Klostersteige-Bäckereichefin Andrea Papazian hat seit vier Monaten ein neues „Ding“ in ihrem Laden – eine „Semmelrutsche“. Die wird von den erwachsenen und den kleinen Kunden derart gut angenommen, dass quasi dauernd Stofftaschen an den Haken der Rutsche hängen. Seitdem spart Andrea Papazian etwa ein Drittel der Papiertüten ein, die sie bisher für die Brötchen kaufen musste.
Hinterm Ladentisch wandern Brötchen und Brezen auf die Rutsche, wusch – einmal runterrutschen in die am Ende hängende Stofftasche eines Kunden, und eine Papiertüte weniger wurde verbraucht. 1400 Euro kostet die Semmelrutsche – ein Investment, von dem Papazian vermutet, es würde sich nach acht Monaten durch die eingesparten Kosten für Papiertüten amortisiert haben. Weil die Rutsche so gut angenommen wird, wird das aber wohl schon in zwei Monaten, nach einem halben Jahr Nutzungsdauer also, der Fall sein.
„Linus“ heißt die Semmelrutsche, benannt nach ihrem 13-jährigen Erfinder
„Linus“ heißt die Rutsche, die aussieht wie eine kleine Spielplatzrutsche. Sie ist aus Alu mit einer abnehmbaren und leicht zu reinigenden Plexiglasabdeckung gefertigt. Der Name kommt von ihrem Erfinder, einem 13-Jährigen, der im Dorf Ertingen im Kreis Biberach lebt, und der Umwelt helfen und Papiermüll vermeiden wollte und deshalb an einer Brötchenrutsche zu basteln begann. Linus nervte es nämlich, erzählt Papazian, in der Schule über Müllvermeidung zu lernen und dann beim Brötchenkauf doch jedes Mal die nur ganz kurzfristig genutzte Papiertüte nehmen zu müssen.
Vom Kunden mitgebrachte Stofftaschen dürfen gemäß Hygieneschutzgesetz nicht hinter die Ladentheke gelangen. „Mit der Rutsche landen die Brötchen jetzt direkt in der Stofftasche der Kunden“, erzählt Papazian strahlend. Das hat gleich mehrere Vorteile – zur Müllvermeidung einerseits, für den Geldbeutel andererseits. „Papiertüten haben sich seit Corona um ungefähr 300 Prozent verteuert“, so die findige Bäckerei-Chefin, die auch schon mit Weißwurst-Leberkäse Kreativität und Mut für Neues bewiesen hatte.
Semmelrutsche wird in Elchingen zum Erfolg: Vor allem bei Kindern kommt sie gut an
Vor allem am Wochenende benötige sie kaum noch Papiertüten, erzählt sie. „Da ist das Einkaufen entspannter.“ Unter der Woche seien es vor allem Vesperholer, die ihre Brötchen in der Tüte mitnehmen. „Aber auch Radler, die dann gleich unten am Brunnen Pause machen und ihren Einkauf verzehren.“ Die minimale Nutzungszeit der Tüten in diesem Fall ärgere sie schon. „Wir können die Welt nicht retten, aber wenn jeder einen kleinen Beitrag leistet, kommt auch was zusammen.“
Ihre Erfahrung: Es seien die Kinder, die sorgfältig darauf achten, dass die Brötchen in die Stofftaschen kommen. „Erwachsene würden die Stofftaschen eher auch mal vergessen.“ Sagten Eltern aber, man gehe zum Bäcker, würden die Kinder gleich die Stofftasche holen gehen. Ein Kind erzählte der Bäckereichefin einmal, es sei „Vollprofi“, weil es die Stofftasche noch nie vergessen hat. „Ich setz‘ deshalb voll auf die Kinder!“
Aus diesem Grund hat sich Papazian für die Kinder auch eine besondere Aktion ausgedacht: Kinder durften sich bei ihr Stofftaschen ohne Aufdruck zum Bemalen holen – und wer dann mit der bemalten Tasche kam, bekam ein Gratis-Vesper. Richtige Kunstwerke entstanden so: Auf Taschen tanzen Schmetterlinge, ganz kleine Kinder verzierten die Taschen mit Handabdrucken. Ein Kind malte eine komplette Bäckerei auf die Tasche, ein anderes einen Brot-Roboter. „Meine Kinder!“, freut sich Papazian über die Fantasie ihrer jüngsten Kunden – deren Stofftaschen sie im Geschäft immer wieder erkennt.
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