Sankt Christophorus, bitt für uns“ liest sich verbreitet an den Auto-Armaturenbretter der motorisierten Gesellschaft. Daneben ein Relief eines starken Mannes, der ein Kind auf seinen Schultern trägt. Dabei hat der Heilige, über dessen historische Authentizität aber auch rein gar nichts gesichert ist, noch weitaus mehr Betätigungsfelder: Angerufen wird der Christusträger, nichts anderes heißt nämlich der griechische Name, nicht nur als Beistand für den Reisenden, sondern auch bei Unwetter, Krankheit und Feuer. Dementsprechend lautet das alte Verslein: „Kaiser Decius seine Wuth ausüben wollt an‘ Christenblut; Mit siedend Blei hat übergossen, scharfe Pfeil auf ihn geschossen, Donner, Pest und Feuersbrunst, Sanct Christoph, wende ab von uns!“ Sein mythologisches Ende im Zuge einer der römischen Christenverfolgungen zeichnet Christophorus als Märtyrer aus. Und (Glaubens)zeugen – auch hier die deutsche Übersetzung – besaßen schon mal das Potenzial zur späteren Heiligsprechung. Dargestellt wird der fromme Mensch meist in jenem Moment, als er auf einen massiven Stock gestützt, das Jesuskind durch ein Gewässer trägt. Zahlreiche Statuen bilden diese Handlung ab, genauso wie bemerkenswerterweise übergroße Bildnisse an öffentlichen Gebäuden und Kirchen. So auch am Turm der Weißenhorner Stadtpfarrkirche, wo aus halber Höhe der kräftige Mann in die Hauptstraße blickt. Was hat es damit auf sich?
Der ist so weit oben, den muss man ja groß malen, mag manch einer argumentieren – nur, ein spätgotisches Pendant im Augsburger Dom befindet sich nur knapp über den Köpfen der Besucher. Des Rätsels Lösung besteht darin, dass die „Legenda Aurea“ – eine Sammlung von Lebensgeschichten der Heiligen – Christophorus die Gestalt eines Riesen zuschreibt. Zwölf Ellen groß sei er gewesen, so ist in dem neben der Bibel meistgelesenen Buch des Mittelalters zu entnehmen.
Christophorus soll Jesus Christus über den Fluss getragen haben
Im Jahr 452 taucht erstmals der Name des Heiligen auf, als ihm in Chalkedon in Kleinasien erstmals eine Kirche geweiht wurde. Verschiedene Geschichten drehen und spinnen sich um die schwer greifbare Person des Christophorus. Im Westen wurde vor allem jene bekannt, in der unser Heiliger Menschen von einer Seite des Flusses auf die andere beförderte. Bedingt durch seine Körpergröße konnte er nämlich aufrecht durch die Fluten des Flusses waten, während seine Kundschaft auf seinen Schultern ruhte.
Als Christophorus nun einmal von einem kleinen Kind gebeten wurde, überzusetzen, ging der Träger sicher nicht von einer außergewöhnlichen Arbeit aus. In der Mitte des Stroms jedoch wurde seine Last so schwer, dass der Heilige fast erdrückt wurde. Gerade noch das Ufer erreicht, offenbarte sich das Kind als Jesus Christus. Seinen Stock solle er zuhause in die Erde rammen und schon bald würden Bäume und Früchte daraus erwachsen, so die Verheißung.
Gemälde in Weißenhorn wurde 1896 geschaffen
Die Popularität des Christophorus wuchs im Laufe der Jahre dermaßen an, sodass er schließlich zu den Vierzehn Nothelfern gezählt wurde. Schön, aber warum ist er nun außen auf den Turm gemalt? Eine weitere Geschichte, die vor allem im späten Mittelalter Verbreitung fand, besagt, dass derjenige, der das Bildnis des Heiligen betrachte und dazu noch ein kurzes Gebet verrichte, an diesem Tag von einem jähen Tod verschont bleiben würde. Wobei damit bei Weitem nicht gemeint ist, dass den Betrachter nicht auch in den nächsten paar Stunden das Zeitliche segnen könnte, vielmehr als dass jener nicht ohne Beichte und Empfang der Sakramente dahinscheiden würde. Dies erklärt auch die weite Sichtbarkeit des Bildes.
Das Gemälde am Turm der Weißenhorner Stadtpfarrkiche wurde 1896 von Ludwig Glötzle nach Vorlagen von Thomas Guggenberger geschaffen, wie Wolfgang Ott in einem Aufsatz zum Weißenhorner Christophorus hinweist. Doch schon auf dem Vorgängerbau der in den Jahren 1865 bis 1869 neu errichteten Stadtpfarrkirche blickte der heilige Riese auf die Schutzsuchenden zu seinen Füßen. So sei dem modernen Passanten der Rat empfohlen, beim Vorübergehen kurz den Blick zu heben: Man weiß ja nie und schaden tut´s bestimmt nicht.
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