„Einen mitreissenden Mix aus Klassik, Jazz und Weltmusik“ hatten die Elchinger Musiktage versprochen für das „Quergehört“-Konzert in der Lagerhalle der Firma Oppold in Unterelchingen. Nach Abschluss des Abends klang die vollmundige Ankündigung fast schon wie Understatement. Denn was die beiden Multiinstrumentalisten Peter Fleckenstein (Schlagzeug, aber auch Piano) und Zilvinas Brazauskas (Klarinetten, Piano) an zahlreichen Schlag- und Blasinstrumenten an musikalischem Feuer entfachten, riss das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin.
Begonnen hatte der Abend mit einer geradezu klassischen Jazznummer, George Gershwins „I got Rhythm“, mit klaren, energievollen East Coast-Melodielinien. Ein kluger Einstieg in den Abend, entspannt, elegant, witzig. Mit dem kurzen „Valse Brillante“ für Xylophon mit Klavierbegleitung von George Hamilton Green legten Fleckenstein und Brazauskas zu: ein echtes Virtuosenstück im 20er Jahre Stil, bei dem man sich leicht eine etwas überdrehte Cartoonszene à la Tom und Jerry vorstellen kann. Geradezu ein Geschenk an die Hörer war Astor Piazzollas „Libertango“ in einem Arrangement der beiden Virtuosen. Sie hätten das Stück immer spielen wollen, verriet Fleckenstein zuvor, sich dabei aber immer gefragt, wie man es „neu und ein bisschen aufregend“ machen könnte. Ihre Lösung: ein sanfter, fast gehauchter Einstieg auf dem Vibraphon mit der weltbekannten Melodie, die dann subtil von der Bassklarinette fortgesetzt wird und in eine herrlich vielfarbige, an Improvisationen reiche Fassung mündet, an der Piazzolla selbst seine Freude gehabt hätte.
Der Wartesaal als Inspirationsquelle
An den Lübecker Komponisten Oliver Korte gab das Duo, das seit 2013 gemeinsam auftritt, einen Kompositionsauftrag – es sollte etwas Eigenwilliges für Vibraphon und Klarinette sein. „For W.“ verarbeitet Textauszüge aus Ludwig Wittgensteins „Tractatus logico-philosophicus“, die von den Musikern gesprochen werden müssen – während zugleich Musik erklingen soll. Ein kurzer doch hochexperimenteller Ritt auf dem Musenross: manchmal darf laut Komponistenanweisung „fast nichts mehr zu hören sein“, an anderer Stelle fordert eine komplexe Rhythmik den Spielern höchste Disziplin ab. Das Ergebnis ist dennoch hörerfreundlich, kein abstraktes Showpiece, sondern eine facettenreiche Tour de Force für zwei Könner. Und die begeisterten auch, weil es immer wieder heitere und humorvolle Momente gibt den ganzen Abend über.
„Wartesaal“ ist eine ausgefuchste Bodypercussion-Nummer, die gut auch als Varieténummer durchgehen kann; Klang und Choreographie erzählen von den langen Wartezeiten in einem Wartebereich. Das (unfreiwillige) festsitzen in einem Bahn-Wartesaal hat wohl selten eine witzigere Musiknummer hervorgebracht. Die Hörer wurden zwischendurch immer wieder auch mit populären Nummern in neuem Klanggewand verwöhnt: „Mein kleiner grüner Kaktus“ kam im Stil einer Hochtempo-Drehleiernummer daher und Hildegard Knefs Hit „Eins und Eins das macht Zwei“ als Jazznummer mit merklichem Blues-Einschlag. Die schmucklose Industriehalle hielt mit einer erstaunlich guten Akustik mit.
Den Abschluss des Abends bildete eine fast vergessene Cartoonmusik von Curt Engel, „Look out little Ruth“: In aberwitzigem Tempo wechselten Fleckenstein und Brazauskas zwischen Piano, Vibraphon und Klarinette hin und her. Und jeder spielt alles einmal. Angekündigt war ein Abend für Schlagzeug und Klarinette. Es war sehr viel mehr.
Info: Weitere Konzerte der Elchinger Musiktage am Samstag um 16 Uhr mit „Die Zauberflöte“ als Familienkonzert und um 20 Uhr mit „Die Winterreise“ sowie am Sonntag mit einem Hofkonzert um 14 Uhr und dem Abschlusskonzert „Creating Future“ um 19 Uhr.
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