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Weißenhorn: Aus nach 20 Jahren: Viele Kunden trauern um die Weingalerie Weißenhorn

Weißenhorn

Aus nach 20 Jahren: Viele Kunden trauern um die Weingalerie Weißenhorn

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    Jutta Kempter gibt ihre Weingalerie in Weißenhorn nach 18 Jahren auf. Ihr tut es vor allem leid um die Kunden.
    Jutta Kempter gibt ihre Weingalerie in Weißenhorn nach 18 Jahren auf. Ihr tut es vor allem leid um die Kunden. Foto: Alexander Kaya

    Endzeit in der Weißenhorner Weingalerie: Manches Regal steht leer an der Wand, am Glasschrank mit den Whisky-Flaschen hängt schon ein "Verkauft"-Schild, und manches gibt es bereits zum Schnäppchenpreis. Nicht mehr lange, dann sperrt Jutta Kempter ihren Laden zum letzten Mal zu. Eigentlich tut sie das sehr ungern, denn die meisten ihrer Kunden sind ihr ans Herz gewachsen. Doch zuletzt hatte sich einiges angesammelt, das ihr den Spaß an der Arbeit vergällte. Das hat natürlich auch mit dem bösen C-Wort zu tun, aber auch mit anderen eher unangenehmeren Begleiterscheinungen des Geschäftslebens.

    Am Ende kam für Jutta Kempter viel zusammen

    Jutta Kempter hält mit der Rechten ein kleines hölzernes Herz in die Höhe, greift mit der Linken zu einem Kärtchen, das auf der Rückseite eng beschrieben ist: persönliche Abschiedsgeschenke einer Kundin, der dieser kleine Laden an der Kaiser-Karl-Straße fehlen wird. Andere haben es der Geschäftsfrau persönlich gesagt, dass sie es schade finden, wenn es ihr Geschäft nicht mehr gibt. Doch daran ist nicht zu rütteln. Eigentlich wusste sie schon länger, dass es besser wäre aufzuhören, denn es kam viel zusammen.

    Natürlich hat die letztendliche Entscheidung viel mit der Pandemie zu tun. "Ständig musste ich morgens schauen, was nun für eine Regelung gilt, wie viele Menschen in den Laden dürfen. Das hat sich ständig geändert." Während des ersten Lockdowns durften in Bayern Weinhandlungen offen bleiben - im Gegensatz zu Baden-Württemberg - doch was nutzt das, "wenn keine Leute unterwegs sind? Da warst du allein im Laden."

    Mancher kam ohne Maske ins Geschäft - und reagierte dann trotzig, wenn er darauf hingewiesen wurde. "Man wurde beschimpft und beleidigt." Da gab es zum Beispiel einen, der sofort mit dem Rechtsanwalt drohte, weil er sich vom Maskenzwang diskriminiert fühlte. Doch dem hat die Geschäftsfrau bei seinem nächsten Besuch klargemacht, dass er sich bitte einen anderen Laden suchen möge.

    Weingalerie Weißenhorn: Auch der Online-Handel ist ein Problem

    Und dann gibt es noch den alltäglichen Bürokratiekram, der immer stärker zugenommen ha: "Man verbringt die Hälfte der Zeit im Büro und nicht mehr im Laden." Und das Internet? Ja, mancher kauft sich seinen Wein eben online, zahlt dafür halt klaglos das Porto. Das Nachsehen hätten nicht nur örtliche Händler, sondern auch die öffentliche Hand, denn der würden irgendwann die Steuereinnahmen der lokalen Betriebe fehlen, sagt die erfahrene Kommunalpolitikerin Kempter. Als Stadt- und Kreisrätin der Freien Wähler weiß sie sehr genau, woher das Geld für die öffentlichen Kassen stammt.

    Wer im Internet kauft, bekommt auch keine persönliche Beratung. Das macht Jutta Kempter besonders viel Spaß: mit den Leuten zu sprechen. Dabei interessiert es sie nicht, wenn jemand nur 50 Gramm Tee will, das Gespräch darüber aber mehr als fünf Minuten dauert. Mittlerweile kann sie mit vielen Kundinnen und Kunden regelrechte Wein-Fachgespräche führen: "Viele haben mittlerweile schon ein enormes Grundwissen, über die Traubensorgen, über den Anbau. Darauf kann man aufbauen." Zudem muss es nicht mehr in erster Linie günstig sein. "Der Preis ist nicht mehr so wichtig. Eine Flasche für zwölf Euro? Ist heute kein Problem mehr. Aber natürlich geht auch der einfache Rosse Passo für fünf Euro."

    Jutta Kempter wollte schon immer selbstständig sein

    Noch drastischer haben sich die Verhältnisse beim Whisky entwickelt, den Jutta Kempter als ihr "Hobby" bezeichnet. Alte Brennereien werden wiederbelebt, ständig kommen neue Marken auf den Markt. Die Kunden nehmen das Angebot dankbar an und sind bereit, auch horrende Preise zu akzeptieren. Eine erstklassige Flasche französischen Cognac zu 110 Euro? "Das ist ein Problem", sagt die Geschäftsfrau, "doch eine Flasche Whisky für 150 Euro? Kein Problem!"

    Damals, als sie angefangen hat, war es das noch anders. Vor 18 Jahren übernahm sie den Laden von Iris Hucker-Euchner, die damals ihr Hauptgeschäft in Elchingen betrieb und sich nun seit etlichen Jahren in Langenau niedergelassen hat. Mit ihr arbeitet Jutta Kempter immer noch zusammen, die Weinsortimente der beiden Läden ähneln sich. Sie bestellen die Ware gemeinsam und bekommen dadurch bessere Einkaufspreise. Jutta Kempters Tochter hat die Mutter einst auf die Idee gebracht, den Laden zu übernehmen. So sagte sie denn nach 27 Jahren öffentlicher Dienst dem Landratsamt Ade und machte sich selbstständig: "Das war schon immer mein Traum gewesen. Ich bin ja eigentlich in Esslingen neben den Weinbergen geboren worden." Und so stand sie wie einstmals die Eltern und Großeltern auf eigenen Beinen - "und ich habe es nie bereut".

    Die Weißenhorner können bei Jutta Kempter auch künftig Wein kaufen

    Von ihren Kunden sagt Jutta Kempter, sie seien zu 99,9 Prozent treu und angenehm, "einfach g'schmack" gewesen. Die müssen nicht unbedingt auf ihre Weinhändlerin verzichten. Trotz ihrer 65 Jahre möchte sie keinesfalls in Ruhestand gehen, dazu macht ihr der Weinverkauf viel zu viel Spaß. Sie bietet die Ware künftig in ihrem geräumigen Keller feil: "Dann gibt es eben Weingalerie to go".

    Sie will ihre Kundinnen und Kunden aber auch zu Hause besuchen. Darauf freuen sich schon einige. Wie beispielsweise dieser Mann aus Pfaffenhofen. Der hat Jutta Kempter schon angekündigt, wenn sie zu ihm komme, werde er ihr Kuchen servieren. Das klingt nach einer vielversprechenden, auf gut Schwäbisch "g'schmacken" Perspektive.

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