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Ulm: So sah es vor 100 Jahren am Ulmer Bahnhof aus

Ulm

So sah es vor 100 Jahren am Ulmer Bahnhof aus

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    Der Bahnhofsplatz nach Südosten mit dem Bahnhof-Hotel, dem Münster-Hotel und dem Russischen Hof (von links). Das Foto stammt von einer historischen Ansichtskarte.
    Der Bahnhofsplatz nach Südosten mit dem Bahnhof-Hotel, dem Münster-Hotel und dem Russischen Hof (von links). Das Foto stammt von einer historischen Ansichtskarte.

    Wer in Ulm aus dem Zug steigt und vor den Bahnhof tritt, findet sich zur Zeit wieder inmitten von Baggern, hohen Kränen und omnipräsentem Baulärm. Nun ja, die Stadt macht sich fit für die Zukunft, ist der Betrachter geneigt zu sagen, was die vergangenen sechzig Jahre die Visitenkarte der Stadt darstellen sollte, war ja nun wirklich keine besondere Augenweide.

    Dabei teilt Ulm allerdings das Los so vieler, im Krieg zerstörter Städte. Der Wiederaufbau folgte anderen Gesetzen, Ästhetik wurde der Wohnungsnot sowie der Politik untergeordnet: nur nicht „deutschtümeln“. Heute mag das manch ein Verantwortlicher im Baudezernat entspannter sehen; vielleicht kommt dann und wann gar ein wenig Wehmut auf beim Betrachten der alten Fotos, jener Fotos des alten, unwiederbringlich zerstörten Ulm.

    Bleiben wir beim Bahnhofplatz: Einst ein geschlossenes harmonisches Gefüge. Klar, natürlich war das Verkehrsaufkommen weitaus geringer als heute. Die Friedrich-Ebert-Straße gab es noch nicht – der Namensgeber wurde ja gerade erst Reichspräsident. Was sah er also, der aus Stuttgart, München oder Friedrichshafen Angereiste, der gerade das Empfangsgebäude verließ? Zunächst einen wohlproportionierten rechteckigen Platz mit wahrlich repräsentativen Gebäuden ringsum.

    Bahnhof-Hotel mit dem markanten Dreiecksgiebel

    Da wäre zunächst einmal die alte Hauptpost zur Linken: Ein Palast des zeitgenössischen Historismus, umgestaltet im Stil des Neobarock und 1895 mit einer gelb getönten Kunststeinarchitektur ummantelt. Ein Gerüst als sogenannter „Telefonständer“ auf dem Dach wies schon damals in die technisierte Zukunft. An der Stirnseite gegen Osten zwischen Olgastraße und Bahnhofstraße das Bahnhof-Hotel mit dem markanten Dreiecksgiebel.

    Das wohl imposanteste Bauwerk am Platz: das Münster-Hotel

    Links davon das wohl imposanteste Bauwerk am Platz, das Münster-Hotel: Im Jahr 1900 vom Architekten Kienzle errichtet, bot es auf fünf Etagen allen erdenklichen Komfort inklusive Münsterblick. Lift, Zentralheizung, Badewanne und elektrisches Licht, gibt ein Reiseführer aus dem Jahr 1912 an, sollten den Aufenthalt des Reisenden im Münsterhotel so angenehm wie möglich gestalten. Markant der massive durchgehende Eckerker am Eingang zur Bahnhofstraße. Diese wurde im Übrigen erst 1866 durch die Stadtmauer gebrochen. Eine weitere Herberge begrenzte die Südseite des Platzes.

    Der Russische Hof stand am Ulmer Hauptbahnhof

    Vis à vis des Postamtes erhob sich der Russische Hof, einst „Hotel Russie“ in der Erscheinung der Neorenaissance. Welchem der drei Hotels nun der Vorzug gegeben wurde, hing ganz von den Vorlieben des Gastes ab, zumal es in der gesamten Stadt kaum komfortablere Übernachtungsmöglichkeiten gab als die Häuser gleich hier neben dem Bahnhof. Den Mittelpunkt des wohlproportionierten Platzes beherrschte ein vom Industriellen Schwenk gestifteter Monumentalbrunnen, dessen Atlantenfiguren jedoch kurz nach der Errichtung wieder entfernt wurden. Auch ein kleiner Kiosk, in dem Süßigkeiten aller Art erhältlich waren, erfreute sich großer Beliebtheit. Überquert nun unser Zeitreisende den Platz gen Osten und wendet vor dem Bahnhof-Hotel den Blick nochmals zurück, würde ihm sicherlich das imposante Empfangsgebäude imponieren: dreistöckig mit einem vorgelagerten Arkadengang.

    Erinnerungen an den Augsburger Bahnhof

    Ähnlich wie heute noch der Augsburger Bahnhof aussieht, muss er gewesen sein, bevor die Bomben fielen. Die westliche Altstadt wurde, wie bekannt, durch Angriffe der Alliierten nahezu vollständig zerstört. Das Stadtbild Ulms wurde durch die Reaktion auf den Größenwahn einer verbrecherischen Ideologie in all seiner Schönheit, Heimeligkeit und gleichzeitigen Pracht vernichtet. Was folgte, war ein kompletter Neubeginn. Architektonisch zogen die Verantwortlichen einen Schlussstrich. Weder Historismus noch Fachwerk war politisch opportun, Autofreundlichkeit hieß die neue Devise. Gesichtslose Neubauten prägten die folgenden Jahrzehnte. Es bleibt zu hoffen, dass der Platz um den Bahnhof durch die aktuelle Umgestaltung wieder etwas von seiner Geschlossenheit zurückerhält; ein Platz für die Menschen und ein angemessen ästhetisches Eintrittsportal in die Stadt.

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