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Ulm: Steht der Name der Mohrengasse in Ulm für Rassismus oder für Verehrung?

Ulm

Steht der Name der Mohrengasse in Ulm für Rassismus oder für Verehrung?

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    Die Mohrengasse führt vom Ulmer Rathaus und der Stadtbibliothek zum Weinhof mit dem Schwörhaus.
    Die Mohrengasse führt vom Ulmer Rathaus und der Stadtbibliothek zum Weinhof mit dem Schwörhaus. Foto: Dagmar Hub

    In Ulm wird auf Anregung des SPD-Stadtrats Martin Rivoir über eine Umbenennung der Mohrengasse diskutiert. Doch ist dieser Straßenname tatsächlich rassistisch, und woher kommt der Begriff? Viele Gassen und Straßen in Ulm und anderswo wurden nach Gaststätten benannt, die dort lagen. Oft griff man früher bei der Benennung von Gasthäusern auf biblische Motive oder auf Heilige zurück, die etwas mit dem Unterwegssein oder Pilgern zu tun haben – schließlich wollte man die Reisenden und Pilger ansprechen. Die Ulmer Walfischgasse, die Dreiköniggasse und wohl auch die Mohrengasse fallen in diese Kategorie.

    Seit spätestens 1805 inoffiziell, seit 1869 offiziell heißt die Mohrengasse nach der Gaststätte „Zum Mohren“, die bis zu den Kriegszerstörungen vom Dezember 1944 im Eckhaus Weinhof 23 dem Schwörhaus gegenüber stand. Da eine frühere Wirtsfamilie Kauth hieß, wurde das Gasthaus zu deren Zeit im 16. bis 18. Jahrhundert „Zum Kauthen“ und die Gasse entsprechend „Kautengasse“ genannt. Davor findet sich die Bezeichnung „Sant Joßgaß“ nach einer dem Heiligen Jodokus geweihten Kapelle, die in der Gasse vom 14. bis ins 16. Jahrhundert bestand.

    Debatte über Rassismus in Ulm: Soll die Mohrengasse in Manga-Bell-Gasse umbenannt werden?

    Eine eindeutige Erklärung des Straßennamens Mohrengasse, den es in vielen Städten gibt, ist nicht zu belegen. Mindestens in einem bekannten Fall geht beispielsweise der Name einer Gastwirtschaft „Zum Mohren“ einfach auf den Namen des Besitzers zurück, der „Mohr“ hieß. Denkbar für Ulm sind aber mehrere Varianten: Die Mohrengasse führt auf den Weinhof zu, in der Stauferzeit Ort der Pfalz. Die Stauferkaiser verehrten – wie die Ottonen – als einen der wichtigsten Heiligen Mauritius. Der Legende nach soll dieser ein christlicher römischer Offizier gewesen sein, der im dritten Jahrhundert im heutigen St. Moritz (Schweiz) gestorben ist, aus dem historischen Mauretanien stammte und wohl eine braune Haut hatte. Von den Staufern wurde Mauritius, der sich geweigert haben soll, heidnische Götter anzubeten, vor Kämpfen und Gefechten angerufen. Von den Mauren, den Bewohnern Mauretaniens (heute Oberägypten) leiten sich sprachgeschichtlich neutral die römischen und altgriechischen Worte für „dunkel“ ab, und auch das alte deutsche Wort „Mohr“. Möglich ist, dass schon seit Jahrhunderten eine inoffizielle Verbindung der Gasse mit der Verehrung des Heiligen existierte.

    Zudem gilt der Heilige Mauritius als Schutzpatron der Reben – und Weinhandel wurde auf dem Weinhof rege betrieben. Der Gedanke einer Verbindung zum Schutzheiligen der Reben läge da nicht fern. Ein weiterer möglicher Zusammenhang: Auch Zeno, im vierten Jahrhundert Bischof von Verona, war Maure. Reliquien des Bischofs wurden in der Heilig-Kreuz-Kirche der Staufer auf dem Weinhof aufbewahrt. Ein weiterer Maure in Ulm also, wo es seit Jahrhunderten auch eine Mohrenapotheke gibt. Dieser historische Name ist übrigens Ausdruck der Verehrung.

    Im 19. und 20. Jahrhundert wurde der damals neutral bis positiv konnotierte Begriff „Mohr“ vom oft negativ gemeinten „Neger“ verdrängt.

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