Startseite
Icon Pfeil nach unten
Neu-Ulm
Icon Pfeil nach unten

Ulm/Weißenhorn/Neu-Ulm: Müller – der Corona-Rebell aus Ulm ist zurück

Ulm/Weißenhorn/Neu-Ulm

Müller – der Corona-Rebell aus Ulm ist zurück

    • |
    Ein Magnet der Ulmer Fußgängerzone ist weiter geöffnet: das Müller-Kaufhaus in der Hirschstraße. Das Unternehmen des Ulmer Milliardärs wehrte sich bereits im Frühjahr juristisch gegen eine Teilschließung – mit Erfolg.
    Ein Magnet der Ulmer Fußgängerzone ist weiter geöffnet: das Müller-Kaufhaus in der Hirschstraße. Das Unternehmen des Ulmer Milliardärs wehrte sich bereits im Frühjahr juristisch gegen eine Teilschließung – mit Erfolg. Foto: Alexander Kaya

    Er hat es wieder getan: Am Mittwoch, dem ersten Tag des bundesweiten harten Lockdowns, öffnet der Ulmer Drogeriekönig Erwin Müller sein komplettes Kaufhaus in der Ulmer Fußgängerzone. Beim ersten Lockdown im März hatte Müller ebenso gehandelt, bis die Behörden Teile seines Stammsitzes schlossen. Und dann per Gerichtsbeschluss wieder öffneten.

    Müller dürfte eigentlich nur Drogerieartikel verkaufen. So lesen sich zumindest für Laien die offiziellen Erläuterungen zur Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg. Er müsste also die drei oberen Stockwerke mit Haushaltsartikeln, Multi-Media-Sortimenten und Spielwaren schließen. In der Verordnung heißt es: „Wenn Mischsortimente angeboten werden, dürfen Sortimentsteile, deren Verkauf nicht gestattet ist, verkauft werden, wenn der erlaubte Sortimentsteil überwiegt. Diese Stellen dürfen dann alle Sortimente vertreiben, die sie gewöhnlich auch verkaufen.“ Hier bemüht Müller nun Anwälte, diese Regelung in seinem Sinne auszulegen. Immerhin: Im Gegensatz zum ersten Lockdown wagte es der gelernte Friseur aber nicht, sein Haushaltswarengeschäft Abt zu öffnen.

    Müller: "Mehr für mich"

    Den Werbespruch auf den Müller-Tüten scheint der Milliardär ernst zu nehmen: „Mehr für mich.“ Denn während Mitbewerber in die Röhre schauen, wehrt sich der 88-Jährige mit Händen und Füßen. „Das ist extrem unsolidarisch“, sagt etwa Jürgen Gänßlen, der Chef des Spielwarengeschäfts am Ulmer Marktplatz. Er habe einen „riesen Verlust“ zu verkraften, während Müller in seinen Geschäften Teddy, Barbie und Co verkauft. Letztlich schade Müller der ganzen Gesellschaft, so Gänßlen. „Wir wollen ja das Virus besiegen.“ Daher sei es verwerflich, wenn Unternehmer wie Müller „jedes Schlupfloch“ ausnutzen würden, um trotz Pandemie mehr Käufer in ihre Geschäfte zu locken.

    Stadt Ulm verweist in Sachen Müller auf Urteil des Verwaltungsgerichts

    Die Stadt Ulm sah am Mittwoch ihre Hände gebunden. „Wir leben in einem Rechtsstaat“, sagt Ulms OB Gunter Czisch auf Anfrage unserer Zeitung. Und der hatte beim ersten Lockdown in Form des Verwaltungsgerichts Sigmaringen entschieden, dass Müller sein gesamtes Sortiment ohne räumliche Abtrennung verkaufen darf. Die Juristen im Rathaus wären zur Auffassung gekommen, dass die neue Verordnung sich nicht anders interpretieren lasse als jene im Frühjahr. Müller hatte dem Verwaltungsgericht Unterlagen vorgelegt, aus denen sich ergebe, dass mehrheitlich Umsatz durch Drogerieartikel erzielt werde. Czisch: „Ich verstehe, dass das für viele Menschen unbefriedigend ist.“

    Das heißt: Vorerst bleibt das komplette Müller-Kaufhaus im Herzen Ulms voll in Betrieb. Ein Magnet, der Mittwoch in Kombination mit dem Wochenmarkt zog. Die Stadt war nicht so leer, wie es bei einem harten Lockdown zu erwarten war. „Aber es ist schon weniger los als sonst“, sagt eine Frau, die es wissen muss: Nozli Eraslan ist Verkäuferin im Kiosk zwischen Hirsch- und Bahnhofstraße und hat so tagtäglich die Passantenströme vor Augen. Aus den Strömen sind Bächlein geworden, die sich zu den wenigen geöffneten Geschäften bewegen: Neben Müller sind das Aldi im Kaufhof Galeria sowie der dm-Drogeriemarkt und Edeka in der Unterführung der Sedelhöfe.

    So sieht es in der Glacis-Galerie gerade aus

    Ein zweigeteiltes Bild ergibt sich in der Neu-Ulmer Glacis-Galerie: Währen der kleinere Teil mit Biomarkt, Rewe und Drogerie belebt war wie eh und je, herrschte im Rest des Riegels gähnende Leere. Lediglich Rituals, eine Kette, die neben Düften auch Drogerieartikel verkauft, darf neben den Optikern öffnen. Im Foodcourt haben lediglich zwei Asiaten geöffnet, die ihre Speisen zum Mitnehmen anbieten.

    In weiten Teilen der Glacis-Galerie in Neu-Ulm herrscht Stille.
    In weiten Teilen der Glacis-Galerie in Neu-Ulm herrscht Stille.

    Verunsicherung in Weißenhorn

    Auch Weißenhorn zeigt sich am ersten Tag des Lockdowns gar nicht so leer: Viele Menschen sind mittags in der Stadt unterwegs, um sich in den kleinen Läden mit Essen einzudecken. Vor Metzgern, Dönerbuden und dem Geschäft der Landkäserei Herzog bilden sich teilweise sogar Schlangen auf der Straße. Lebensmittelgeschäfte dürfen öffnen, das war von vornherein klar.

    Unter vielen Händlern in Weißenhorn aber herrscht durchaus Verwirrung, welche Regeln nun genau gelten. Das Süßigkeitengeschäft Sweet Home in der Altstadt hat am Mittwoch beispielsweise zu. Wer in der Umgebung wohnt und telefonisch oder per Mail bestellt, bekommt die süßen Kleinteile aber geliefert. Dieter Miller steht am frühen Mittag vor dem Geschäft. Er sagt, der Laden dürfe theoretisch öffnen, da auch Süßigkeiten zu Lebensmitteln zählen. Doch auch er ist verwirrt, weil es gleichzeitig hieß, niemand dürfe etwas abholen. Man warte nun zunächst ab. Laut bayerischem Gesundheitsministerium dürfen Lebensmittel-Spezialgeschäfte wie für Süßigkeiten oder Spirituosen öffnen.

    City-Papeterie in Weißenhorn macht auf

    Sonja Schrapp von der City-Papeterie in Weißenhorn öffnet am Mittwoch gegen Mittag die Türen ihres Geschäfts. „Vor einer halben Stunde habe ich erfahren, dass ich doch aufmachen darf“, sagt sie. Am Vorabend habe es noch geheißen, dass Kunden nicht einmal ihre bereits vor Tagen getätigten Bestellungen abholen dürfen. Sie befinde sich in regelmäßigem Kontakt zum Handelsverband, um alles richtig zu machen, sagt Schrapp. Und dieser wiederum habe dann am Mittwoch grünes Licht gegeben, weil das Geschäft in Weißenhorn zu mehr als 50 Prozent Schreibwaren anbiete.

    Sonja Schrapp ist froh, dass sie ihre City-Papeterie in Weißenhorn wieder öffnen darf. Auch wenn das Hin und Her sie viel Arbeit und Nerven gekostet hat.
    Sonja Schrapp ist froh, dass sie ihre City-Papeterie in Weißenhorn wieder öffnen darf. Auch wenn das Hin und Her sie viel Arbeit und Nerven gekostet hat.

    Die Filiale in Illertissen bleibe Stand jetzt geschlossen, da sie diese Anforderungen wohl nicht erfülle. „Ich habe vor Mittwoch den Laden umgebaut, den Betrieb auf telefonische Bereitschaft umgestellt und meine Mitarbeiter in den Urlaub geschickt – jetzt muss ich innerhalb weniger Tage wieder alles umstellen.“

    Schon der erst Lockdown kostete viel Geld

    Sie freue sich natürlich, sei aber auch überrascht und verunsichert. Die Änderungen bedeuten jedes Mal einen riesigen Aufwand – „und auch, sich mental immer wieder umzustellen, ist nicht einfach“. Deswegen freue sie sich vorsichtig, sagt Schrapp, denn man wisse ja nie, wie es weitergeht. Dennoch hofft sie auf viele Kunden, das Weihnachtsgeschäft sei einfach wichtig. „Der erste Lockdown hat sehr viel Geld gekostet, das kann man nicht mehr reinholen“, sagt Schrapp. Falls nun noch mal vier Wochen drohen und man als Einzelhändler möglicherweise keinen kulanten Vermieter habe, könne das unter Umständen den Betrieb ruinieren. Sie selbst betreibe seit 25 Jahren mit sehr viel Freude ihre Geschäfte. „Aber es ist schon unglaublich, zu sehen, wie sehr sich innerhalb nur eines Jahres alles ändern kann“, sagt Schrapp.

    Auch interessant:

    Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden