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Weissenhorn: Ausstellung: Franz Martin Kuen, der Weißenhorner

Weissenhorn

Ausstellung: Franz Martin Kuen, der Weißenhorner

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    Alle Wegen führen zu Franz Martin Kuen: Museumsleiter Matthias Kunze (links), Museumsvereinsvorsitzender Ulrich Hoffmann zeigen ein Originalbild des Künstlers. Auf dem Boden: ein Stadtplan aus dem Jahr 1823.
    Alle Wegen führen zu Franz Martin Kuen: Museumsleiter Matthias Kunze (links), Museumsvereinsvorsitzender Ulrich Hoffmann zeigen ein Originalbild des Künstlers. Auf dem Boden: ein Stadtplan aus dem Jahr 1823.

    Die Freskenmaler des Barock und Rokoko waren nicht einfach nur Künstler. Sie öffneten ihren Zeitgenossen sozusagen ein Dachfenster ins Jenseits. „In den Deckengemälden konnten die Menschen sehen, worauf sie täglich gehofft haben“, erklärt Kunsthistoriker Matthias Kunze, Leiter des Heimatmuseums Weißenhorn. Aus der Fuggerstadt stammt einer der herausragenden Kirchenmaler Schwabens: Franz Martin Kuen (1719 bis 1771), dessen Werke Dutzende Gotteshäuser der Region schmücken und so schon vielen Tausend Gottesdienstbesuchern den Blick in den Himmel ermöglichten. Kuen war aber auch ein angesehener Bürger seiner Heimatstadt. Beides, sein Genie und die Lebensrealität seiner Epoche, zeigt das Heimatmuseum in „Franz Martin Kuen – Bürger und Künstler in Weißenhorn“.

    Die Schau, die am Freitag, 12. April, um 19 Uhr im Stadttheater eröffnet wird und danach bis 30. Juni läuft, ist die erste von zwei großen Ausstellungen, mit denen im Landkreis der 300. Geburtstag des Künstlers begangen wird; die zweite eröffnet im Juli im Kloster Roggenburg, wo Kuen besonders lange gearbeitet hat. Während dort, so Kunze, fast alle mobilen Werke des Malers gezeigt werden sollen, setzt Weißenhorn andere Akzente – schon im ersten Raum. Dort liegt auf dem Boden ein historischer Stadtplan, der den Blick auf ein ursprünglich für Roggenburg gemaltes Ölbild des Meisters („Triumph des heiligen Norbert über den Ketzer Tanchelm“, um 1760) lenkt. „Alle Wege führen zu Kuen“, sagt der Museumschef und schmunzelt.

    Fotos zeigen, wie genau der Maler seine Zeitgenossen beobachtet hat

    Franz Martin Kuen, der Weißenhorner: Er begegnet dem Besucher im Heimatmuseum auf vielfältige Weise. Originalbilder und -zeichnungen, zumeist aus der eigenen Sammlung, nehmen eher wenig Platz ein. Raum zwei widmet sich in Fotos den prächtigen Fresken Kuens. Detailaufnahmen zeigen, wie genau der Maler seine Zeitgenossen beobachtet hat. Besonders auffällig: Kuen malte oft Mütter mit Kleinkindern, was mit seinem eigenen Schicksal zusammenhängen könnte. 16 Söhne und Töchter gebar ihm seine Frau Anna Maria, nur vier überlebten den Vater. Der Tod von Kindern prägte das Leben im 17. Jahrhundert.

    Solche Informationen sind es, die den Künstler in der Ausstellung lebendig werden lassen; was für ein Mensch er war, das lässt sich allerdings kaum mehr nachvollziehen. Streitlustig sei er gewesen, vermutet Kurator Kunze, das zeigten erhaltene Gerichtsakten: So musste sich Kuen bei einem Biberachzeller Pfarrer offiziell entschuldigen, nachdem er diesen in einem Streit über Kunst „einen Esel gescholten“ habe. Das ist amüsanter Klatsch, die Ausstellung, die sich durch das gesamte Museum zieht, hält sich aber lieber an Fakten. So erfährt der Besucher etwa, wie viel Geld Kuen, dessen Vater Johann Jakob schon Maler war, für seine Aufträge erhalten hat: Für die Fresken in Matzenhofen gab es magere 300 Gulden, für die in der Erbacher Schlosskirche immerhin 800, was umgerechnet etwa 40000 Euro für einige Monate Arbeit entspricht. Kuen war ein wohlhabender Mann, die Stars seiner Zunft, wie Cosmas Damian Asam oder Giovanni Battista Tiepolo, in dessen Werkstatt der Weißenhorner hospitierte, kassierten aber ein Vielfaches.

    Kurz nach seinem Tod war Franz Martin Kuen in Weißenhorn vergessen

    Was die Ausstellung auch für Menschen, die mit dem Rokoko wenig anfangen können, interessant macht, sind die Fakten über das Leben im Weißenhorn zur Zeit Kuens: Auf Texttafeln und Plänen sind unter anderem die (überaus stattliche) Zahl der Wirtshäuser oder die Verteilung der Handwerker in der Fuggerstadt verzeichnet. Und natürlich wird man auch über das Wohnhaus Kuens an der Hauptstraße informiert: An dessen Fassade prangt heute eine Gedenktafel, doch die erinnert nicht an Kuen, sondern an dessen Schüler Konrad Huber (1752 bis 1830), der nach dem Tod des Meisters Witwe und Werkstatt übernahm. Huber war im 19. Jahrhundert der Lieblingsmaler der biedermeierlichen Weißenhorner, seine reichlich pathetische Grabrede wurde sogar in gedruckter Form veröffentlicht. Kuen hingegen war nach seinem Tod 1771 „schlagartig vergessen“, so Kunze. Wie er starb, wo er bestattet ist – man weiß es nicht. Kuen und sein Werk, so vermutet der Kurator, sind Opfer der Zeitenwende: Die Aufklärung beendete die Epoche der Deckenfresken, der Geschmack wendete sich gegen den barocken Stil, Kirchen wurden wieder gotisiert, Gemälde zerstört.

    Die Schau leistet einen wichtigen Beitrag zur Erinnerung an den großen Weißenhorner Kuen, nach Kunzes Einschätzung ein Künstler von internationalem Format. Für das Heimatmuseum ist sie ein Meilenstein: Vor 27 Jahren wurde das umgestaltete Haus mit einer Kuen-Ausstellung wiedereröffnet, mit einer Kuen-Ausstellung geht diese Ära zu Ende. Spätestens nach den Sommerferien wird das Museum für eine Sanierung und komplette Umgestaltung geschlossen, wohl für viele Monate. Vielleicht klappe es ja schon 2021 mit der Wiedereröffnung, sagt Ulrich Hoffmann, Vorsitzender des Museumsvereins, mit sehr viel Optimismus. Dann nämlich könnte man Kuens 250. Todestag begehen.

    Das Museum ist Mittwoch bis Sonntag von 14 bis 17 Uhr, Donnerstag bis 20 Uhr (neu) geöffnet.

    Lesen Sie auch: Wo sich der Rokoko-Himmel öffnet

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