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Ulm: Ulmer Corona-Anwalt: „Solange hier kein Rechtsstaat herrscht, werden die Leute weitermachen“

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Ulmer Corona-Anwalt: „Solange hier kein Rechtsstaat herrscht, werden die Leute weitermachen“

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    Markus Haintz bei der Kundgebung am Samstag.
    Markus Haintz bei der Kundgebung am Samstag.

    Eigentlich sieht sein Arbeitsalltag anders aus: Markus Haintz aus Ulm ist Rechtsanwalt für Baurecht und Architekturrecht. Er kümmert sich zum Beispiel um Häuslebauer, bei denen gepfuscht wurde. Nebenbei ist der Jurist Lehrbeauftragter an der Hochschule Biberach. Doch Haintz’ Aufgabengebiet hat sich geändert. „Ich kann nicht weiter mit ansehen, was in Deutschland passiert“, sagt er.

    An die 200 Teilnehmer kamen am Samstag zur Demonstration gegen die Corona-Beschränkungen auf dem Münsterplatz.
    An die 200 Teilnehmer kamen am Samstag zur Demonstration gegen die Corona-Beschränkungen auf dem Münsterplatz. Foto: Felix Oechsler

    Auf seinem Anwaltsprofil im Internet schreibt er: „Aus aktuellem Anlass bin ich verstärkt im Bereich Versammlungsrecht tätig. Außerdem auch in den Themen Maskenpflicht, Ordnungswidrigkeiten wegen Verstößen gegen die CoronaVerordnungen.“ Mit dem „aktuellen Anlass“ ist die Corona-Krise gemeint. Die staatlichen Maßnahmen, die bei der Eindämmung des Virus helfen sollen, schränken nach Auffassung des Rechtsanwalts die Grundrechte aller Bürger massiv ein. Deswegen organisiert Haintz Demonstrationen gegen die Maßnahmen und für die Grundrechte auf dem Münsterplatz. Bereits drei Mal hat diese stattgefunden, zuletzt am regnerischen Samstag. An die 200 Besucher kamen, an den Wochenenden davor waren es deutlich mehr gewesen.

    Corona-Pandemie: Kundgebungen in Ulm, Weißenhorn und Pfaffenhofen

    Nicht nur in Ulm gehen Gegner der Beschränkungen auf die Straße, auch in Pfaffenhofen und Weißenhorn finden regelmäßig solche Kundgebungen statt. In Weißenhorn kamen am Freitagabend nach Angaben der Polizei 35 Teilnehmer sowie 45 Zuschauer, die das Geschehen beobachteten. Am Tag vor Christi Himmelfahrt waren die Demonstrationen in Weißenhorn und Pfaffenhofen ähnlich besucht worden, immer sprach die Polizei von einem friedlichen Verlauf.

    „Masken runter“ steht auf einem Plakat bei der Versammlung. Ein anderer Teilnehmer prangert auf einem Poster „Corona-Faschismus“ an.
    „Masken runter“ steht auf einem Plakat bei der Versammlung. Ein anderer Teilnehmer prangert auf einem Poster „Corona-Faschismus“ an. Foto: Felix Oechsler

    Für die kommende Woche ist wieder eine Kundgebung auf dem Münsterplatz geplant. „Solange hier kein Rechtsstaat herrscht, werden die Leute weitermachen“, sagt Haintz im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Organisatoren erwarten trotz der schwächer besuchten jüngsten Versammlung, dass immer mehr Leute kommen werden. Ein neuer, größerer Ort für die Veranstaltung werde gerade geprüft. In der Facebook-Gruppe „Grundrechte für Ulm/Neu-Ulm/Querdenken-731“, wo die Termine bekannt gegeben werden, war die Friedrichsau im Gespräch.

    Demonstrationen gegen Corona-Beschränkungen auf dem Münsterplatz in Ulm

    Organisator und Anwalt Markus Haintz erklärt in einem Live-Video auf Facebook, warum er sich nun so genau mit dem Versammlungsrecht beschäftigt. Eine Versammlung in Heidenheim, die von Haintz’ Bekannten vor ein paar Wochen organisiert wurde, sei von der Stadt nicht genehmigt worden. Das sei der Auslöser gewesen, sich diesem Rechtsbereich zu widmen. Doch Haintz’ neue Corona-Beratung, wie sie auf seiner Anwaltsseite bezeichnet wird, bietet noch mehr: Unterstützung bei Verfahren zu Ordnungswidrigkeiten oder Einschränkungen durch die Corona-Verordnungen, auch das Vorgehen gegen Maskenpflicht. „Es melden sich sehr viele Leute auf das Beratungsangebot“, sagt Markus Haintz. Manche Anfragen seien zielführend, manche weniger. Wegen der Maskenpflicht melden sich nach seinen Angaben zum Beispiel Asthma-Patienten, die gesundheitlich eingeschränkt sind und sich diskriminiert fühlen. „Es kann nicht sein, dass die Geschäfte Berufspolizei spielen und die Leute rausschicken“, sagt Haintz dazu.

    Vor einigen Tagen hat der junge Rechtsanwalt einen offenen Brief an seine Kollegen in ganz Deutschland geschrieben. Er sagt, er verstehe nicht, warum so viele Anwälte nicht klagen oder keine Mandanten in diesen Angelegenheiten vertreten wollen. Woran das liegt? „Ich glaube, dass viele sich einfach nicht trauen und Angst haben, öffentlich dafür verantwortlich gemacht zu werden, wenn die Zahlen wieder steigen“, sagt der Ulmer. Er vermutet, einige bayerische Rechtsanwälte würden sich nur ungern gegen die CSU-Staatsregierung stellen.

    Rechtsanwalt Markus Haintz bietet Corona-Beratungen an

    Haintz sieht zwei Probleme: zum einen, dass Bürger sich nicht an die Justiz wenden und zum anderen, dass viele Anwälte um ihren Ruf fürchten und ihnen das Corona-Thema zu heikel sei. „Wenn Anwälte keine Mandate wahrnehmen und ihre Berufspflicht vernachlässigen, kommen wir auf eine gefährliche Spur“, sagt Haintz. Auf Facebook schreibt er: „Wir brauchen mehr Aufträge, wir brauchen Menschen, die Klagen oder Einsprüche einlegen bzw. gemeinsam finanzierte Klagen sei es gegen die Corona-Verordnungen oder auch gegen Versammlungsbeschränkungen. In Heidenheim an der Brenz wurde ein solches Projekt jetzt gestartet, in Ulm ist es in Planung.“ Er wolle gemeinsam mit anderen Anwälten versuchen, die Maskenpflicht vor Gericht zu Fall zu bringen.

    In einigen Corona-Verfahren war Markus Haintz bereits erfolgreich. Kurz vor der zweiten Demonstration am 16. Mai auf dem Münsterplatz hat er einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Sigmaringen durchgebracht: Dabei ging es um die Abstandsregelung für Familien mit minderjährigen Kindern. Denn nach der aktuellen Corona-Verordnung für Baden-Württemberg müssen die Teilnehmer von Versammlungen untereinander und zu anderen Personen, wo immer möglich, im öffentlichen Raum einen Mindestabstand von eineinhalb Meter einhalten, unabhängig von einem gemeinsamen Hausstand. Für die Ulmer Versammlungen gilt das nun nicht mehr.

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