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Ulm: Theaterstück in Ulm: „Kaspar“ geht zurück in den Keller

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Theaterstück in Ulm: „Kaspar“ geht zurück in den Keller

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    Bei den Proben zu „Kaspar“ im Schirmer-Keller: (von links) Regieassistentin Merit Willemer mit den Darstellerinnen Lena Amberger, Joni-Beth Brownlee und Mirjam Morlok.
    Bei den Proben zu „Kaspar“ im Schirmer-Keller: (von links) Regieassistentin Merit Willemer mit den Darstellerinnen Lena Amberger, Joni-Beth Brownlee und Mirjam Morlok. Foto: Dagmar Hub

    Ungemütlicher und karger geht es kaum: Ursprünglich hatten Ralf Rainer Reimann, Leiter der Ulmer Akademie für darstellende Kunst (AdK), und Regisseur Klaus Nusser-Nussini entschieden, Peter Handkes 1967 veröffentlichtes Drama „Kaspar“ in der Schirmer-Montagehalle aufzuführen. Reimann hatte erfahren, dass die Installationsfirma von der Ulmer Frauenstraße ins Industriegebiet umzieht. Doch dann entdeckten die vier Schauspieler des Stückes und Nusser-Nussini den Keller unter der Montagehalle – und fanden den Raum mit den nackten Betonmauern und den Mengen von Installationsmaterial in roh gezimmerten Regalen einen genialen Ort, um Handkes Sprechstück, das er „Sprachfolterung“ nannte, aufzuführen: In einem dunklen Raum sei er gefangen gehalten worden, seit er sich erinnern kann, ganz allein, berichtete der reale Kaspar Hauser dereinst, als er sprechen gelernt hatte.

    Wie ein Kind, ein Jugendlicher in solchen Verhältnissen die wenigen Worte sprechen gelernt haben konnte, die Hauser beherrschte, als er auftauchte; wie er auf seine Umwelt reagierte und wie sie ihn beeinflusste, nachdem der vermutlich 16-Jährige am Pfingstmontag 1828 mit einem Brief in der Hand in Nürnberg durch die Straßen gelaufen war, das interessierte Handke. Wie Kaspar sprechen lernte, wie er versuchte, sich an eine Umwelt anzupassen, die ihn erziehen und dressieren wollte. Handke interessierte nicht so sehr die historische Figur des Kaspar Hauser und seine mysteriöse Abstammung, sondern das, was in seinem Kopf und in seinem Inneren vor sich gegangen sein mag, quasi seine Seelenmechanik.

    Eine Grippe bremst Regisseur Klaus Nusser-Nussini

    Premiere hat Klaus Nusser-Nussinis Regiearbeit am Mittwoch, 9. Oktober. Die Titelpartie des Kaspar Hauser wird gespielt von Theodoros Tsilkoudis. Drei junge Frauen – Lena Amberger, Joni-Beth Brownlee und Mirjam Morlok – sitzen in einer düsteren Ecke und flüstern, peitschen und hämmern dem jungen Kaspar Hauser als Suggestorinnen gesellschaftskonformes Sprechen und Denken ein. Die Probenarbeiten übernahmen in den letzten Tagen Merit Willemer und Ralf Rainer Reimann, weil eine Grippe Nusser-Nussini erwischt hatte und er seine Akteure nach wochenlanger Probenarbeit nicht anstecken wollte. Zur Premiere jedoch hofft der aus Klagenfurt stammende Regisseur kommen zu können.

    Was ihn an Handkes Sprachkunstwerk fasziniert, mit dem der junge Autor in den 60er Jahren viele Irritationen auslöste, jede Menge Lob und gleichzeitig Kritik erhielt, erzählt der Österreicher am Telefon: Als er als etwa 13-Jähriger (und bis dahin Fußballspieler) die Kunst und die Literatur für sich entdeckte, habe er sich zwei Bücher von Handke gekauft, zu denen er sich Zugang erhoffte: „Die Angst des Torwarts vor dem Elfmeter“ und, um etwas Lustiges zu lesen, „Kaspar“. Das eine hatte mit Fußball nichts zu tun, das andere war alles andere als lustig – doch die Faszination des Jugendlichen an Handkes Sprachgewalt war geweckt, und sie blieb ihm bis heute.

    In den 90er Jahren, erinnert sich Nusser-Nussini, habe er „Kaspar“ mit großem Erfolg am Theater Neu-Ulm aufgeführt. Nun reizte es ihn mit dem Stück, das ihn nie losgelassen habe, Schauspielstudenten zu zeigen, dass es auch völlig andere Formen der Dramaturgie gibt.

    Premiere von Kaspar ist am Mittwoch, 9. Oktober, um 20 Uhr im Keller der Firma Schirmer in der Frauenstraße 87. Weitere Vorstellungen bis 2. November. Kartenbestellung unter Telefon 0731/387531 oder per Mail an info@adk-ulm.de.

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