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Weißenhorn: Beim Weißenhorner Urgestein wurde eingestiegen

Weißenhorn

Beim Weißenhorner Urgestein wurde eingestiegen

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    Robert „Robby“ Bachinger (links) hat am Donnerstag Besuch von einem langjährigen Freund aus dem Allgäu bekommen. Auch Karlheinz Schmid (rechts) wollte seinem Kumpel ein paar Dinge vorbeibringen, die er gut gebrauchen könnte.
    Robert „Robby“ Bachinger (links) hat am Donnerstag Besuch von einem langjährigen Freund aus dem Allgäu bekommen. Auch Karlheinz Schmid (rechts) wollte seinem Kumpel ein paar Dinge vorbeibringen, die er gut gebrauchen könnte. Foto: Sophia Huber

    In einer Schublade zwischen Schrauben, Papieren, Stiften und kleinen Döschen lagen die 350 Euro in ein Bündel eingerollt. Robert Bachingers Erspartes für den kommenden Winter. Lebensmittel für sich und seine Tiere wären damit drin gewesen. Vor wenigen Tagen wurde das Geld aus seinem Wohnwagen gestohlen. „Sehr schade, aber so ist es jetzt halt“, sagt der Mann, der in Weißenhorn auch als Graf bekannt ist.

    Bachinger lebt mit seiner Katze und einem Wildschwein in Weißenhorn

    Bachinger ist 65 Jahre alt und lebt auf einer großen Wiese am Rande der Stadt. Schon seit fast 30 Jahren genießt das Weißenhorner Urgestein das Aussteigerleben. Er hat alles, was er braucht: Einen Wohnwagen, sein Wildschwein Trüffel, die manchmal etwas biestige Katze Cadillac und Freunde, die ihn oft besuchen oder ihren alten Hausrat vorbeibringen. Wenn Bachinger von seinen Begegnungen erzählt, stellt man nach kürzester Zeit fest: Er glaubt an das Gute im Menschen.

    Doch vor wenigen Tagen wurde seine positive Lebenseinstellung getrübt: Jemand hat das Geldbündel aus dem Wohnwagen des Grafen gestohlen. Der 65-Jährige hat einen Verdacht, will aber keinen Namen nennen. „Ich hatte an diesem Tag Besuch und bin dann kurz weggefahren“, erzählt Bachinger – natürlich mit seinem alten roten Traktor – „als ich wiederkam, lag ein Kürbis bei meinem Wildschwein im Gehege.“ Trüffel frisst eigentlich keinen Kürbis, das weiß er. „Als ich gemerkt habe, dass eine Person in meinem Wohnwagen war und das Geld weg ist, hab ich natürlich bei Bekannten herumgefragt, ob jemand etwas mitbekommen hat“, sagt der Aussteiger.

    Nach dem Diebstahl filmte ein Freund von ihm einen Videaufruf

    Ein guter Freund von ihm hatte eine Idee. Welche Folgen diese hatte, ahnte Bachinger, der von allen geduzt werden will, nicht. Sein Kumpel filmte einen Videoaufruf mit ihm – darin bittet der Graf den Dieb, das Geld zurückzubringen.

    Im Video, das knapp 250 mal auf Facebook geteilt wurde, sagt der Aussteiger: „Ich musste am Hungertuch nagen, es war jemand an meinem Wagen, bediente sich an einer Schublade fein und schob gleich 350 Euro ein.“ Dieses Gespenst, so Bachinger im Video, sei bei ihm immer willkommen, doch er hätte gerne sein Bargeld wieder.

    In den Facebook-Kommentaren wimmelt es seitdem nur so von Hilfsbereitschaft gepaart mit Entsetzen: „Was ist das für ein Mensch, der einem anderen, herzensguten Mann, der täglich von der Hand in den Mund lebt, nur so etwas abscheuliches antut“, schreibt ein Nutzer aus Weißenhorn. Eine andere Frau bietet an, ihm etwas zu kochen. „Die kann gerne was vorbeibringen, aber bitte nix mit Zwiebeln“, sagt Bachinger und lacht, als er die Kommentare zum ersten Mal liest. Zwiebeln verträgt er nämlich nicht.

    Viele wollen dem Grafen Geld schenken, doch das möchte er nicht

    Susanne Kempter aus Weißenhorn hat das Video ebenfalls auf Facebook gesehen. Sie wollte dem bestohlenen Mann helfen, obwohl sie Bachinger vorher gar nicht persönlich kannte, wie sie erzählt. Trotzdem ging sie vor zwei Tagen beim 65-Jährigen vorbei und schenkte ihm 100 Euro. Zurück kam sie mit einer Puppe und einer Milchkanne. „Ich wollte ihr Geld nicht“, erzählt Bachinger. „Dann habe ich gesagt, sie soll sich wenigstens ein paar Sachen aussuchen.“

    Auf seiner Wiese stapeln sich Blechschilder, Töpfe, Fahrräder und so viel Kram, dass man die einzelnen Dinge auf den ersten Blick gar nicht erkennen kann. Aus manchem Schrott sei schon ein tolles Kunstwerk entstanden. Der 65-Jährige lässt seinen Blick schweifen und überlegt: „Mehr als 100 Fahrräder sind es mittlerweile, glaube ich.“ Manch einer habe schon versucht, eines zu stehlen. Doch der Schrotthändler hat den Überblick. Würde etwas verschwinden, sei das wie ein fehlendes Puzzleteil in seinem Wimmelbild.

    Im Nachhinein ist ihm der Wirbel um den Diebstahl und das Video doch eher unangenehm. „Ich will das eigentlich gar nicht“, murmelt der 65-Jährige und fährt durch seinen Bart. „Jeder der kommen mag, darf mich gern besuchen, aber ich möchte kein Geld geschenkt bekommen.“ Dass ihm Materielles nicht wichtig ist, beweist zum einen die Einrichtung seines Wohnwagens, aber auch seine gutherzige Art. Als ihm vor mehreren Jahren angeboten wurde, seinen Hund für 20 000 Euro zu verkaufen, lehnte er dankend ab.

    Das Video auf Facebook soll keine Bettelaktion sein

    Auch ein jahrzehntelanger Freund aus dem Allgäu besuchte den Weißenhorner am Donnerstag. Karlheinz Schmid aus Rot an der Rot bei Memmingen kennt seinen guten Freund schon aus der Jugend. „Er hat eine Zeit lang bei mir und meiner Frau gewohnt und war unser Babysitter“, erzählt Schmid über Bachinger. „Als meine Tochter ein Baby war, hat er sie sogar gebadet.“ In seinem Kofferraum hat Schmid Elektrogeräte, die Bachinger vielleicht weiterverkaufen kann. „Ich glaube, ihm ist es wichtig, dass das Video nicht als eine Bettelaktion rüberkommt“, meint der 70-Jährige Allgäuer, auf dem Weg zu seinem Wagen, um die Mitbringsel auszuladen.

    Währenddessen läuft Bachinger auf seiner Wiese umher und überlegt, was er seinen Gästen mitgeben könnte. Denn kaum einer kommt ohne ein Andenken des Schrottkünstlers zurück auf den Schotterweg. Sei es mit einem Fahrrad oder einem Apfel in der Hand.

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