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Ulm: Zirkus-Urgestein tauscht in Coronakrise Manege gegen Kaufhaus

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Zirkus-Urgestein tauscht in Coronakrise Manege gegen Kaufhaus

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    Bis Dienstag verkaufte Matthias Bergstaedt, der Programmdirektor des Ulmer „Weihnachtscircus“, im Kaufhof in Ulm gebrannte Mandeln.
    Bis Dienstag verkaufte Matthias Bergstaedt, der Programmdirektor des Ulmer „Weihnachtscircus“, im Kaufhof in Ulm gebrannte Mandeln. Foto: Andreas Brücken

    Genauso galant, wie im Rampenlicht ist Matthias Bergstaedt als Verkäufer: „Gerne gnädige Frau“, sagt der Conférencier und übergibt so schwungvoll und feierlich intoniert drei Tüten gebrannte Mandeln, als würde er die „Flying Gerlings“ und ihren weltbekannten dreifachen Salto-Mortale am Flugtrapez ankündigen. Die Sensationen in seinem Leben sind mit der Corona-Pandemie aber bescheidener geworden.

    „Auch wenn die gebrannten Mandeln aus „eigener Fertigung“ keinen Vergleich scheuen müssen. Ganz im Gegensatz zu seiner Gage: 3,50 Euro pro Tüte gibt es.

    Der Weihnachtscirucs in Ulm wäre bald los gegangenen

    Der 52-Jährige brachte die vergangenen Tage weihnachtlichen Duft in das Erdgeschoss von Galeria Kaufhof. Doch damit ist jetzt auch Schluss. „Jetzt geht gar nichts mehr“, sagt das Zirkus-Urgestein, das seit über zehn Jahren als Programmdirektor des „Weihnachtscircus“ im roten Frack mit dicker goldener Knopfleiste „Menschen, Tiere, Sensationen“ ankündigt. „Für alle in der Zirkusfamilie ist das eine schwierige Zeit“, sagt Bergstaedt, der sich schon darauf gefreut hatte, den Heiligen Abend mit 30 oder 40 Artisten aus aller Welt an großen Tischen in der Manege zu feiern. Und dann an Silvester seinen 53. Geburtstag. So wie jedes Jahr. „Es geht nicht nur ums Geld. Es ist unser Leben, das fehlt.“

    In seinem Element: Matthias Bergstaedt in der Manege.
    In seinem Element: Matthias Bergstaedt in der Manege. Foto: Andreas Brücken

    Die erste große Artistentruppe, Musiker des großen Zirkusorchesters und die Tänzerinnen des Showballetts – allesamt aus der Ukraine – wären eigentlich diese Woche angereist. Eigentlich.

    Immerhin, so Bergstaedt, hätte er rechtzeitig zusammen mit Direktor Dominikus Böhm alias Veno Mendes, beschlossen, den Zirkus komplett abzusagen. So seien wenigstens keine Kosten im Vorfeld angefallen. Bergstaedt, der aus der norddeutschen Hansestadt Lüneburg stammt, lebt zusammen mit der Schaustellerfamilie Böhm in Westerheim und betreibt die Firma „Mendes Entertainment“. Doch sämtliche Standbeine sind weggebrochen: Der kleine Freizeitpark in Westerheim durfte kaum öffnen, die Spatzenwiese in Ulm fiel aus und auch die Engagements bei Möbel Inhofer in Senden wurden abgesagt. Was blieb, waren die Mandeln aus eigener Fertigung. „Jeder versucht, etwas beizutragen“, sagt Bergstaedt. Und so wurde gebrannt, was das Zeug hält. Im Blautal-Center, vor dem Ulmer Bauhaus oder dem Großmarkt Metro in Neu-Ulm waren die Zirkusleute zu sehen.

    Seine Welt sind die großen Zirkusfestivals

    Bergstaedt hofft, dass dies auch nach dem Lockdown der Vergangenheit angehört. Seine Welt, sind die großen Zirkusfestivals im Sommer, auf denen er die Gagen und Verträge mit den Artisten für den Winter aushandelt. „Wir freuen uns darauf, sie im Dezember 2021 wieder beim Ulmer Weihnachtscircus in gewohnter Größe und Qualität begrüßen zu dürfen“, teile Bergstaedt bereits im September mit.

    Doch jetzt hat er Zweifel, ob es wirklich so weit kommt. Denn für nur 200 bis 300 Zuschauer, die sich mit großen Abständen im Zirkuszelt tummeln, würde sich eine Großproduktion nicht lohnen. „Das Minimum sind 800 bis 900 Zuschauer.“ Und so bleibt dem charmanten Conférencier nichts anders übrig, als zu warten. Auf den Impfstoff etwa, der im kommenden Winter für etwas Erleichterung sorgen könnte. „Ich fühle mich wie im falschen Film im Kino.“

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