Ein Atomkraftwerk havariert, ein Hochwasser überfordert die Behörden, Partisanen in einem Bürgerkrieg legen den Flughafen lahm: Auf solche Szenarien wollen die Bundeswehr und andere Armeen vorbereitet sein – und sie brauchen dann die Unterstützung ziviler Organisationen. Zum vierten Mal hat das Ulmer Multinationale Kommando zu einem zivil-militärischen Symposium eingeladen, erstmals ist das ebenfalls in der Ulmer Wilhelmsburg-Kaserne stationierte neue Nato-Kommando Co-Veranstalter. Drei Tage lang haben Experten in der Dornstadter Rommel-Kaserne einander zugehört und miteinander diskutiert. Ihr Thema: staatliche Widerstandsfähigkeit in Krisensituation, in der Fachsprache Resilienz genannt.
„Was wäre, wenn 48 oder 72 Stunden lang der Strom ausfiele, wenn Krankenhäuser nicht erreichbar sind und wenn die Supermärkte geschlossen bleiben?“, fasst Oberstleutnant Andreas Eckel eine Kernfrage der Tagung zusammen. Der Offizier ist beim Multinationalen Kommando für die zivil-militärische Zusammenarbeit verantwortlich und einer der Organisatoren des dreitägigen Symposiums mit mehr als 80 Teilnehmern, das am Donnerstag zu Ende gegangen ist.
Tagung zur zivil-militärischen Zusammenarbeit in Dornstadt
Wie realistisch eine Havarie des Kernkraftwerks Gundremmingen, ein Donauhochwasser oder ein von Rebellen besetzter Memminger Flughafen ist, spielt für die Organisatoren keine Rolle. Solche Szenarien könnten ja auch anderswo auf der Welt eintreten – und dann könnte deutsche Hilfe gefragt sein. Zudem geht es dem Veranstalter nicht um konkrete Missionen, sondern um allgemeine Planungen: Welche Vorbereitungen müssen getroffen werden, falls IT-Netz, Straßen und Häfen ausfallen und was müssen Militär und zivile Organisationen in einem solchen Notfall tun, damit der Staat stabil bleibt?
Die Nato jedenfalls hat festgelegt, dass ihre Mitgliedsstaaten die Resilienz stärker in den Fokus rücken müssen. „Wir haben uns das Thema nicht im stillen Kämmerlein ausgedacht“, sagt Oberstleutnant Eckel vom Multinationalen Kommando. Er ist gemeinsam mit Henk Paape für die Veranstaltung verantwortlich. Der niederländische Oberst Paape ist Eckels Pendant beim neuen Ulmer Nato-Kommando. „Wenn eine Katastrophe passiert, sollen die Pläne sehr gut sein“, sagt der Oberst. Die Vorbereitungen dafür treffe man nun. Was die Teilnehmer neben einer Vielzahl an Informationen mitnehmen, sind Rufnummern und Kontakte. Das Vertrauen sei im Ernstfall entscheidend, sagt Paape. Wer den anderen kenne, tue sich beim Planen leichter. „Es ist wichtig, dass die Leute sich kennen, die Gesichter ihres Gegenübers kennen, dass sie miteinander gesprochen haben“, erläutert er.
Ulm: Wichtige Rolle für Nato-Kommando JSEC und Multinationales Kommando
Das neue Nato-Kommando und das etablierte Multinationale Kommando, das Aufgaben für die Bundesrepublik und die Europäische Union übernimmt, sind für Planungsaufgaben zuständig. Sie müssen koordinieren, ausbilden, vorbereiten. Und deshalb auch über ihre Partner genau Bescheid wissen. Auch bei Übungen werden die zivilen Einrichtungen nach Möglichkeit eingebunden. „Unser Ziel ist es, in militärische Lösungen zivile Organisationen so weit wie möglich zu integrieren“, schildert Eckel.
Ziel der Tagung war es auch, von den anderen zu lernen. Die anderen sind dabei nicht nur die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die Vereinten Nationen mit ihrem Hohen Flüchtlingskommissar, Europäische Union, Nato, Nationalstaaten, Universitäten und Nichtregierungsorganisationen. Es sind auch Unternehmen wie der Paketdienst DHL. Der Zusteller verspricht seinen Kunden, Pakete innerhalb von 48 Stunden in 220 Länder zu liefern. Doch was ist, wenn Piloten streiken, wenn Flughäfen ausfallen, wenn Linien gestrichen werden? Die Notfallpläne des Logistikspezialisten hätten ein hohes Maß an Aktualität und Praktikabilität, erklärt Oberstleutnant Eckel. Und Oberst Paape sagt: „Davon möchten wir gerne etwas lernen.“
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