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Hochwasser Landkreis Neu-Ulm: Was plant die Politik?

Landkreis Neu-Ulm

Wer bringt den Hochwasserschutz auf dem Land voran?

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    Als läge Pfaffenhofen an einem See: Anfang Juni brachte die Roth ein Rekordhochwasser zustande.
    Als läge Pfaffenhofen an einem See: Anfang Juni brachte die Roth ein Rekordhochwasser zustande. Foto: Chrisitan Kneer

    Der Klimawandel nimmt an Fahrt auf. Wer nicht zufällig im Urlaub war, der hat es Anfang Juni in der Region erlebt. Von den Tagesschauberichten aus Babenhausen bis zum evakuierten Flüchtlingsunterkunft in Nersingen – unerfreuliche Meldungen gab es zuhauf. Es waren Tage, die sich ins kollektive Gedächtnis der Region eingebrannt haben.

    In Pfaffenhofen zum Beispiel, an der für gewöhnlich gemächlich dahinfließenden Roth, ist niemals zuvor – seit es professionelle Aufzeichnungen gibt, wohlgemerkt – ein derartiger Pegel gemessen worden: Am Sonntagmittag, dem 2. Juni um 14 Uhr, vermeldete die Messestelle von Roth an der Roth zwei Meter und zwei Zentimeter. Das waren stolze 20 Zentimeter mehr als beim letzten Rekordhochwasser vor 22 Jahren im Jahre 2002, wie aus den Daten des Hochwassernachrichtendienstes Bayern hervorgeht.

    Große Fluten im Landkreis: Neues Phänomen des Klimawandels

    Das Juni-Hochwasser betraf weniger die größeren Flüsse, die an den Rändern des Landkreises Neu-Ulm dahin fließen, Iller und Donau also, sondern mehr die Landkreismitte, mit vermeintlich harmlosen Wiesenbächen. Das war neu und das ist beunruhigend, wie Kreisbrandrat Dr. Bernhard Schmitt erklärt: „Die Probleme waren früher nur lokal begrenzt; und die Probleme waren immer Donau und Iller, aber da wurde viel getan. Doch mit dem Klimawandel hat sich einiges geändert. Jetzt haben wir Tiefdruckgebiete, die kaum mehr wandern und sich mit großen Mengen tagelang an einem Ort abregnen.“ Das Hochwasser kam also nicht nur aus den Alpen, sondern entstand in erster Linie direkt vor Ort, in der Heimat. So kam es, meint Schmitt, dass auch die kleinen Gewässer wie Osterbach, Leibi, Biber zahllose neue Seen schufen.

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    Dauerregen lässt die Pegel von Donau, Iller, Roth und vielen Nebenflüssen steigen. In Ulm und dem Kreis Neu-Ulm herrscht fast überall Hochwasser. Unsere Fotos zeigen das Ausmaß.

    Der Markt Pfaffenhofen beispielsweise, ist jetzt auf der Hut. Bürgermeister Sebastian Sparwasser (parteilos) rief alle Feuerwehrkommandanten der Ortsfeuerwehr an einen Tisch und ließ das Einsatzgeschehen Revue passieren. „Wo seht ihr Handlungsbedarf, wie können wir auf künftige Situationen noch besser eingehen?“, sei dort gefragt worden. Mehrere Arbeitskreise wurden zu diesem Thema gegründet. Der Bürgermeister der rund 7000 Einwohner zählenden Gemeinde hat jedoch eine klare Forderung: Es müsse eine Gesamtstrategie geben. Pfaffenhofen möchte keine Schutzmaßnahmen wie Dämme oder andere Bauwerke im Alleingang errichten, die das Hochwasser nur in andere Bereiche des Flusslaufs verlagern und beispielsweise in Strass Probleme verursachen könnten. Dasselbe gilt auch umgekehrt: Maßnahmen oberhalb des Flusslaufs, etwa in Weißenhorn, könnten Pfaffenhofen belasten. „Es kann nicht allein Aufgabe der Kommune sein, das muss auch auf übergeordneten Eben passieren“, sagt Sparwasser.

    Landratsamt: Kommunen sind selbst für Hochwasserschutz zuständig

    Doch wer nimmt das Zepter in die Hand? Auf Nachfrage unserer Redaktion teilte das Landratsamt zunächst mit: „Technischer Hochwasserschutz an kleinen Gewässern und der Schutz (…) vor Starkniederschlägen ist Zuständigkeit der Gemeinde.“ Deshalb würde der Landkreis eigene Maßnahmen nicht umsetzen, aber er wolle dafür koordinierend tätig werden. Iller und Donau, sowie ein Abschnitt der Roth vor der Mündung stehe unter der Obhut des Freistaats Bayern und damit des Wasserwirtschaftsamtes Donauwörth.

    Im V-Markt in Weißenhorn stand das Wasser bis zu 20 Zentimeter hoch.
    Im V-Markt in Weißenhorn stand das Wasser bis zu 20 Zentimeter hoch. Foto: Alexander Kaya

    Kreisbrandrat Schmitt kann insofern Bürgermeister Sparwassers Forderung nur bekräftigen: „Wir müssen Hochwasserschutz neu bewerten.“ Es liege nahe, dass des Landratsamts den Hochwasserschutz zusammenführt und eine Kooperation vorschlägt. Aber bevor das geschieht, sei es zunächst wichtig, einen „Status quo“ zu erheben, wie Schmitt fordert. Die außerplanmäßige Bürgermeisterdienstbesprechung diesen Montag ist der erste Schritt. Ein Rückblick auf das Hochwasser, eine Analyse des Katastrophenfalles und eine Besprechung mögliche Maßnahmen für die Zukunft stünden auf der Tagesordnung, wie eine Sprecherin mitteilte.

    Mehr Pegel, Karten und Daten: Das fordert der Kreisbrandrat

    Außerdem: „Ein Screening über die ganze Fläche und alle Täler wäre notwendig. Wir bräuchten alle Daten: zur Topografie, Geografie, Bodenbeschaffenheit et cetera.“ Es bräuchte zudem eine Art Konzil mit Vertretern aus verschiedensten Fachrichtungen, vom Wasserwirtschaftsamt bis zum örtlichen Bauamtsleiter.

    Eine Seelandschaft hat die Roth auch bei Oberroth geschaffen.
    Eine Seelandschaft hat die Roth auch bei Oberroth geschaffen. Foto: Simon Pfeifer

    Mehr Pegelmessestellen an mehr Gewässern könnten Daten liefern, die das Wasserwirtschaftsamt zu sogenannten Messnetzkarten zusammenführen könnte. Die Kommandanten von Pfaffenhofen zum Beispiel würden nicht nur wissen, wie es um den Pegel der Roth bestellt ist, sondern auch um Leibi und Biber. Ein weiterer Vorteil: Gemeinsam mit den aktuellen Daten des Deutschen Wetterdienstes dürften so auch Warnungen für das Landkreisinnere möglich sein; derzeit werden sie nur für Donau und Iller verkündet.

    Hochwasserschutz im 21. Jahrhundert stellt Kommunen und Kreis vor Mammutaufgabe

    Zudem seien höhere Investitionen in Ausrüstungen von Feuerwehr, wofür die Gemeinden zuständig sind, und in das THW (Technisches Hilfswerk), welches dem Bund unterstellt sind, unumgänglich, sagt der Kreisbrandrat. Womöglich könne das Landratsamt Sandsäcke und mobile Hochwasserschutzwände auf Vorrat beschaffen. Aber der beste Hochwasserschutz liege jedoch in seiner Prävention.

    Und da gilt die Frage: Wie geht der Landkreis damit um? Da gibt es eine ganze Menge an Faktoren zu berücksichtigen, von Wasserrechten über rechtliche Zuständigkeiten bis hin zur baulichen Umsetzung. Die altbewährte Methode, Flüsse in eine Art Betonbett zu zwingen, sei inzwischen umstritten. „Es sind große Aufgaben, die auf uns zukommen“, mahnt der Kreisbrandrat. Nicht nur im Hochwasserschutz, im gesamten Katastrophenschutz. Von den Dürren, die der Klimawandel mit sich bringt, und möglichen Blackouts, also Stromausfällen, ganz zu schweigen.

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