Startseite
Icon Pfeil nach unten
Neu-Ulm
Icon Pfeil nach unten

Ulm: Schulen und Coronavirus: Wie kann es weitergehen?

Ulm

Schulen und Coronavirus: Wie kann es weitergehen?

    • |
    Der Heimunterricht ist vorbei, das Schuljahr hat begonnen.
    Der Heimunterricht ist vorbei, das Schuljahr hat begonnen. Foto: Alexander Kaya (Archivfoto)

    Kann es in Zeiten der grassierenden Corona-Pandemie ein „krisenfestes Klassenzimmer“ geben? Die Antwort kann auch nach der Bildungsveranstaltung der baden-württembergischen SPD-Landtagsfraktion zu diesem Thema in dieser Woche im Bootshaus auf der Donau in Ulm eigentlich nur lauten: kaum, zumindest noch nicht. Dazu ist die Wegbereitung noch zu unvollständig, es fehlen die finanziellen Mittel sowie ausgewiesene Fachkräfte. So das Fazit der Teilnehmer an der Veranstaltung mit dem Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion Andreas Stoch im Mittelpunkt.

    Als kleiner Beleg dafür mag ein Blick in den Kreis Neu-Ulm dienen, wo sich gerade je eine Schulklasse in Elchingen und Neu-Ulm, ein paar Lehrkräfte und eine Kita-Gruppe in Neu-Ulm in Quarantäne befinden. Schließlich ist auch die Diskussion über das Tragen einer Gesichtsmaske auch von jüngeren Schülern im Unterricht noch voll im Gange.

    Diskussion in Ulm: Welche Folgen hatte der Corona-Lockdown für Schüler

    Der SPD gehe es darum, „alle Kinder und Jugendlichen in den Blick zu nehmen, wenn Bildungs- und Chancengerechtigkeit hergestellt werden sollen“, so Andreas Stoch. „Die Ungerechtigkeit gab es schon vorher, doch in Corona-Zeiten hat sie sich noch verstärkt. In vielen Schulen fehlt die entsprechende Ausstattung und das technische Know-how, um gute Bildung zu vermitteln. Eine gute Schule muss auch unter Pandemie-Bedingungen funktionieren, nur eben mit einer anderen Organisation.“ Dabei spricht sich Stoch, selbst Vater von vier Kindern, dafür aus, dass auch Schüler, die zum Beispiel wegen Krankheit nicht am Präsenzunterricht teilnehmen können, sondern nur zu Hause lernen, die Lehrinhalte bekommen müssten, die sie brauchen. Das sei auch Sache der Politik.

    Schlimm sei es, wenn Schulen eine Zeit lang geschlossen sind, erklärte Alexander Patzina vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Agentur für Arbeit (IAB). Die Auswirkungen würden bis ins Berufsleben hineinreichen. Patzina stützte seine These mit Ergebnissen diverser Studien. „Weltweit waren oder sind 1,5 Milliarden Kinder von Schulschließungen betroffen“, weiß Patzina. Die Folgen seien zum Beispiel „Einbußen bei der kognitiven Entwicklung, negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Gesundheit, psychische Belastungen, die bis zur sozialen Isolation führen können oder der Wegfall von Berufsorientierung.“ Die Auswirkungen beträfen spätere Beschäftigungschancen und das Einkommen. „Schulausfall“, so Patzina weiter, „hat auch eine volkswirtschaftliche Komponente: weniger Wissen, weniger Kompetenzen, weniger Innovation.“

    Bei der Diskussion im Bootshaus: (von links) Ulms Sozialbürgermeisterin Iris Mann, der Ulmer Gesamtelternbeiratsvorsitzende Gero Lückemeyer, SPD-Fraktionschef Andreas Stoch und Andreas Patzina von der Agentur für Arbeit.
    Bei der Diskussion im Bootshaus: (von links) Ulms Sozialbürgermeisterin Iris Mann, der Ulmer Gesamtelternbeiratsvorsitzende Gero Lückemeyer, SPD-Fraktionschef Andreas Stoch und Andreas Patzina von der Agentur für Arbeit. Foto: Alexander Kaya

    Die Bero-Studie, erläuterte Alexander Patzina, habe ergeben, dass zu Beginn der Schulschließungen über 90 Prozent der Schüler täglich oder zumindest einmal in der Woche von der Schule kontaktiert wurden. Das habe nachgelassen. Nur etwa 13 bis 14 Prozent hätten ein digitales Klassenzimmer erlebt. „Wenn mehr Lehrmaterial zur Verfügung stand, wurde besser gelernt und die besseren Schüler haben auch mehr gelernt.“ Zweieinhalb Stunden pro Tag hätten die Schüler aber ferngesehen und zwei Stunden am Tag telefoniert oder gechattet. In den ersten drei Wochen der Schulschließungen hätten 10 Prozent der Kinder gar nicht gelernt. Wobei insgesamt die Schüler aus privilegierten Schichten auch die besseren und fleißigeren gewesen seien.

    Sozialbürgermeisterin Iris Mann: In Ulm fehlen 200 Lehrer

    Gero Lückemeyer, Vorsitzender des Gesamtelternbeirats Ulmer Schulen, sah die Situation hier positiver: „Viele Beteiligte haben zügig, zielorientiert und pragmatisch gehandelt. Dabei gab es eine sehr gute Zusammenarbeit mit der Stadt Ulm.“ Er widmete sich ausführlich der nötigen Digitalisierung an den Schulen: „Durch das Abstandsgebot gibt es keine andere Möglichkeit. Es geht um die Infrastruktur, die Internetanbindung und die Wartung. Da entstehen hohe Kosten und man braucht professionelle Hilfe.“

    Die Kultur- und Schulbürgermeisterin der Stadt Ulm, Iris Mann, gab sich ganz pragmatisch: „In Zeiten des Krisenmanagements dürfen wir nicht schauen, was andere nicht machen, sondern müssen selbst handeln. Wir haben einen beherzten Gemeinderat, der dann auch schnelle Entscheidungen trifft.“ Ihr Verweis darauf, dass viele Lehrkräfte fehlen würden und Ulm etwa 200 mehr bräuchte, ließ die anderen auf dem Podium nachdenklich werden. Andreas Stoch sagte, seine Fraktion wolle fordern, dass „im Bildungssystem besser auf die gesellschaftlichen Veränderungen reagiert“ werde. Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Stefan Fulst-Blei, forderte am Ende, nachdem die Frage einer Besucherin nach dem Datenschutz bei der Digitalisierung quasi unbeantwortet blieb: „Kein Kind darf verloren gehen.“

    Lesen Sie auch:

    Corona-Warnwert bald erreicht: Schülern und Lehrern droht dauerhafte Maskenpflicht

    Überblick: Welche Regeln in den Schulen in Bayern und Baden-Württemberg gelten

    Polizei sucht Helfer für den Schulweg

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden