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Ulm: Straßenbahn in Ulm: Ist die Linie 2 eine Erfolgsgeschichte oder ein Millionengrab?

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Straßenbahn in Ulm: Ist die Linie 2 eine Erfolgsgeschichte oder ein Millionengrab?

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    Seit Dezember 2018 verkehrt die Straßenbahnlinie 2. Anfangs lief alles nach Wunsch, doch seit Beginn der Corona-Pandemie sind die Fahrgastzahlen niedrig.
    Seit Dezember 2018 verkehrt die Straßenbahnlinie 2. Anfangs lief alles nach Wunsch, doch seit Beginn der Corona-Pandemie sind die Fahrgastzahlen niedrig. Foto: Alexander Kaya (Archivfoto)

    40.000 Fahrgäste am Tag, diese Marke sollte die Ulmer Straßenbahnlinie 2 erreichen. Nun sind es an guten Tagen 20.000 Menschen, die täglich mit dieser Tram unterwegs sind. Die Kosten für die Stadt sind indes inzwischen etwa doppelt so hoch wie zu Beginn geplant. Ist das nun eine Erfolgsgeschichte? Und was bedeuten diese Erfahrungen für eine mögliche weitere

    Was die Strecke vom Kuhberg bis zum Science Park tatsächlich kostet, ist noch nicht ganz klar. Die Schlussabrechnung ist noch nicht fertig. Zudem müssen noch einige Mängel beseitigt werden und einige Restarbeiten stehen aus. Und dann sind da auch offene Streitigkeiten: Die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm und eine Baufirma versuchen, die Auseinandersetzung mit juristischer Hilfe, aber außergerichtlich zu klären. Ob das gelingt, sei unklar, sagte Ralf Gummersbach kürzlich in der Sitzung des Gemeinderats – noch vor der Corona-Erkrankung des Oberbürgermeisters. Der Ingenieur ist bei den SWU für die neue Tramlinie zuständig. Es gehe um qualitative Mängel und den Umfang der Bauleistungen, erklärte er. Bereits jetzt haben die Stadtwerke 1,1 Millionen Euro für juristische Auseinandersetzungen rund um den Tramlinienbau ausgegeben.

    Kosten für Bau der Linie 2 steigen auf 211 Millionen Euro

    Die Kosten für den Bau liegen nach aktuellen Schätzungen bei rund 211 Millionen Euro. Die Grunderwerbskosten machen noch einmal etwas mehr als 43 Millionen Euro aus. Die SWU gehen derzeit davon aus, dass die Stadt zwischen 120 und rund 130 Millionen Euro bezahlen muss, der Rest wird aus Fördermitteln von Bund und Land gestemmt. CDU-Fraktionsvorsitzender Thomas Kienle erinnerte sich daran, dass ursprünglich von einem städtischen Eigenanteil von 55 bis 65 Millionen Euro die Rede gewesen sei. Oberbürgermeister Gunter Czisch wollte das nicht gelten lassen: Beschlossen habe man einen Eigenanteil in Höhe von 100 Millionen Euro. So oder so: Die Kosten sind spürbar gestiegen.

    Czisch sprach von einem mutigen Projekt, mit dem man die Mobilität in der Stadt nachhaltig verändern könne. "Nächstes Jahr wird alles fertig sein - und die Neubaustrecke wird fertig sein", sagte der Oberbürgermeister. Man habe zwar ursprünglich schneller sein wollen. Trotzdem gelinge alles rechtzeitig. Wenn die ICEs auf der neuen Schnellstrecke nach Stuttgart nur noch etwas mehr als eine halbe Stunde benötigen, ist auch der neu gestaltete Nahverkehr in Ulm abgeschlossen. Die Kostensteigerungen seien ärgerlich, aber nicht vorhersehbar und auch nicht vermeidbar gewesen. "Wir haben am offenen Herzen operiert, und das in der ganzen Stadt", sagte Czisch.

    Sollte Ulm eine weitere Straßenbahn bekommen?

    Für Kienle steht dagegen fest: Mit dem heutigen Wissen würde man den Neubau der Straßenbahnlinie und die gleichzeitige Umgestaltung des Bahnhofsareals nicht mehr beschließen. Auch die Kosten für die unterirdische Passage, die Tiefgarage und den Vorplatz sind teurer als bei der Planung angenommen. Man habe viel zu viele Dinge auf einmal angepackt: den Citybahnhof, die Sedelhöfe, die Linie 2, die Sanierung der Ludwig-Erhard-Brücke. Dadurch sei der Verkehr in Ulm zeitweise lahmgelegt worden, man habe der Stadt zu viel zugemutet. "Welche Lehren ziehen wir daraus?", fragte Kienle und gab die Antwort gleich selbst: "Hände weg von einer Linie 3!" Dass Mitglieder des Gemeinderats immer wieder den Wunsch nach einer weiteren Straßenbahn äußern, zeige, dass sie den Realitätssinn endgültig verloren hätten.

    Für diese Einschätzung erntete der CDU-Stadtrat viel Widerspruch. Lena Schwelling meinte: "Ja, Kostensteigerungen sind ärgerlich, aber die erleben wir überall." Die Umstände seien hier eben unglücklich gewesen. "Das ist unsere beste Linie, das ist ein riesiges Erfolgsprojekt", fand sie. Dorothee Kühne (SPD) schwärmte: "Diese Straßenbahn ist nicht nur eine Gabe an die Bevölkerung, sie ist auch ein wahnsinniger Wirtschaftsfaktor." Sie verwies auf einen Bericht von Finanzbürgermeister Martin Bendel: In der Wissenschaftsstadt haben Unternehmen in den zurückliegenden zehn Jahren 750 Millionen Euro investiert. Das hänge auch mit der nun hervorragenden öffentlichen Anbindung für Beschäftigte zusammen, meinte Kühne. Reinhold Eichhorn betonte: "Die Straßenbahnlinie 2 ist eine Erfolgsgeschichte, auch wenn die Fahrgastzahlen pandemiebedingt zurückgegangen sind. Kein Ulmer möchte darauf verzichten."

    Täglich nutzen Tausende Menschen die Ulmer Straßenbahn

    2019 waren werktags 27.000 Menschen mit der Linie 2 gefahren, die Verantwortlichen sahen einen Trend hin zur Zielmarke von 40.000 Passagierinnen und Passagieren pro Tag. Doch dann kam die Corona-Pandemie, die Fahrgastzahlen brachen auf 6100 am Tag ein und haben sich bis zur jüngsten Zählung nur leicht erholt: 10.200 waren es da. Allerdings hatte der Präsenzbetrieb an den Hochschulen bei dieser Zählung noch nicht begonnen, berichtet Ralf Gummersbach. Inzwischen registrieren die Stadtwerke einzelne Spitzentage mit mehr als 20.000 Mitfahrenden. Aber durch die 3G-Regel im Nahverkehr haben sich die Bedingungen nun ein weiteres Mal verändert. Die Perspektive? Unklar. Gummersbach verwies auf das Arbeiten zuhause, das pandemiebedingt beliebter geworden ist.

    Lena Schwelling verwies auf die immer höheren Baupreise und sagte: "Je schneller wir mit der Linie 3 anfangen, desto weniger kompliziert wird's." Und CDU-Stadtrat Hans-Walter Roth ergänzte: "Wiblingen wartet noch auf den Anschluss." Der Oberbürgermeister aber bremste: "Eine Linie 3 ist in weiter Ferne", sagte Czisch.

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