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Dornstadt/Ulm: "Kein Bock auf Kommerz": So entstand das Obstwiesenfestival in Dornstadt

Dornstadt/Ulm

"Kein Bock auf Kommerz": So entstand das Obstwiesenfestival in Dornstadt

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    Michael Gugelfuß, Clemens Wieser und Bernd Matos hören zum Team hinter dem Obstwiesenfestival in Dornstadt.
    Michael Gugelfuß, Clemens Wieser und Bernd Matos hören zum Team hinter dem Obstwiesenfestival in Dornstadt. Foto: Michael Kroha

    Linsen mit Spätzle und, wer will, noch Wiener dazu. Für die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer wird in der Mittagspause bestens gesorgt. Schließlich sind sie der Grundstock dafür, dass das Obstwiesenfestival (OWF) in Dornstadt weiterhin umsonst und draußen stattfinden kann. Trotz Unwetter und A8-Bauarbeiten laufen auf dem Lerchenberg die Aufbauarbeiten bereits seit einigen Tagen. Mit einer Filmnacht am Donnerstagabend startet die 29. Auflage des inzwischen über die Region hinaus bekannten und beliebten Events, zu dem am Samstagabend die Beatsteaks erwartet werden. 1990 wurde das OWF von einer katholischen Jugendorganisation erstmals auf einer kleinen Obstwiese auf die Beine gestellt. Bands traten da noch auf einem Bulldog-Anhänger auf. Seither hat sich vieles getan, vieles blieb aber auch gleich. 

    Bernd Matos, der inzwischen in Ettlishofen im Kreis Günzburg wohnt, ist ein Mann der ersten Stunde, der letzte dieser Art im Team. Als vor 33 Jahren auf jener Wiese an der Langen Straße in Richtung des Ortsteils Bollingen das erste Fest dieser Reihe ins Leben gerufen wurde, war er mit knapp 18 Jahren dabei. Sieben bis acht Personen aus dem "Kiga Dornstadt" seien es gewesen, die ein "kleines Musikfest" hätten machen wollen. Ein Tag, ohne Eintritt, ohne Zutrittsbeschränkungen – "kein Bock auf Kommerz". Skapella hieß eine der ersten Bands. "Die laufen heute mit dem Krückstock", scherzt der 51 Jahre alte Matos. Die Gage damals: ein Kasten Bier oder 50 Mark Tankgeld. Dass dieses "kleine Musikfest" jemals so groß wird, wie es heute ist, hätte niemand gedacht. Es sei auch gar nie nicht so gewollt gewesen. "Wir wollten einfach nur ein kleines Fest", sagt der hauptberufliche Messebauer, der heute beim OWF für den Strom zuständig ist. Inzwischen helfen auch seine Kinder, zwischen 16 und 20 Jahren, beim Aufbau mit. Den "Kleinen" ein Vorbild sein. 

    Ausgaben fürs Obstwiesenfestival in Dornstadt belaufen sich auf bis zu 300.000 Euro

    Dabei waren Festivals lange Zeit verrufen. "Da fährst nicht hin, das sind Rocker", hatte es einst auch zu Michael Gugelfuß geheißen. Der 43-Jährige, von Hauptberuf Geschäftsführer einer Dornstadter Druckerei, ist der Vorsitzende des Vereins "Obstwiesenfestival e. V.". Der wurde 2006 gegründet, nachdem das Finanzamt mal die Gelder bei der Kirche geprüft habe. Dabei sei aufgefallen, dass da doch einiges im Umlauf ist. Die Ausgaben belaufen sich inzwischen auf zwischen 250.000 bis 300.000 Euro. Maximal 18 Prozent davon werden mithilfe von Sponsoren refinanziert. Für den Rest sind die Veranstalter auf den Konsum der Gäste angewiesen. Eintritt gibt es nach wie vor nicht. Das Bier im 0,3-Liter-Becher wird dafür fünf Euro kosten. Hochgerechnet sind das zwar Bierpreise wie auf dem Münchner Oktoberfest. Doch das kulturelle Angebot der Obstwiesn sei besser als das auf der Wiesn, meint Clemens Wieser.

    Der 30-Jährige hat quasi sein Hobby zum Beruf gemacht. Als Fünfjähriger war er das erste Mal auf dem OWF. Jetzt organisiert er Festivals, ist Angestellter beim Modular-Festival in Augsburg. Zusammen mit Gugelfuß kümmert er sich um das Line-up. Ziel sei es eigentlich, die Bands nach Dornstadt zu holen, bevor sie groß werden. Schon oft hat das geklappt. Dank selbst anrecherchierter Kenntnisse in der Musikszene. Zum 25-jährigen Festivaljubiläum wurden 25 Holzliegestühle angefertigt, auf den Lehnen jeweils die 25 vergangenen Line-ups eingraviert. Zu lesen sind darauf Namen, die man auch kennt, wenn man kein ausgewiesener Experte ist: Sportfreunde Stiller, We Are Scientists, Wanda, Tocotronic. 2002 waren schon mal die Beatsteaks da, jetzt kommt die Berliner Band wieder. "Die sind an ihr Minimum, wir an unser Maximum", sagt Gugelfuß. 

    Größer als jetzt soll das Obstwiesenfestival in Dornstadt nicht mehr werden

    Größer als jetzt soll das Festival nicht mehr werden. Den Verantwortlichen reicht es, wenn es jedes Jahr wieder stattfinden kann. Viele Leute und viel Verzehr, also eine schwarze Null am Ende, seien die Grundlage dafür. Doch alles so belassen wie bisher – das ist auch nicht das Motto der Macher. Der Bestand soll verschönert und verbessert werden. Und hier liegt der Teufel im Detail. So gibt es die klassischen Dixie-Klos eigentlich nicht mehr, dafür Klowagen. In diesem Jahr kann man sich erstmals vorab ein Campingplatz-Ticket sichern. 

    Nach sechs Standortwechseln rund um Dornstadt scheint das Festival am Lerchenberg mittlerweile ein Zuhause gefunden zu haben. Seit 2011 wird zwischen Biathlonzentrum, Autobahn(meisterei), neuer ICE-Trasse und Rommelkaserne gefestet. Grund und Boden gehört der Gemeinde. Wenn dort die Musik-Fans nicht feiern, mäht ein Landwirt das Gras für seine Tiere ab. Neben schönem Wetter hoffen die Verantwortlichen auf einen friedlichen Verlauf. Zwar heißt es, Idioten gibt es überall. Und beim OWF will man offen sein für jeden. Doch das Publikum lässt sich wohl doch in gewisser Weise beeinflussen – sei es durch die Musik, die gespielt wird. "Die Leute, die zu uns kommen, wollen ein friedliches Miteinander", sagt Matos. "Niemand hat Bock auf Stress." 

    Das Orga-Team beziehungsweise der Verein besteht aktuell aus circa 35 aktiven Mitgliedern. Sie zahlen keinen Beitrag, der gilt mit ihrem Einsatz fürs Festival abgegolten. Weitere 25 bis 30 passive Mitglieder dienen als Art Förderverein. Sie wirken nicht direkt bei der Umsetzung des Festivals, helfen dafür aber monetär. Neben dieser Truppe gibt es ein riesiges Team von 350 Ehrenamtlichen, die die Schichten an den Ständen für Speisen und Getränken teilen. Als Anerkennung dafür gibt es neben guter Musik bei der Arbeit und Wertmarken jedes Jahr ein neues T-Shirt. Und das werde "mit Stolz" getragen. 

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