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Ulm: Verzweiflungstat per SMS angekündigt

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Verzweiflungstat per SMS angekündigt

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    Am Landgericht Ulm wurden am Montag Kurznachrichten des Mannes verlesen, der in Schelklingen gefoltert wurde und sich kurz darauf das Leben nahm.
    Am Landgericht Ulm wurden am Montag Kurznachrichten des Mannes verlesen, der in Schelklingen gefoltert wurde und sich kurz darauf das Leben nahm. Foto: Alexander Kaya

    Nur in kurzen Momenten erschloss sich am Montag vor dem Schwurgericht Ulm das ganze Grauen des Tatvorwurfs, dem sich vor allem der Hauptangeklagte Andre D. zu stellen hat. Er soll den 33-jährigen Timo B. brutal in den Tod getrieben haben. Die Richter lasen Auszüge aus SMS-Inhalten vor, die die Kriminalpolizei sichergestellt hat. Da korrespondiert Timo B. kurz vor seinem Selbstmord mit seinem Bruder, bittet um Hilfe, lehnt den Ratschlag aber ab, zur Polizei zu geben, weil er um das Leben seiner beiden minderjährigen Kinder fürchtete. „Mein Akku ist leer – ich bin nervlich am Ende“, teilt er mit und kündigt seinen Selbstmord an: „Ich habe eine Waffe und werde sie benützen.“ Wenig später, Anfang September vorigen Jahres, wirft sich Timo B. am Bahnhof in Blaustein am helllichten Tag vor den Regionalexpress 22341 und ist auf der Stelle tot.

    Insgesamt sitzen vier Männer im Alter zwischen 23 und 27 Jahren vor Gericht. Aber die Anklage zielt vor allem auf Andre D. und seinen Kumpel Patrik H. Beide befinden sich in Untersuchungshaft. Sie sind wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt.

    Das Unglück begann Anfang des Jahres 2013, als der Familienvater Timo B. in den Kreis der Angeklagten geriet. Der gelegentliche Haschischraucher wurde zum Speedkonsumenten. Aus dem zuverlässigen Angestellten wurde ein Mitarbeiter, der immer öfters fehlte. Und aus einem überaus liebevollen Vater wurde ein aggressiver Mensch, der die Familie belastete, wie die Mutter seiner Kinder im Zeugenstand im Verlauf der Beweisaufnahme erzählte.

    Alle Alarmglocken hätten klingeln müssen, als Timo B. laut Anklageschrift im März 2013 zu einer kriminellen Tat von Patrik H. möglicherweise gezwungen wurde. Beide brachen in das Feuergerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr Schelklingen ein, wurden aber von Anwohnern gestört und flüchteten.

    Durch mehrere Zeugenaussagen wurde am Montag deutlich, was sich da der Verstorbene eingebrockt hatte: Er war Mitglied einer Einbrecherbande, die mit großer kriminellen Energie die Gegend um Blaubeuren unsicher machte. Eingebrochen wurde in verschiedenste Geschäfte vom Einkaufszentrum bis zum Blumenladen. Polizeiaufnahmen diesem Tatort zeigen ein Schlachtfeld: Alle Spinde und Schubladen wurden aufgebrochen, Ware wurde zu Boden geschmissen, auf der Suche nach Geld wurden die Täter fündig. Der angerichtete Sachschaden mit vermutlichem Brecheisen und anderen Werkzeugen war höher als die Beute. Wie sich aus zahlreichen bruchstückhaften Aussagen von Zeugen aus dem Dunstkreis des Andre D. herauskristallisiert, war der mehrfach Vorbestrafte wohl die treibende Kraft der Einbrüche, der Alpha-Mann seiner Umgebung, der sich von seiner 17-jährigen Freundin „Meister“ nennen ließ. In mehreren Fällen waren seine Kumpels möglicherweise zu den Einbrüchen gezwungen worden.

    Vor welchen Methoden da nicht zurückgeschreckt wurde, zeigt sich am Hauptvorwurf gegen Andre D. Anfang September 2013 sollte Timo B. wieder einmal gezwungen werden, einen Einbruch zu begehen. Offensichtlich sträubte sich der 33-Jährige dagegen und wurde von D., H. und einem dritten Mann, der auch mit angeklagt ist, in ein Haus in Schelklingen gelockt, wie die Ermittlungen ergaben. Dort sperrten sie den Ahnungslosen in einen Keller, fesselten ihn und schlugen auf ihn ein. Mit einem Messer schnitt einer der drei Täter

    Das nahm Timo B. todernst, bat nach der Peinigung viele Menschen, denen er sich anvertraute, nicht die Polizei zu informieren, und brachte sich um. In seinem Geldbeutel befand sich ein Abschiedsbrief, der zu den jetzt Angeklagten führte, die aus der heimischen Drogenszene stammen.

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