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Ulm: Was passieren muss, dass die Innenstadt in Ulm lebendig bleibt

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Was passieren muss, dass die Innenstadt in Ulm lebendig bleibt

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    Jens Gramer, der Chef von Fifty-Eight, in seinem Laden an der Donau. Der Textilhandel ist nur ein Aspekt seines Konzepts direkt beim SSV-Bad.
    Jens Gramer, der Chef von Fifty-Eight, in seinem Laden an der Donau. Der Textilhandel ist nur ein Aspekt seines Konzepts direkt beim SSV-Bad. Foto: Oliver Helmstädter

    Der Aufschrei war groß, als der Ulmer Trendsport-Laden Fifty-Eight 2018 verkündete, die Innenstadt zu verlassen, um die Vereinsgaststätte des SSV Ulm am Freibad zu übernehmen. Drei Jahre später kehrt Inhaber Jens Gramer zurück. Aber zunächst nur vorübergehend. "Ich bin sehr glücklich hier", sagt Gramer über seinen Standort direkt an der Donau in der Au. Das neuartige Konzept aus Gastronomie, Einzelhandel, Wassersport-Dienstleistungen und Boardsport-Werkstatt sei aufgegangen. Doch nun habe sich eine zusätzliche Chance ergeben. Die Entwicklung steht stellvertretend für viele Veränderungen in der Ulmer Innenstadt, die mit exorbitanten Mieten für Verkaufsflächen zusammen hängen.

    Was Fifty-Eight wieder in die Innenstadt Ulm lockt

    Für zwei Monate ab Anfang November übernimmt der Familienvater vorübergehend das Ladengeschäft in der Kramgasse 3. Nur der Wandel hatte hier in den vergangenen Jahren Konstanz: Nach einem Anbieter für Heimkinosysteme folgte die Stadt Ulm ihrem Birdly genannten Flugsimulator, dann wurde dort in der Citychurch gebetet, bevor zuletzt Trachten verkauft wurden. Nun eröffnet Fifty-Eight einen Pop-up-Store, wie ein nicht dauerhaft geplanter Laden Neudeutsch heißt.

    Nicht zuletzt auf das Weihnachtsgeschäft zielt Gramer. "Verramschen" wolle er seine Ware nicht in der Kramgasse, sondern ein neues, auf Nachhaltigkeit getrimmtes Textilsortiment anbieten sowie ein innerstädtisches Schaufenster für den Hauptstandort an der Donau sein. Nicht aus der Not: "Die Chance hat sich halt ergeben." Seine Entscheidung, an die Donau zu wechseln, bereue er nicht. Es sei nach wie vor "verrückt", was in Ulm für Mieten verlangt würden. In Zeiten des Onlinehandels seien diese eigentlich nur von Großkonzernen zu stemmen.

    Eine  „Pop-up-Kirche“ war in der Ulmer Kramgasse unweit des Ulmer Münsters kurz beheimatet.  Nun folgt für zwei Monate Fifty-Eight.
    Eine „Pop-up-Kirche“ war in der Ulmer Kramgasse unweit des Ulmer Münsters kurz beheimatet. Nun folgt für zwei Monate Fifty-Eight. Foto: Oliver Helmstädter

    Noch fallen die Leerstände in der Ulmer Innenstadt nicht weiter auf. Und es gibt keine aktuelle Statistik, doch Citymanagerin Sandra Walter schätzt, dass die "normale" Leerstandsquote von zwei Prozent nicht deutlich überschritten wird. In bester Lage wird im Internet derzeit lediglich die Ex-Schuh-Geiwitz-Fläche in der Hirschstraße angeboten. "Preis auf Anfrage". Bis zu einer geplanten Generalsanierung im Jahr 2022 auch als "Pop-up-Store". "Es ist nicht so tragisch wie in anderen Städten", sagt die Citymanagerin. Doch das könnte sich ändern. Die Mieten seien nämlich extrem hoch. "Das muss sich drehen." Auf Dauer werde es für viele Händler nicht möglich sein, derartig hohe Summen zu zahlen. Was passieren könnte, zeigen Vorabveröffentlichungen der Studie "Zukunftsfeste Innenstädte", die Anfang November eine Nach-Corona-Zeit aufzeigen soll.

    Die C-Lagen in den Innenstädten bekommen Probleme

    Eine deutschlandweite Befragung durch die Industrie- und Handelskammer ergab, dass es vor allem in C-Lagen, also den nicht so guten Lagen, einen Kahlschlag geben könnte. In Ulm wäre C-Lage im Grunde alles außer Hirschstraße, Bahnhofstraße, Münsterplatz und Platzgasse. Dort könnte die Leerstandsquote in eine zweistellige Richtung gehen. Vielleicht nicht auf 21 Prozent, wie in der Studie befürchtet, doch zumindest in diese Richtung. Vor diesem Hintergrund sind Leerstände aus Sicht der Händler, die sich gerade noch so über Wasser halten können, durchaus ein willkommenes Signal. Ein Signal dafür, dass 30, 40 bis 60 Euro pro Quadratmeter Handelsfläche oft nicht mehr refinanziert werden können. Die Logik dahinter: Wenn es keine Leerstände gibt, gibt es keine sinkenden Mieten. Und ohne sinkenden Mieten gibt es keinen Wandel in den Innenstädten.

    "Es ist wichtig, dass Leerstände gesehen werden", sagt Josef Röll, der Einzelhandelsexperte der Industrie- und Handelskammer Ulm. Und zwar von den Vermietern, dass diese gegensteuern können. In den C-Lagen könne der oft zitierte Wandel der Innenstädte nur geschehen, wenn die Nicht-Einzelhandels-Nachrücker, also Co-Working-Spaces, Bildungseinrichtungen oder etwa lokale Kunsthandwerker, die Mieten auch bezahlen könnten. "Du kannst keine 20 Euro Miete zahlen, und dann damit Seminare zu finanzieren."

    Die Sedelhöfe verändern sich: Bahn frei für Primark und Co?

    Für besonders attraktive Standorte, also etwa der Ulmer Hirschstraße, rechnen die Studienmacher dagegen nur mit einem vergleichsweise geringen Leerstandsanstieg. Aber ein Anstieg werde auch in allerbesten Lagen unausweichlich sein, weil die Konkurrenz aus dem Internet den Bedarf an stationären Geschäften sinken lässt. Wie schwer in bester Lage schon jetzt die Vermietung ist, zeigen die Sedelhöfe. "Wir hätten es uns anders erhofft", sagt Citymanagerin Walter über die Tatsache, dass mit TK Maxx und Zalando-Lounge zwei Rabatt-Läden eingezogen sind und der Umzug von H&M den Druck durch zwei frei werdende Flächen auf die Hirsch- und Bahnhofstraße erhöht.

    Doch "Off-Price-Läden", wie TK Maxx und Zalando Lounge, seien immer noch besser als Leerstände. Dass die Aachener Grundvermögen Kapitalverwaltungsgesellschaft die Sedelhöfe wie berichtet doch nicht kaufen, hängt auch indirekt mit dieser Entwicklung zusammen. In diesem Zusammenhang sagte Lothar Schubert, geschäftsführender Gesellschafter bei DC Developments, dass die Sedelhöfe nun "ein anderes Produkt als 2016 konzeptioniert“ seien.

    Nur wenige hochwertige Mieter wollen in die Sedelhöfe

    Warum? Weil die hochwertigen Mieter längst nicht so Schlange stehen, wie es vor fünf Jahren noch erwartet wurde. Corona lässt Grüßen. In gut informierten Kreisen, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen wollen, wird spekuliert, dass der Vertrag aufgelöst wurde, weil DC Developments nicht in der Lage war, das 250-Millionen-Euro-Objekt wie vereinbart weiter zu geben: Und zwar vollvermietet mit lauter hochwertigen Mietern. Wobei die Aachener Grund als sich im Besitz der katholischen Kirche befindliche Kapitalverwaltungsgesellschaft, hier nach Informationen unserer Zeitung, derart hohe Ansprüche an die Mieter hatte, dass der Noch-Eigentümer DC Developments sich vor Probleme gestellt sah. Vereinfacht gesagt: "Billigheimer" wie Primark und Co sollten für jetzt und die Zukunft vertraglich per "Sperrvermerk" ausgeschlossen werden.

    "Ich sehe die Zukunft der Ulmer Innenstadt dennoch sehr rosig", sagt Röll. Doch bei den Mietpreisen müsse etwas passieren, um einen modernen Nutzungsmix der Ladenflächen in Ulm zu ermöglichen. Jens Gramer habe mit seiner Mischung aus Gastronomie, Einzelhandel und Dienstleistungen "genau den Trend der Zeit erkannt". Dazu passe, die Idee mit einem Po-up-Store in der Ulmer Innenstadt Flagge zu zeigen. Wenn die Mietpreise sinken, könnten möglicherweise auch andere kreative Handelskonzepte dauerhaft diesem Beispiel folgen.

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