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Bundestagswahl 2021 Kandidaten im Wahlkreis Neu-Ulm: Philipp Meier von der Piratenpartei hofft auf ein "Weltwunder"

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Philipp Meier von der Piratenpartei hofft auf ein "Weltwunder" bei der Wahl

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    Philipp Meier kandidiert für die Piratenpartei, im Wahlkreis 255.
    Philipp Meier kandidiert für die Piratenpartei, im Wahlkreis 255. Foto: Alexander Kaya

    "Piratig", dieses Wort streut Philipp Meier gerne ins Gespräch ein, wenn er von sich und seiner Partei erzählt. Meier ist Software-Entwickler - sehr piratig. Meier baut in seiner Freizeit Computertastaturen - extrem piratig. Meiers politische Themen: Bürgerbeteiligung, Bürgerrechte und nutzbare Technologie für alle - klassisch für einen Vertreter der Piratenpartei. im Wahlkreis 255 Neu-Ulm.

    Meier kam 1978 im hessischen Marburg zur Welt und lebt seit 1987 in der Region Neu-Ulm. Er erinnert sich noch an die Aufbruchstimmung, als er 2009 der jungen Partei beitrat: "Das war zu Hochzeiten der Piraten." Er sei beigetreten für den Schutz der Bürgerrechte, den letzten Stups gab ihm die hitzige Debatte um die Vorratsdatenspeicherung.

    Damals, in ihrer Blütezeit, enterten die Piraten vier Länderparlamente. Doch die Krise traf die Partei, als sie 2013 den Einzug in den Bundestag verpasste. "Das hat damals viele, viele Parteimitglieder enttäuscht und Angst gemacht, eine kleine Partei zu wählen", erinnert sich Meier. Doch die Piratenpartei lebt weiter und möchte Politik gestalten: "Wir sind fast schon eine politische Selbsthilfegruppe", scherzt der Kandidat.

    Meier wirbt für soziale Projekte wie das bedingungslose Grundeinkommen, auch für einen fahrscheinlosen Nahverkehr für alle - und das Instrument Volksentscheid. Basisdemokratie herrscht zumindest schon partei-intern: "Unser Wahlprogramm wurde in sehr piratiger Weise schwer umkämpft. Da wurde um jeden Satz gerungen."

    Wer sind die Piraten heute? Durchdigitalisierte Netzexperten, "Nerds" am Bildschirm? Zumindest ein Klischee trifft zu, und das bedauert Meier: "Es ist leider immer noch so, dass wir viel zu wenige Frauen in unserer Partei haben." Das störe ihn sehr - auch als Vater von vier Töchtern. Aber dass Geschlechter-Quoten eine gute Lösung bieten, bezweifelt er: Lieber mit Angeboten fördern, Programmier-Kurse für Mädchen organisieren, jungen Ingenieurinnen den Berufsweg ebnen.

    Digitalisierung möchte Meier nicht in allen Lebensbereichen und um jeden Preis herbeizwingen, auch nicht bei der Bundestagswahl: "Ich bin froh, dass in Deutschland die Idee von Wahlmaschinen wie in den USA noch sehr weit weg ist. Und das sage ich als Software-Entwickler." Ein Kreuz auf Papier sei in diesem Fall sicherer. Bürger sollten auch in allen Lebenslagen entscheiden können, welche Informationen sie preisgeben, und wer sie einsehen kann, findet Meier, "damit kein unkontrollierter Datenaustausch stattfindet".

    Die Übermacht der großen Datensammler wie Facebook kritisiert Meier. Doch bei allem Einsatz für Recht und Freiheit ist er im Notfall zu Einschnitten bereit - vor allem in der Pandemie. "Das ist einer der ganz, ganz wenigen Fälle, wo ich natürlich einverstanden bin, dass Bürgerrechte massiv eingeschränkt werden. Aber nur, wenn es zeitlich begrenzt ist."

    Aus der Corona-Krise schöpft der 43-Jährige auch Ideen: Home-Office ist für ihn ein Modell mit Zukunft. Wenn weniger Pendler tagtäglich auf den Straßen fahren, könne dass die Umwelt entlasten, sagt Meier. Er findet auch: "Wir müssen Klimapolitik an der Wissenschaft ausrichten. Und eigentlich reagieren wir dabei jetzt schon 40 Jahre zu spät." Den Zielen der Grünen fühlt er sich in dieser Frage deutlich näher als zum Beispiel der Union.

    Diese Grünen waren einmal die Neulinge im Bundestag, Revoluzzer im Turnschuh. Jahrzehnte später wurde die Piratenpartei zum bunten Vogel im Politbetrieb. Heute sitzen extrem rechte Politiker im Parlament, Querdenker wirbeln die politische Debatte um. Wie geht eine Partei, die sich bürgerliche Freiheit auf die Fahne schreibt, mit Hassreden, Rassismus, Homophobie und Fake News im Netz um? "Strafverfolgung muss immer das allerletzte Mittel bleiben", findet der Pirat. Er fordert, angesichts einer Gesellschaft, die auseinanderdriftet, stärker in Medien-Aufklärung und Bildung zu investieren.

    Meier scheint es wichtig, dass die Piraten den Ruf der Ein-Themen-Partei abschütteln. Auch Migrations- und Flüchtlingspolitik beschäftigt ihn: "Europa muss anerkennen, dass wir auf Zuwanderung angewiesen sind. Auch in der Breite."

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