt er über sich und seine Freunde. Er hoffe, dass die Familie so viel Hilfe bekomme, wie möglich sei. Die Kerzen sollen eine Geste des Herzens sein. Ein Zeichen dafür, dass viele Menschen mittrauern. Sie wollen keine Botschaft verbreiten, keine Forderungen aufstellen. "Hass wäre jetzt ganz falsch", sagt Roman. Dass so viele Menschen gekommen sind, überrascht ihn.

    Seit der Bluttat gibt es zahlreiche Diskussionen und Demonstrationen

    Minutenlang stehen die Menschen schweigend und flüsternd vor den Kerzen, eine junge Frau weint laut. Dann ergreift ein groß gewachsener Mann das Wort. "Jetzt war es ein türkisches Mädchen. Was kommt als Nächstes? Ein asiatisches? Ein christliches?", fragt er. Der Mann ist Carsten Stahl, der in Berlin lebt und bundesweit als Gewaltpräventionsberater tätig ist. Die Politik sei falsch, gescheitert. Wer nach Deutschland komme, müsse sich an die Regeln halten oder die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen. Und jeder, der nun schweige und nicht dasselbe sage, mache sich am Tod des Mädchens mitschuldig.

    Roman schiebt sich durch die Menge und bittet ihn, aufzuhören. "Wir sind hier, um zu trauern", sagt er. Jetzt sei nicht die Zeit für politische Parolen: "Lassen Sie uns hier einen Platz mit viel Liebe schaffen." Carsten Stahl räumt ein: Ja, dieser Ort sei auch ein Ort des Schweigens und der Trauer. Aber später dürfe niemand mehr schweigen. Aus der Menge tönen andere Stimmen: "Lass uns in Ruhe", ruft ein Mann Roman zu. "Verbreite deinen Dreckskommunismus woanders", ruft eine Frau. "Geh' nach Hause", ruft ein anderer. Dann ebben die Rufe ab.

    Am Montagabend will die rechtsextreme Kleinpartei Der Dritte Weg eine Versammlung in Illerkirchberg abhalten. Die Jusos aus Ulm und dem Alb-Donau-Kreis wollen sich dem entgegenstellen und von 18 Uhr an eine Mahnwache zum Gedenken an die getötete Schülerin abhalten.

    Alle Artikel zum tödlichen Angriff in Illerkirchberg finden Sie hier.

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