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Ulm: Streit um Krippe im Ulmer Münster: Beide Seiten liegen falsch

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Streit um Krippe im Ulmer Münster: Beide Seiten liegen falsch

Sebastian Mayr
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    Die Figur des Melchior  steht mit den anderen Figuren der Heiligen Drei Könige im Ulmer Münster.
    Die Figur des Melchior steht mit den anderen Figuren der Heiligen Drei Könige im Ulmer Münster. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

    Heftige Kritik und sogar Beleidigungen hat sich die Ulmer Münstergemeinde für ihre Entscheidung anhören müssen, zunächst auf die Heiligen Drei Könige in ihrer Krippe zu verzichten. Die Kritiker liegen in vielen Punkten falsch, aber auch die Münstergemeinde irrt sich.

    Die evangelische Gemeinde in Ulm ist aufgeschlossen, modern und bereit, Farbe zu bekennen. Das zeigt sich daran, wie klar und offen etwa Dekan Ernst-Wilhelm Gohl rechte Tendenzen anprangert. Aber auch daran, wie sich die Gemeinde für die Segnung schwuler und lesbischer Paare geöffnet hat. Wer glaubt, die Ulmer Protestanten würden alles dem Zeitgeist unterordnen und deshalb auch die drei Weisen opfern, liegt falsch. Die Entscheider stehen hinter ihren Entscheidungen. Und wenn die Gemeinde betont, mit der Darstellung des schwarzen Königs hätten sich schon seit einiger Zeit viele Betrachter unwohl gefühlt, dann darf man das glauben. Tatsächlich bedient die in Ulm als Brezelkönig bekannte Figur des Melchior viele Klischees über Schwarze: schwulstige Lippen, goldener Schmuck.

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    Dass dieser Melchior zumindest vorübergehend gehen muss, bedeutet nicht das Aus für eine Tradition: Die drei Weisen dürfen wiederkommen, auch und gerade als Könige von verschiedenen Kontinenten mit verschiedenen Hautfarben. Ohnehin, das scheinen viele zu übersehen, handelt es sich um eine Zwischenlösung. Die Krippe wird ohne Könige aufgebaut, bis eine zufriedenstellende Lösung für die Zukunft gefunden ist.

    Eine zufriedenstellende Lösung kann es aber nicht sein, diesen Melchior einfach durch einen anderen zu ersetzen. Darüber aber will die Münstergemeinde zumindest nachdenken. Doch die Krippe ist ein Werk ihrer Zeit. Und sie ist ein Gesamtkunstwerk, an dem spätere Generationen nicht einfach herumdoktern dürfen. Wirklich hübsche Züge hat Künstler Martin Scheible im Übrigen nur den Gesichtern der Heiligen Familie zugestanden – das darf bei aller Rassismus-Kritik nicht vergessen werden.

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    Die Krippe steht im Münster. Also hat die Münstergemeinde jedes Recht zu entscheiden, ob sie bleiben darf oder nicht. Wenn Martin Scheibles Brezelkönig Melchior dort nicht mehr zu sehen sein soll, dann ist das in Ordnung. Die Gemeinde will keine Tradition abschaffen. Der schwarze König soll bloß würdevoll und nicht so grotesk aussehen wie jetzt. Das muss dann aber auch für die anderen Figuren gelten. Etwa für die Ulmer Marktfrau mit den fetten Beinen. Wenn dieser König nicht mehr im Münster stehen soll, sollte die Gemeinde eine andere Krippe aufstellen, die allen Figuren mehr Würde gibt. Die bisherige Krippe müsste deswegen ja nicht versteckt werden. Museen würden sie wohl mit Handkuss nehmen. Vorausgesetzt natürlich, die Stifterfamilie Mößner ist einverstanden.

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