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Ulm: Sinti und Roma: In Ulm steht jetzt ein Haus gegen Hass und Vorurteile

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Sinti und Roma: In Ulm steht jetzt ein Haus gegen Hass und Vorurteile

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    Der Landesverband der Sinti und Roma Baden-Württemberg richtet Auf dem Kreuz in den Räumen der Europäischen Donauakademie in Ulm, eine Zweigstelle für Beratungstätigkeit ein. Auf dem Foto (von links): Yvonne Huppert, Walter Roth, Andreas Hoffmann-Richter, Peter Langer, Birgit Locher-Finke, Daniel Strauß und Gunter Czisch.
    Der Landesverband der Sinti und Roma Baden-Württemberg richtet Auf dem Kreuz in den Räumen der Europäischen Donauakademie in Ulm, eine Zweigstelle für Beratungstätigkeit ein. Auf dem Foto (von links): Yvonne Huppert, Walter Roth, Andreas Hoffmann-Richter, Peter Langer, Birgit Locher-Finke, Daniel Strauß und Gunter Czisch. Foto: Helmstädter

    Für Daniel Strauß ist jede Hotelbuchung so etwas wie ein Spießrutenlauf. Allzu oft habe der Vorstandsvorsitzende des Landesverbands deutscher Sinti und Roma beim Einchecken hier schon Diskriminierung in Reinkultur erlebt. „Gehen Sie doch lieber auf den Campingplatz“, sei da noch ein harmloser Empfang gewesen. Die bittere Ironie: Auch auf Campingplätzen seien Sinti und Roma ebenso selten willkommen.

    „Der Antiziganismus nimmt zu"

    Von Ulm aus werden nun derartige Feindseligkeiten bekämpft. Und zwar mit politischer Bildung. „Der Antiziganismus nimmt zu“, beklagte Ministerialdirigentin Birgit Locher-Finke vom baden-württembergischen Ministerium für Soziales und Integration, bei der Eröffnung der Beratungsstelle für Sinti und Roma. Die Rhetorik habe sich in jüngster Zeit verschärft.

    Gerade im Internet würde unverhohlen Hass in Richtung der Sinti und Roma geschürt. „Das schafft den Nährboden für weitere Schritte.“ Ein solcher wird derzeit in Ulm verhandelt. Fünf junge Männer hatten zum Prozessauftakt eingeräumt, dass sie im Mai 2019 in Erbach-Dellmensingen (Alb-Donau-Kreis) aus dem Auto heraus eine Fackel auf den Wohnwagen einer Romafamilie geworfen hatten. Das Urteil wird am 23. September erwartet.

    Das Opfer der Attacke war eine Familie aus Frankreich, die dort campierte. Im Wohnwagen schliefen zum Zeitpunkt des Angriffs eine Frau und ihr neun Monate altes Baby – eine junge Familie, die zur Zielgruppe der neuen Beratungsstelle, die von Andreas Hoffmann-Richter ehrenamtlich betreut wird, gehört. Der ehemalige Beauftragte der Evangelischen Landeskirche für die Zusammenarbeit mit Sinti und Roma kann dabei auf Hilfe des in Mannheim sitzenden Landesverbands zählen – insbesondere wenn es um die Überwindung von Sprachbarrieren gehe.

    Zwölf Millionen Sinti und Roma leben in Europa

    Dass es nicht reicht, in Schwörreden den sozialen Zusammenhalt aller rund um Ulm wohnenden Kulturen zu besingen, betonte Ulms OB Gunter Czisch. Die neue Beratungsstelle sei ein konkretes Beispiel, wie Ulm im „ständigen Ringen“ um die große Vision der Völkerverständigung versuche voranzukommen.

    Ulm sei als treibende Kraft der EU- Strategie für den Donauraum und Sitz des Donaufests prädestiniert für den Sitz einer württembergischen Beratungsstelle. Zwölf Millionen Sinti und Roma leben nach Angaben von Strauß in der EU. Die meisten im Donauraum. „Zwölf Millionen Menschen, die keine Lobby haben“, so Strauß, der 1965 im hessischen Lahn-Dill-Kreis geboren wurde.

    Nun kämpft er dafür, dass es die nächsten Generationen einfacher haben als er und seine acht Geschwister: Sein Vater Heinz Strauß überlebte die Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz und Buchenwald. Seine Mutter Maria Strauß erlebte ihre Befreiung im Zwangslager „Frankfurt-Dieselstraße“. Während seiner Kindheit und Jugendzeit war Strauß im elterlichen Schaustellergeschäft eingebunden und besuchte um die 200 Schulen.

    250 Sinti-und-Roma-Familien rund um Ulm

    Rund um die Doppelstadt leben nach Angaben von Strauß etwa 250 Sinti- und Roma-Familien. Ein Zeichen der Verbundenheit mit der Region sei es, dass im vergangenen Jahr der „Kultur- und Ehrenpreis der Sinti und Roma“ im Ulmer Rathaus verliehen wurde. Die Preisverleihung findet immer am Tag der ersten urkundlichen Erwähnung von Sinti und Roma in Deutschland statt: dem 20. September 1407 in Hildesheim.

    Es brauchte über 600 Jahre für eine formelle Anerkennung der 12.000 Menschen umfassenden Volksgruppe in Baden-Württemberg: Der 2013 unterzeichnete Staatsvertrag enthält das Bekenntnis zur Anerkennung der Sinti und Roma und legt eine verbindliche Förderung der Minderheit fest.

    Die Beratungsstelle ist eine Anlaufstelle einerseits für Sinti und Roma und andererseits für Institutionen des öffentlichen Lebens auf kommunaler und Landesebene. „Denn auch Ämter haben bei dieser Thematik oft Beratungsbedarf“, sagte Hoffmann-Richter. Neben konkreter Beratungstätigkeit werde die Zweigstelle auch die Möglichkeit bieten, antiziganistische Angriffe und Vorkommnisse zu melden.

    Mit der Europäischen Donauakademie sitzt auch gleich der Kooperationspartner für kommende Bildungsprojekte mit im giebelständigen Fachwerkhaus. Die von Peter Langer, dem Leiter für internationale Zusammenarbeit der Europäischen Donauakademie, organisierte Sinti- und Roma-Kulturwoche „Romno Power Festival“ hat im vergangenen Jahr schon gezeigt, wie Vorurteilen und Klischees couragiert begegnet werden kann.

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