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Baden-Württemberg: Bundesweite Razzia gegen Rechtsextreme – offenbar auch in Neu-Ulm

Baden-Württemberg

Bundesweite Razzia gegen Rechtsextreme – offenbar auch in Neu-Ulm

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    Polizisten stehen vor einem Hintereingang eines Gebäudes in Eisenach (Thüringen), das sie durchsuchen. Ermittler gingen am Mittwochmorgen gegen mutmaßliche Rechtsextremisten vor.
    Polizisten stehen vor einem Hintereingang eines Gebäudes in Eisenach (Thüringen), das sie durchsuchen. Ermittler gingen am Mittwochmorgen gegen mutmaßliche Rechtsextremisten vor. Foto: Martin Wichmann, dpa

    Es ist der bisher schwerste Schlag gegen die militante Neonazi-Szene in Deutschland: Bei Razzien in elf Bundesländern, darunter auch Baden-Württemberg, haben Spezialkommandos am Mittwoch in den frühen Morgenstunden 61 Wohnungen durchsucht und vier Männer festgenommen. Unter den 50 beschuldigten Rechtsextremisten soll laut Medienberichten auch ein Unteroffizier der Bundeswehr sein.

    Im Zentrum steht die rechtsextremistische Kampfsportgruppe „Knockout 51“, die nachweislich bei der thüringischen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) in Eisenach trainiert hat. Ihr Anführer soll laut dem Generalbundesanwalt in Karlsruhe der 24-jährige Leon R. aus

    „Knockout 51“ war den Ermittlern zufolge vor allem in Thüringen aktiv

    Die Trainings sollen unter der Leitung des Beschuldigten Leon R. in Eisenach regelmäßig in den Räumlichkeiten der Landesgeschäftsstelle der NPD, dem „Flieder Volkshaus“, stattgefunden haben. Den vier Festgenommenen wird die Mitgliedschaft in einer rechtsextremistischen kriminellen Vereinigung vorgeworfen. „Knockout 51“ war insbesondere in Thüringen aktiv und zudem überregional mit anderen rechtsextremistischen Akteuren in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen vernetzt. Diese Verbindungen beruhen auf persönlichen Kontakten von Leon R. zu der dort jeweils etablierten rechtsextremen gewaltbereiten Szene.

    Recherchen des Südkurier, der ebenso wie die Augsburger Allgemeine in der Mediengruppe Presse-Druck erscheint, haben ergeben, dass es in Baden-Württemberg in Zusammenhang mit der Großrazzia am Mittwochmorgen zwei Hausdurchsuchungen im Raum Freiburg und im Ortenaukreis gegeben hat, wie Christian Fastermann, Sprecher des Generalbundesanwalts in Karlsruhe, auf Anfrage bestätigte. Festnahmen habe es dort jedoch keine gegeben, aber es gebe einen Beschuldigten aus Baden-Württemberg.

    Ein mit den Ermittlungen vertrauter Beamter sagte dem Südkurier, dass die Hausdurchsuchungen in der Stadt Freiburg und im Raum Offenburg stattfanden. Eine Sprecherin des Polizeipräsidiums Freiburg wusste auf Anfrage zu der Großrazzia in ihrem Zuständigkeitsgebiet nichts und durfte nach einer Erkundigung auch keine Stellungnahme abgeben.

    Rechtsextremismus: Auch in Neu-Ulm gab es offenbar eine Hausdurchsuchung

    Eine weitere Hausdurchsuchung mit einem Beschuldigten hat es laut Informationen des Südkurier an der Grenze zu Baden-Württemberg in Neu-Ulm gegeben. Fest steht bereits jetzt: „Es mit eine der größten, flächendeckenden Aktionen in diesem Phänomenbereich (gegen Rechtsextreme, Anm.) in Deutschland seit der Nachkriegszeit“, sagt Fastermann.

    „Knockout 51“ soll vor allem Gewalt gegen Menschen aus der linken Szene und die Polizei ausgeübt haben, die nach der rechtsextrem und rassistisch geprägten Weltsicht der Gruppierung bekämpft werden dürften. Zumindest für Auseinandersetzungen mit „Linken“ sei dabei auch der Einsatz von Hieb- und Stichwaffen vorgesehen gewesen.

    In Eisenach sollen die Mitglieder von „Knockout 51“ versucht haben, einen sogenannten „Nazi-Kiez“ zu schaffen und sich dort als bestimmende Ordnungsmacht zu etablieren. Seit Ende April 2021 habe die Vereinigung in dem Gebiet „Kiezstreifen“ durchgeführt. Dabei soll auch um die gezielte Provokation von Gewalt sowie den aktiven Kampf gegen politische Gegner gegangen sein.

    Im Rahmen ihres Auftritts als selbst propagierte Ordnungsmacht sollen Leon R., Maximilian A., Bastian A. und Eric K. zwischen Februar 2021 und Januar 2022 mehrfach Menschen verletzt haben, zum Teil schwer. Um die kriminellen Ziele der Vereinigung zu verwirklichen, suchten Mitglieder von „Knockout 51“ überdies zwischen Ende August 2020 und Ende März 2021 mehrere Protestveranstaltungen gegen Corona-Maßnahmen im Bundesgebiet auf. Dort kam es laut Generalbundesanwalt zu gewalttätigen Zusammenstößen mit Polizeikräften und aus Sicht der Beschuldigten „linken“ Gegendemonstranten.

    Ende November 2021 soll Leon R. zum Schein die Auflösung der Vereinigung verkündet haben. Seitdem seien Anwärter auf Geheiß von Leon R. in die Jugendorganisation der NPD, „Junge Nationalsozialisten“ (JN) eingetreten. Nach außen hin wird diese Jugend von „Knockout 51“ laut Bundesanwaltschaft von dem Beschuldigten Eric K. geführt. Aufnahmeverfahren von Anwärtern sollen neben einer praktischen Prüfung auch eine Art Test mit Fragen zum Nationalsozialismus vorgesehen haben.

    Beschuldigte werden am Mittwoch und Donnerstag dem Ermittlungsrichter vorgeführt

    Laut Bundesanwaltschaft war der Hauptbeschuldigte Leon R. bei 2019 eingeleiteten Ermittlungen gegen die „Atomwaffen Division Deutschland“ und das „Sonderkommando 1418“ in den Blick der Behörden geraten. Durch die Kontakte von Leon R. seien die Ermittler wiederum darauf gestoßen, dass das Verbot von „Combat 18“, ein Code für die „Kampftruppe Adolf Hitler“, unterlaufen werde. In diesem Zusammenhang werde mittlerweile gegen 21 Beschuldigte in ganz Deutschland ermittelt. Zehn weitere Beschuldigte sollen sich dem deutschen Ableger der 2015 in den USA gegründeten „Atomwaffen Division“ (AWD) angeschlossen oder diesen unterstützt haben. Die Gruppe trete „offen rassistisch, antisemitisch und nationalsozialistisch sowie extrem gewaltverherrlichend“ auf. Ziel sei die Entfachung eines „Rassenkriegs“ durch Anschläge und Morde.

    Beim „Sonderkommando 1418“ handelt es sich den Angaben zufolge um eine Internet-Chatgruppe, die zwischen Herbst 2019 und Februar 2020 aktiv gewesen sein soll. Auch hier soll es den Mitgliedern darum gegangen sein, „Anhänger für terroristische Anschläge zum ‚Rassenkrieg‘ und zur Zerstörung bestehender demokratischer Systeme unter Ersetzung durch ein neofaschistisches System zu gewinnen“. In diesem Zusammenhang werde gegen fünf Personen ermittelt.

    Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang sagte in Berlin, die Durchsuchungen seien „ein wichtiger Schlag gegen die gewaltbereite rechtsextremistische Szene und ein großer Erfolg der Sicherheitsbehörden“. Durch die intensive und koordinierte Zusammenarbeit der beteiligten Behörden habe ein wesentlicher Beitrag zur Zerschlagung von rechtsextremistischen Netzwerken und Aufklärung der so genannten „Siege“-Szene geleistet werden können. „Siege“ bedeutet im Englischen Belagerung. Die Szene verbreitet laut Verfassungsschutz über das Internet global rechtsextremistische Terrorpropaganda und will einen Bürgerkrieg auslösen. Leon R., Maximilian A., Eric K. und Bastian A. werden am Mittwoch und Donnerstag dem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof vorgeführt, der ihnen die Haftbefehle eröffnen und über den Vollzug der Untersuchungshaft entscheiden wird. (mit dpa)

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