240 Brückenbauwerke gibt es derzeit in Ulm – vom kleinen Fußgängersteg bis zur riesigen Blautalbrücke im Westen der Stadt. Viele der Brücken sind in die Jahre gekommen und marode. Zwölf davon sind in einem so schlechten Zustand, dass die Fachleute im Rathaus dringenden Handlungsbedarf sehen. Bei weiteren 27 Bauwerken wird der Zustand als „nicht ausreichend“ eingestuft – auch dort muss rasch etwas getan werden. Dazu gehört beispielsweise die Adenauerbrücke, über die täglich 100000 Fahrzeuge rollen. Wie die Stadt das Problem in den Griff bekommen will, berichtete Michael Jung, Leiter der Hauptabteilung Verkehrsplanung und Straßenbau, im Bauausschuss des Ulmer Gemeinderats.
An den Ulmer Brücken wurden mehr als 3000 Schäden dokumentiert
Wie er erläuterte, werden die Brücken alle sechs Jahre einer Hauptprüfung unterzogen, alle drei Jahre einer einfachen Prüfung und jedes Jahr einer Sichtprüfung. Bewertet wird nach den drei Kriterien Standsicherheit, Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit. Seit 2015 wurden mehr als 3000 Bauwerksschäden dokumentiert, von Rissen im Beton über Wasserschäden und Rost bis hin zu Geländern, die nicht mehr hoch genug sind. Vor allem die in den 60er und 70er Jahren gebauten Brücken sind lädiert. Das liege zum einen an den damals neu eingeführten und noch nicht ausreichend erprobten Bauverfahren. Und zum anderen am Sanierungsstau früherer Jahre. Dazu kommt, dass der Verkehr massiv zugenommen hat und die Brücken deutlich höhere Belastungen aushalten müssen – oder eben nicht aushalten, wie man an der Gänstorbrücke sieht. Die Folge: Die Stadt muss in den nächsten Jahren enorm viel Geld und Arbeit in den Erhalt der Brücken stecken.
Betroffen sind auch die Wallstraßenbrücke und die Ludwig-Erhard-Brücke
Laut den Fachleuten ergibt sich bis 2034 ein Bedarf von insgesamt etwa 220 Millionen Euro für den Erhalt der Ulmer Brücken. Bis 2029 sind es 185 Millionen. Zu den Brücken, die dringend saniert werden müssen, gehört beispielsweise die Wallstraßenbrücke, die Teil der innerstädtischen Nord-Süd-Achse auf der B10 ist. Hier sind 25 Millionen Euro eingeplant. Der Ersatzneubau für die schwer beschädigte Gänstorbrücke über die Donau sind 20 Millionen Euro vorgesehen. Die Ludwig-Erhard-Brücke zwischen Karlstraße und Blaubeurer Straße muss bereits ab nächstem Jahr für 6,8 Millionen Euro saniert werden. Dabei geht es unter anderem um die Geländer und die Beleuchtung. Die Arbeiten werden zu Staus führen, weil dafür zeitweise eine Spur gesperrt werden muss.
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Um die Mammutaufgabe Brückensanierung zu stemmen, soll die Verwaltung einen detaillierten Masterplan inklusive der finanziellen und personellen Auswirkungen erstellen. Außerdem soll ein „Brückentrupp“ ins Leben gerufen werden, der beim Baubetriebshof angesiedelt ist und sich ausschließlich um den Unterhalt der Brücken und Unterführungen kümmert. Als weitere dringliche Maßnahme hat der Bauausschuss beschlossen, die Monitoringanlage an der Adenauerbrücke auszubauen. Das Überwachungssystem soll auf den gleichen Stand wie die Anlage an der Gänstorbrücke gebracht werden.
Der Friedhofssteg und die Beringerbrücke kommen weg
Die Stadt wird in den nächsten Jahren aber nicht nur in großem Stil sanieren, sondern auch die eine oder andere Brücke aufgeben. Beispielsweise soll der Friedhofssteg über die Stuttgarter Straße (zwischen Hauptfriedhof und den Unikliniken am Michelsberg) rückgebaut werden. Sofort gesperrt werden muss aus Sicherheitsgründen die mehr als 100 Jahre alte Beringerbrücke, die von der Blaubeurer Straße am Rangierbahnhof über die Gleise zum Bleicher Hag führt. Dort dürfen nun auch keine Fußgänger mehr drüber gehen. „Diese Brücke ist definitiv nicht mehr zu halten“, sagte Baubürgermeister Tim von Winning. Es sei „erschreckend, wie schnell die Brücke altert“. Es sind bereits Stahlteile auf die darunter liegenden Bahngleise gefallen. Laut Verwaltung muss der Rückbau mit aller Eile vorangetrieben werden. Das kostet voraussichtlich etwa 6,4 Millionen Euro.
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„Das ist ein immenser Kraftakt“, sagte von Winning angesichts der Zahlen, die im Raum stehen. Als „sehr dramatisch“ bezeichnete Winfried Walter (CDU) die Situation. „Da kommt was auf uns zu.“ Um die Belastung der Brücken zu verringern, müsse der Verkehr weiträumig umgeleitet werden, „schon ab Hittistetten“. Nach Ansicht von Michael Joukov-Schwelling (Grüne) bekommt die Stadt nun die Quittung für Versäumnisse der Vergangenheit: „Über viele Jahre war es angenehmer, mit viel Getöse neue Brücken zu bauen, statt zu sanieren.“
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