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Ulm: Wo ist in Ulm noch Platz für die Natur?

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Wo ist in Ulm noch Platz für die Natur?

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    Blühende Pufferstreifen an Feldwegen sind ein Teil des Öko-Pakets in der Allianz für Boden und Natur. Bauern sollen umweltfreundlicher arbeiten, die Stadt Ulm will im Gegenzug Ertragsausfälle kompensieren.
    Blühende Pufferstreifen an Feldwegen sind ein Teil des Öko-Pakets in der Allianz für Boden und Natur. Bauern sollen umweltfreundlicher arbeiten, die Stadt Ulm will im Gegenzug Ertragsausfälle kompensieren. Foto: Ute Krogull (Symbolfoto)

    140.000 Euro hätte die Stadt Ulm im vergangenen Jahr ausgeben können, um der Natur mehr Raum zu geben. Doch mehr als zwei Drittel des Budgets sind unberührt geblieben. Maßnahmen wie Aufforstungen, neue Gewässerrandstreifen oder ein Nistkasten-Programm haben insgesamt 43.000 Euro gekostet. Ein anderer Finanztopf der Stadt blieb gänzlich unberührt: Wer die Fassade seines Innenstadthauses begrünen lässt, kann einen Zuschuss von 500 Euro bekommen. Doch für dieses Programm ist kein einziger Antrag eingegangen.

    Grüne Fassaden, wie hier in der Gideon-Bacher-Straße, sind selten in Ulm.
    Grüne Fassaden, wie hier in der Gideon-Bacher-Straße, sind selten in Ulm. Foto: Alexander Kaya (Symbolfoto)

    Katrin Haas von der Unteren Naturschutzbehörde berichtete in der jüngsten Sitzung des Umweltausschusses, dass es zur Fassadenbegrünung durchaus Nachfragen gegeben habe – nur keine Anträge von Eigentümern, deren Häuser in der Innenstadt stehen. Auf die ist das Zuschussprogramm der Stadt beschränkt. Günter Zloch (Ulm für alle) regte deswegen an, das Angebot auf andere Viertel auszuweiten.

    Öko-Maßnahmen oder Landwirtschaft: Konkurrenz um freie Flächen in Ulm

    Manche der Öko-Maßnahmen sind verpflichtend. Die Stadt muss auf diese Weise beispielsweise Baumaßnahmen ausgleichen. Andere Schritte geht Ulm freiwillig. Dass die Stadt im vergangenen Jahr kaum vorangekommen ist, liegt nach Angaben der Verwaltung einerseits an zwei personellen Wechseln. Die Einarbeitung habe viel Zeit gekostet, berichtete Ulrich Willmann aus der Hauptabteilung Stadtplanung, Umwelt, Baurecht. Der andere Grund ist die Konkurrenz: Dass der Boden in Ulm knapp geworden ist, spüren nicht nur Mieter und Bauherren. Flächen, die für Öko-Maßnahmen bestens geeignet wären, sind auch bei Landwirten gefragt. Deswegen ist die Stadtverwaltung vermehrt auf kleinere Randstreifen oder weniger attraktive Orte ausgewichen. Auch die lassen sich ökologisch aufwerten, etwa als vernässte Wiesenabschnitte. Willmann sprach davon, der Natur etwas zurückzugeben.

    Die Stadt Ulm lässt Gras vermehrt hoch wachsen.
    Die Stadt Ulm lässt Gras vermehrt hoch wachsen. Foto: Ralf Lienert (Symbolfoto)

    Beim Zurückgeben sollen die Bauern jetzt stärker mithelfen, so sieht es die Allianz für Boden und Natur vor. „Wir glauben, dass wir mit einem einvernehmlichen Vorgehen weiter kommen“, erklärte Baubürgermeister Tim von Winning. Stadt und Landwirte haben ein Paket aus Maßnahmen erarbeitet, die der Natur helfen sollen. Der Abstand zwischen den Saatreihen soll größer werden, um Platz für Feldlerchen zu schaffen. Brachliegende Flächen sollen größer werden, damit Vögel und Insekten, aber auch Rehe, Füchse und Hasen pestizidfreie Zufluchtsorte finden. Insbesondere Vögel und Insekten sollen auch von Kleeackern profitieren, die Landwirte sollen die Mahd nach dem Sommer dann als Tierfutter oder für Biogasanlagen verwenden. Die Universitäten Ulm und Hohenheim haben ein Konzept erarbeitet, wie der Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmittel reduziert werden kann. Und an den Feldwegen sollen blühende Pufferstreifen entstehen. All das dürfte den Ertrag für die Bauern schmälern, die Stadt will dafür einstehen. „Da stellen wir uns schon vor, dass wir von städtischer Seite eine Kompensation leisten, betonte der Baubürgermeister. Das Geld könnte aus dem noch immer vollen Öko-Topf kommen.

    Platz für die Natur: Neue Ideen und Konzepte in Ulm

    Marian Kazda ist Professor für Systematische Botanik und Ökologie an der Uni Ulm. Er berät die Stadt in Umweltfragen und bezweifelt, dass die Schutzmaßnahmen für die Bauern nur Nachteile bringen: „Es ist nicht so, dass es nur um Ertragsrückgang geht“, sagte er. Die Tiere würden zum Beispiel den Boden auflockern und dessen Qualität erhöhen. Die Landwirte könnten sich manche Arbeitsschritte sparen.

    Mitreden bei der Allianz will auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Der Ulmer Kreisvorsitzende Martin Denoix wirbt dafür, dass seine Organisation mit einem „Blick von außerhalb“ mithelfen könne – und bemängelt, dass manche Formulierungen im Konzept der Allianz viel zu schwammig seien. Über den Begriff „gute landwirtschaftliche Praxis“ etwa seien noch nicht einmal die Bauern einer Meinung. Ein Vorschlag von Grünen-Stadtrat Michael Joukov-Schwelling, Ulm solle Bauern mit Öko-Konzepten bei Pachtverhandlungen bevorzugen, stieß auf wenig Anklang. Thomas Kienle (CDU/Ulm für alle) fürchtete ein verstärktes Höfesterben. Baubürgermeister von Winning verwies darauf, dass man partnerschaftlich mit den Landwirten arbeiten wolle.

    Lebensraum für Tiere sollen auch Wiesen bieten, die nur zwei- bis dreimal jährlich gemäht werden. Ausgenommen sind Parks und Abschnitte, bei denen hohes Gras die Sicht im Straßenverkehr zu stark behindern würde. Das Schnittgut wird nach Heidenheim gebracht und in einer Biogasanlage verwertet, dafür muss die Stadt bezahlen. Professor Kazda regte eine eigene städtische Anlage an, mit der sich sogar Geld verdienen ließe. „Das lohnt sich“, sagte Kazda und verwies auf ein Forschungsprojekt. Bei nächster Gelegenheit wollen sich die Stadträte bei einer Exkursion über eine solche Anlage informieren.

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