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Weißenhorn: Grafertshoferin pflegt verletzten Greifvogel gesund

Weißenhorn

Grafertshoferin pflegt verletzten Greifvogel gesund

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    Der gefiederte Patient: Greifvogel-Liebhaberin Tanja Rosenkranz aus Grafertshofen hat einen schwer verletzten Milan gesund gepflegt. Jetzt wird das Tier auf seine Auswilderung vorbereitet.
    Der gefiederte Patient: Greifvogel-Liebhaberin Tanja Rosenkranz aus Grafertshofen hat einen schwer verletzten Milan gesund gepflegt. Jetzt wird das Tier auf seine Auswilderung vorbereitet. Foto: Alexander Kaya

    Es war ein dumpfer Schlag in einem Garten in Osterberg, der das Leben von Tanja Rosenkranz aus Grafertshofen gründlich auf den Kopf stellte: Ein Rotmilan, der auf der Suche nach Nahrung sein Revier im nahen Wald verlassen hatte, war im Sinkflug mit voller Wucht gegen eine Glasscheibe geprallt. Schwer verletzt blieb der Greifvogel im Gras liegen. Kurz nach dem Unfall klingelte bei Rosenkranz das Telefon. Niemand wollte sich dem betäubten Raubvogel nähern, der da mit seiner stattlichen Körpergröße von nahezu 50 Zentimetern auf dem Rasen lag.

    Die Grafertshoferin kennt sich mit solchen Tieren aus: Seit einigen Jahren hält sie den sibirischen Uhu „Nele“. Das Tier ist in einer Voliere im Garten artgerecht untergebracht, für die Haltung hat Rosenkranz einen Kurs absolviert. „Das ist einfach meine persönliche Leidenschaft.“ Für ihre Passion ist sie in der Region bekannt. Auch bei Stadträtin Jutta Kempter, die den gefiederten Patienten vermittelte.

    Der Vogel hatte ein Hirntrauma erlitten

    Mit ihrem Mann, der Jäger ist, fuhr die Grafertshoferin nach Osterberg. Es war Liebe auf den ersten Blick: „Der Milan lag da und konnte sich nicht rühren“, schildert Rosenkranz ihre erste Begegnung mit dem Tier. Mit einem Handtuch hob sie den Vogel auf. „Ich wusste ja nicht, ob der greift.“ Doch der Milan blieb friedlich – bei einem Illertisser Tierarzt zeigte sich, warum. Eine erste Diagnose stimmte optimistisch: Keine Brüche, keine inneren Blutungen, das Gefieder intakt. Eine zweite allerdings weniger: Der Vogel hatte ein schweres Hirntrauma erlitten, er konnte seine Krallen nicht schließen. Eigentlich ein sicheres Todesurteil – wenn ein Milan keine Beute packen kann, überlebt er in freier Wildbahn nicht. „Wir hätten ihn von seinen Qualen erlösen müssen“, sagt Rosenkranz. Doch sie gab nicht auf: In eine Schachtel im Keller bettete sie den Patienten, den Tochter Leonie „Milano“ taufte. Kühl, dunkel und ruhig – hier sollte das Tier seine Hirnschwellung auskurieren. Liebevoll fütterte die Ersatz-Mutter es mit Mäusen und Rehstücken, häppchenweise per Pinzette.

    Auch wenn sie den Milan fest ins Herz schloss, vermied Rosenkranz unnötigen Kontakt. Schließlich sollte sich Milano nicht an sie gewöhnen: „Er ist ein Wildtier und gehört nach draußen.“ Das Gesetz verbiete es aus gutem Grund, solche Tiere fest aufzunehmen. So war klar: Sollte der Milan einmal genesen, musste er in eine Auffangstation. Eine solche hat die Vogelexpertin aus Grafertshofen in Rösrath bei Köln ausgemacht.

    Doch ob das verletzte Tier dort jemals ankommen würde, war fraglich – seine Fänge wollten sich einfach nicht schließen. Dann kam die Nacht, die alles entscheiden sollte. Es stand Spitz auf Knopf: Käme der überlebenswichtige Greifreflex bis zum nächsten Morgen nicht zurück, wäre die tödliche Spritze beim Tierarzt angestanden, sagt Rosenkranz. „Es hätte keinen Sinn gemacht, den Vogel unter diesen Umständen weiter unter Qualen am Leben zu halten.“ Die Grafertshoferin verabreichte eine homöopathische Arznei – ein letzter Versuch. Es folgten bange Stunden. Aber das Warten lohnte sich: Morgens schloss Milano die Klauen um den Finger seiner Ziehmutter. „Ich habe mich wahnsinnig gefreut“, sagt sie.

    Rotmilan zieht in umgebauten Zwinger des Haushunds ein

    Langsam ging es mit dem Patienten bergauf. Er konnte schließlich in den kurzerhand umgebauten Zwinger des Haushunds einziehen. Auch wenn sich der Vogel augenscheinlich täglich besser fühlte, Wildtier bleibt Wildtier – sobald jemand sein Häuschen betrat, stellte es sich tot. Dass die Starre nur gespielt war, erkannte Rosenkranz nur am Blinzeln der eindringlichen Vogelaugen. Wollte sie Milano in seinem Domizil herumstolzieren sehen, musste die Pflegerin ganz vorsichtig aus dem Fenster ihres Hauses herüber schauen. Der Anblick zauberte ihr jedes mal ein Lächeln ins gesicht. „Ein ganz tolles Tier“, sagt Rosenkranz.

    Das war einmal. Seit dem Wochenende ist die Unterkunft im Garten verlassen. Milano wurde zur Auffangstation bei Köln gebracht.

    Dort geht es dem Vogel gut, weiß Rosenkranz, die ihren Schützling noch bis in den Spessart begleitete, wo ein Bote ihn übernahm. Im neuen Umfeld habe sich Milano gut eingelebt, bereits gefressen und gebadet. Jetzt müsse er seine Flugmuskulatur aufbauen, bevor ihn der Weg hinaus in die Natur führe. Rosenkranz wird dann wohl nicht dabei sein. Vergessen will sie ihren Zögling aber nie. „Ich hoffe, ich bekomme ein Video von seinem Flug in die Freiheit.“

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