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Ulm: Steinschlag-Gefahr: Unterm höchsten Kirchturm der Welt wird neu verputzt

Ulm

Steinschlag-Gefahr: Unterm höchsten Kirchturm der Welt wird neu verputzt

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    Eine seltene Perspektive: Blick vom Baugerüst aus 26 Metern Höhe auf den Altar. Rechts in der Bildmitte sind Industriekletterer zu sehen, die mit Staubsaugern die Säulen reinigen.
    Eine seltene Perspektive: Blick vom Baugerüst aus 26 Metern Höhe auf den Altar. Rechts in der Bildmitte sind Industriekletterer zu sehen, die mit Staubsaugern die Säulen reinigen.

    Gut vier Wochen nachdem im Chorraum des Ulmer Münsters ein viertel Kilo Putz von der Decke aus 26 Metern Höhe fiel, steht nun das ganze Ausmaß des Schadens fest: Wie Münsterbaumeister Michael Hilbert schwindelfreien Pressevertretern auf einem Gerüst in luftiger Höhe verdeutlicht, müssen Teile des Putzes aufwendig erneuert werden. Grund dafür ist letztlich eine 500-Kilo-Bombe, die im Zweiten Weltkrieg das Münsterdach durchschlug – glücklicherweise aber nicht explodierte.

    Zerstörte „Rippen“, also eine Art Streben zwischen der verputzen Decke, wurden nach dem Krieg nicht aus Sandstein, sondern aus Eisenbeton nachgebaut. Und als Putz wurde offenbar nicht klassischer Kalkputz, sondern Kalk-Zementputz verwendet. Ganz sicher ist das nicht, noch wartet der Münsterbaumeister auf das Ergebnis der Materialprüfungsanstalt. Doch sicher ist für Hilbert, dass das unterschiedliche Dehnungsverhalten letztlich zu Rissen in der Decke führte. Das Fass zum Überlaufen – sprich den Putz zum Bröckeln – brachte nach Überzeugung Hilberts der extrem trockene Sommer.

    Der ursprüngliche Kalkputz aus dem 15. Jahrhundert halte auch noch nach 600 Jahren. Somit sei nicht zu befürchten, dass es sich bei den nun analysierten Schäden um die Spitze eines Eisbergs handle. Um ganz sicherzugehen, dass nach den Renovierungsarbeiten der Putz auch wirklich an der Decke bleibt, will Hilbert ein schützendes Vlies einbauen. Fasern aus Jute oder Hanf sollen zusätzlichen Halt geben. Hier gibt es dazu viele Bilder:

    Kirchenpfleger Klaus-Peter Baur rechnet mit etwa 300000 Euro an Kosten, die auf die Münstergemeinde zukommen. Doch was insbesondere Dekan Ernst-Wilhelm Gohl noch mehr schmerzt: Vermutlich bis Oktober 2020 muss der Chorraum ganz oder teilweise gesperrt werden. Wer derzeit im (gesperrten) Chor spazieren geht, riskiert seine Gesundheit: „Es ist Gefahr in Verzug“, sagt Münsterbaumeister Hilbert. Anfang des Monats sei ein zweites Putzteil von der Decke gestürzt. Vermutlich bis Ende Oktober kommenden Jahres ist der Chorraum komplett geschlossen. Durch eine Zweiteilung der Arbeiten könne vermutlich ab dann der halbe Chorraum inklusive der Bessererkapelle wieder geöffnet werden. Hochzeiten können bis zur kompletten Freigabe des Chors freilich nicht mehr im großen Rahmen im

    Das Münster: der höchste Kirchturm der Welt

    Keine Gerüste brauchen Industriekletterer, die dieser Tage an Seilen hängend die Wände des Münsters säubern. Kiloweise Staub und Spinnweben entfernen die Kärcher-Mitarbeiter mit ihren am Rücken befestigten Saugern. Die Münstergemeinde kostet das keinen Cent: Der Reinigungsspezialist Kärcher säuberte im Rahmen eines Kultursponsoringprogramms bereits die Präsidentenköpfe am Mount Rushmore in den USA, das Brandenburger Tor oder die Freiheitsstatue in New York. Und jetzt ist das Ulmer Münster dran. Säckeweise stehen die prall gefüllten Staubsaugerbeutel am Boden im Chorraum herum. Hilbert rechnet damit, dass die Kärcher-Kletterer um die 70 Kilo Schmutz von den Wänden im Chorraum saugen. Freilich mit größter Vorsicht. Die Füße immer nur am Stein und ja nicht an den kostbaren Fenstern. Praktisch: Im Deckengewölbe existieren handtellergroße Öffnungen, durch die man Seile führen kann, um sie dann an Stahlträgern des Dachstuhls befestigen zu können. Früher, so Hilbert, seien die Löcher im Putz als Befestigungsmöglichkeit für Öllampen verwendet worden.

    Großputz im Ulmer Münster

    Allerdings übernimmt die Firma mit Sitz in Winnenden nicht den kompletten Großputz im Münster. Wie Kirchenpfleger Baur sagt, werde für 60000 Euro die Orgel gereinigt. Und um die 100000 Euro koste die wohl erste Säuberung überhaupt des 1474 fertiggestellten Chorgestühls mit Hunderten aus Eichenholz geschnitzten Figuren. Wie Hilbert erklärt, hätten erste Versuche am Dreisitz Aufschluss über die Methode ergeben: Nur mit destilliertem Wasser und reiner Seife soll die Kostbarkeit aus den Werkstätten des Jörg Syrlin sanft abgewaschen werden. Gegen Holzwürmer müssen die Restauratoren nicht kämpfen: Vor Jahren habe es an einer Stelle einen Befall gegeben, doch der sei längst Geschichte.

    Die Finanzierung von nun 460000 Euro, die durch den bröckelnden Putz etwa zwei Drittel über dem Sanierungsplan liegen, treibt Kirchenfinanzchef Baur noch Sorgenfalten auf die Stirn. Doch erste Fördergelder aufgrund einer „unvorhersehbaren Notmaßnahme“ seien beantragt. Und pünktlich zum am Montag, 26. November, beginnenden Weihnachtsmarkt soll ein am Stand der Münsterbauhütte ausliegender Flyer die Besucher zum Spenden animieren.

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