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Ulm: Ulmer Nest soll Obdachlose vor dem Erfrieren schützen

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Ulmer Nest soll Obdachlose vor dem Erfrieren schützen

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    So sieht der erste Prototyp für das Ulmer Nest aus. Bei Tests soll unter anderem geklärt werden, welches Material am geeignetsten für die Schlafkapsel ist.
    So sieht der erste Prototyp für das Ulmer Nest aus. Bei Tests soll unter anderem geklärt werden, welches Material am geeignetsten für die Schlafkapsel ist. Foto: Kathrin Guther/Wilhelmsbüro

    Das DRK-Übernachtungsheim in der Ulmer Frauenstraße weist in kalten Nächten möglichst niemanden ab. Kein Obdachloser soll im Winter im Freien schlafen müssen. Und doch gibt es Menschen, die durch das Raster der Angebote fallen. Für sie haben kreative Ulmer Köpfe eine Lösung entwickelt, die nun weiter ausgearbeitet und im kommenden Winter ausprobiert werden soll: Das Ulmer Nest, eine von innen verschließbare Schlafkapsel, soll Obdachlose im Winter vor der Kälte schützen und ihnen eine Privatsphäre ermöglichen, die sie in den Übernachtungsheimen nicht bekommen können.

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    Das nämlich ist einer der Gründe, weswegen Menschen durch das Raster der Ulmer Hilfsangebote fallen: Wer beispielsweise an einer psychischen Krankheit leidet, kann es unter Umständen nicht aushalten, mit vielen anderen in einem Schlafsaal zu liegen. Es kommt aber auch vor, dass Wohnungslose an der Tür einer Einrichtung abgewiesen werden. Etwa, wenn sie stark betrunken sind oder unter Drogeneinfluss stehen. Das gleiche gilt für Menschen, die sich aggressiv verhalten.

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    Wieder andere lehnen das Übernachten in den Schutzeinrichtungen ab, weil sie mit einem Hund zusammenleben, der zu ihrem wichtigsten Bezugspartner geworden ist. Sie hatten lange Zeit keinen Zutritt zu den Schlafräumen. Inzwischen gibt es im Keller des DRK-Übernachtungsheims entsprechende Plätze. Dort können mehrere Hunde im gleichen Raum schlafen, ohne dass es Trubel und Ärger gibt?

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    Die Ulmer Stadtverwaltung weiß von zwei Personen, die im vergangenen Winter nachts nicht in den Heimen unterkamen. „Es sind Einzelfälle, die die Regelangebote nicht annehmen. Aber sie sind für uns nicht weniger wichtig als andere Fälle“, sagt Franziska Vogel, stellvertretende Leiterin der Abteilung Soziales. Als die Stadt im Sommer die Wilhelmsburg von Künstlern und Kreativen bespielen ließ, vergab sie Aufgaben, die in Workshops gelöst werden sollten. Eine davon: Entwickelt einen Erfrierungsschutz für Obdachlose, die in den regulären Heimen nicht unterkommen.

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    Der Vorschlag, den das sechsköpfige Team des Wilhelmsbüros erdacht hat, orientiert sich an Schlafkapseln, die private Initiativen andernorts bereits aufgestellt haben. Gleichzeitig sollen die Probleme umgangen werden, die ähnliche Schlafkapseln bislang begleiten: Sie sind unkontrolliert und unkoordiniert. Beim Ulmer Nest soll das anders sein. Die Kapseln sollen aus stabilem und leichtem Material gebaut werden. So, dass sie in den kalten Monaten einfach in der Stadt verteilt und im restlichen Jahr eingelagert werden können. Wer darin schläft, soll sich einschließen können. Gleichzeitig gibt es für alle Fälle Notfallschlüssel für Befugte. Zwei Fensterscheiben, die von außen nicht durchsichtig sind, und ein Licht sollen Orientierung und Schutz vor Platzangst bieten. Auch ein Notfallknopf könnte installiert werden. Zudem planen die Macher vom Wilhelmsbüro, die Nester mit Sensoren an das in der Stadt ausgebaute Netzwerk Lorawan anzuschließen. Die Sensoren sollen beispielsweise feststellen, ob sich gerade jemand in der Schlafkapsel aufhält und wie hoch die Temperatur dort ist. Die Informationen sollen einerseits den Sozialarbeitern helfen, anderseits auch den Entsorgungsbetrieben Ebu, die sich laut Plan um die Reinigung der Ulmer Nester kümmern wird. Zwei oder drei Schlafkapseln sollen bis zur Kälteperiode gebaut werden.

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    Das Wilhelmsbüro hat an vielen Fragen getüftelt. Die Kapsel soll Platz genug für einen Menschen und sein Haustier bieten. Doch sie soll nicht so bequem sein, dass sich jemand darin vollkommen häuslich einrichtet. Die Hürden, das Ulmer Nest zu nutzen, sollen so niedrig wie möglich sein. Wer darin schlafen will, muss sich nur hineinlegen. Ein Schüssel oder Chip ist nicht nötig.

    Wird das Ulmer Nest zum Vorbild für andere Städte?

    Viele Details sind noch offen: Welches Material ist geeignet, welche Temperaturen lassen sich im Inneren der Kapseln aushalten, wo könnten sie aufgestellt werden? Erste Versuche hat es schon gegeben, weitere Tests folgen. Stadt und Kreative haben auch Obdachlose nach ihrer Meinung gefragt. Dennoch bleibt die große Frage: Werden jene, die bisher durch das Angebotsraster fielen, die neue Möglichkeit nutzen? Grünen-Rätin Sigrid Räkel-Rehner und CDU-Mann Hans-Walter Roth äußerten im Sozialausschuss Bedenken. Dort stellten Franziska Vogel aus der Stadtverwaltung und Falko Pross vom Wilhelmsbüro das Ulmer Nest vor. Dem Projekt und der Finanzierung stimmten Räkel-Rehner und Roth zu – wie alle anderen Mitglieder des Gremiums. Bis zu 45000 Euro könnten die nächsten beiden Testphasen kosten. Der Städtetag Baden-Württemberg hat signalisiert, dass ein Zuschuss denkbar ist, was den Betrag senken könnte. Bisher hat die Stadt 5000 Euro für Material ausgegeben. Das Wilhelmsbüro erhofft sich, dass die Idee auch in anderen Städten umgesetzt wird. Wird damit Geld verdient, werden die Kosten der Stadt erstattet.

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