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Ulm: Ulmer Professor sagt, wo die Corona-Brennpunkte wirklich sind

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Ulmer Professor sagt, wo die Corona-Brennpunkte wirklich sind

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    In Zerlegebetrieben von Schlachthäusern liegen nach Expertenmeinung aufgrund paradiesischer Zustände für Erreger, Brennpunkte für die Verbreitung des neuartigen Coronavirus.
    In Zerlegebetrieben von Schlachthäusern liegen nach Expertenmeinung aufgrund paradiesischer Zustände für Erreger, Brennpunkte für die Verbreitung des neuartigen Coronavirus.

    Angesichts von rund 20.000 Schülern im Landkreis Neu-Ulm und nur fünf Infizierten bleibt Professor Klaus-Michael Debatin, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Ulm, entspannt. Diese Ziffer sei nicht in einer Größenordnung, die grundsätzliches Umdenken erfordere. Debatin wirkte an einer Studie von vier baden-württembergischen Universitätskliniken mit. Die Erkenntnis der Studie, dass Kinder nicht nur seltener an Covid-19 zu erkranken scheinen, sondern auch seltener durch das neuartige Coronavirus infiziert werden, hätten inzwischen zwei weitere Studien bestätigt. Universitäten in den Niederlanden und Israel wären zu gleichen Ergebnissen gekommen.

    K.-M. Debatin
    K.-M. Debatin

    Wenn die Infektionen der fünf Kinder im Kreis überhaupt zu einer Schlussfolgerung führe, dann zu einer verstärkten Überwachung der Quarantäne. Wie berichtet, hatte sich eines der Kinder offensichtlich in einem vom Robert-Koch-Institut als Risikogebiet eingestuften Land angesteckt. Besonders nach den Sommerferien müsste genau darauf geachtet werden, dass betroffene Schüler unbedingt erst 14 Tage nach der Rückkehr ihre Klassenkameraden wiedersehen. Dann, so vermutet Debatin, würden Schulen nicht zu Corona-Hotspots werden. Zumal sich Kinder durchaus an Regeln halten könnten.

    Tönnies: Alle Schlachthöfe schließen?

    Konsequenterweise, so Debatin, müssten in Deutschland sämtliche Schlachthäuser vorüber gehend geschlossen werden. Denn spätestens seit dem Ausbruch bei der Firma Tönnies in Gütersloh sei klar, dass in derartiger Umgebung ein erhöhtes Risiko bestehe. In Fleischverarbeitungsbetrieben ist das Klima offenbar optimal für eine Virusübertragung. Eine Anfrage unserer Zeitung, ob die Luftkühlung im Zerlegebetrieb der Müller-Gruppe im Ulmer Donautal vergleichbar mit der als „Virus-Schleuder“ in Verruf geratenen Tönnies-Anlage ist, bleibt seit Tagen unbeantwortet. Nachdem Debatin weiß, dass eine Schließung sämtlicher Schlachthäuser ein unrealistisches Szenario ist, fordert der Wissenschaftler zumindest die konsequente, regelmäßige Testung jedes Mitarbeiters.

    Mit einer „zweiten Welle“ rechnet Debatin nicht

    Der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin rechnet damit, dass die Einschränkungen durch Corona mindestens ins Frühjahr wenn nicht gar in den Sommer hinein reichen. Mit einer „zweiten Welle“ rechnet Debatin aber nicht. Vielmehr werde es zu „lokalen Ausbrüchen“ kommen, die wohl in den Griff zu bekommen seien. Dass ein Impfstoff kommt, hält der Mittsechziger für sicher. Und zwar noch in diesem Jahr. Allerdings sei die tatsächliche Wirksamkeit zum Zeitpunkt der Einführung vermutlich fraglich. Doch nachdem das neuartige Coronavirus sich im Gegensatz zum Influenzavirus sich nicht ständig verändere, stünden die Chancen auf einen tauglichen Impfstoff gut. Es werde nach der Einführung des vermeintlichen Retters aber noch einige Zeit brauchen, bis belegt ist, ob der Impfstoff überhaupt wirkt.

    Auch Influenza ist gefährlich

    Auch wenn im Ulmer Universitätsklinikum dieses Jahr bislang kein einziges Kind mit einer Covid-19-Erkrankung auf der Intensivstation lag, dafür aber mehrere mit einer Influenza-Infektion, hält Debatin eine Verharmlosung des Virus für verantwortungslos. „Klar ist: Beide Viren sind gefährlich.“ Debatin habe langjährige Kontakte zu Ärzten in Bergamo, einer Region, die besonders von Corona betroffen ist. Von Zuständen „wie im Krieg“ sei ihm berichtet worden. Die Kollegen haben so etwas noch nie erlebt.

    Lockdown war berechtigt

    Der Lockdown in Deutschland sei völlig richtig gewesen. So sei Zeit gewonnen worden, um nicht die gleichen Fehler wie in Italien zu machen. Beispielsweise seien in Bergamo Covid-19-Patienten zur Entlastung der Krankenhäuser in Altenheimen untergebracht worden – mit tödlichen Folgen für Bewohner.

    Der weitere Fokus der „Eltern-Kind Covid-19-Studie“ liege nun darauf, die 45 Erwachsenen und 19 Kinder mit Antikörpern gegen das neuartige Virus genauer zu untersuchen. Beispielsweise sei immer noch nicht klar, dass diese Antikörper tatsächlich gegen eine Neuinfektion schützen.

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