14 Jahre lang war Frank Banse geschäftsführender Münsterpfarrer in Ulm, ab 1987. In seine Zeit fällt die Übergabe der in kontroverse Diskussion samt Rassismus-Vorwürfen geratenen Scheible-Krippe ans Münster, zu der nun eine Vortragsreihe beginnt. Banse erinnert sich gut an Sonntag, den ersten Advent 1992, als die 26 Krippenfiguren erstmals im Münster zu sehen gewesen waren. Wie es damals war, erzählte der Pfarrer im Ruhestand und heutige SPD-Stadtrat in Villingen-Schwenningen unserer Redaktion.
Gerhard Lorenz, Münsterbaumeister von 1971 bis zum Ruhestand 1996, hatte Banse darauf aufmerksam gemacht, dass die Familie Mößner eine Krippe des Künstlers Martin Scheible besitze, die sie gern ans Münster geben wollte, erinnert sich Banse. "Als Pfarrer kann man nicht etwas Eigenmächtiges tun", erklärt er. Der Kirchenvorstand wurde befragt und stimmte "meiner Erinnerung nach einstimmig zu", schildert er - und widerspricht damit Spekulationen des Kulturjournalisten Rolf Waldvogel, der am Sonntag um 11 Uhr im Ulmer Münster zum Ulmer Krippenstreit referiert. Waldvogel, der Scheible Rassismus nicht unterstellt, hatte in einem Youtube-Video im Januar die These aufgestellt, am Münster habe man sich 1992 angesichts des "Donators", des Gebers also, vor einer "brüsken Ablehnung" der Figuren zurückgeschreckt, obwohl man die Krippe vielleicht für das Münster als ungeeignet angesehen habe.
Banse dagegen erinnert sich: "Da war nichts Komisches." Man sei sich einig gewesen, es sei viel Freude über die Figuren gewesen. "Vielleicht war ich naiv, was eine mögliche Betrachtung der Darstellung des dunklen Königs als Rassismus angeht. Aber ich sehe da nichts Rassistisches." Natürlich zeichne Karikierendes manche Kunstwerke von Scheible aus; er selbst besitze ein 1952 gemaltes Werk des in Neu-Ulm geborenen Künstlers, sagt Banse. Scheible erneuerte 1937 unter anderem auch die im Bildersturm 1531 zerstörten Reliefs der Kanzel im Ulmer Münster.
Nach Krippenstreit: Drei Vorträge im Ulmer Münster
Den Aufbau der Krippenfiguren - damals am Kreuzaltar - habe das Münsterbauamt übernommen, Mitarbeiter der Münsterbauhütte hätten das liebevoll gemacht, erinnert sich Banse. Er zitiert seinen Kollegen Pfarrer Hans Villinger, der damals schrieb, man hoffe, dass die Krippe unter dem Schutz des Münsters "für viele verbindend wird und Begegnung möglich macht" zwischen "Alt und Jung, Schwarz und Weiß, Begegnung zwischen Juden, Moslems, Christen, zwischen allen, die sich dem Erleben von Weihnachten zu öffnen bereit sind". Das habe die Krippe getan, sagt Banse. Er erinnere sich an viele Begegnungen und Gespräche in Adventswochen der Folgejahre.
Einen denkwürdigen Auftritt hatte der heute umstrittene König an Heiligabend des Jahres 2000. Da nahm Frank Banse ihn mit auf die Kanzel und interpretierte den kleinen und erwachsenen Zuhörern im Weihnachtsgottesdienst die Breze als Geschenk des Königs als: "Nimm und iss! Du sollst keinen Hunger haben! Kein Mensch auf dieser Welt soll Hunger haben." Der Künstler sage nicht "Ausländer raus", heißt es in der erhaltenen Predigt. Sondern: "Noch vor Gold, Weihrauch und Myrrhe schenkt der schwarze König dem Christ-Kind eine echte Ulmer Laugenbrezel: multikulturelle Gesellschaft schon an der Krippe des Jesuskindes." Mehr als tausend von einer Bäckerei gespendete Brezeln ließ Banse damals im Gottesdienst verteilen - zum Essen, zum Mitnehmen und an den Christbaum hängen oder zum Verschenken unterwegs. Die meisten Gottesdienstbesucher, erinnert er sich, hätten die Brezel aber gleich gegessen, noch während der Predigt.
Dreiteilige Nachbetrachtung zu Rassismusvorwürfen in Ulm
Am Sonntag, 17. Oktober, beginnt um 11 Uhr im Ulmer Münster die dreiteilige Nachbetrachtung zum Thema "Der Mohr und Mehr. Kulturgeschichtliche und gesellschaftspolitische Hintergründe des Ulmer Krippenstreits", es spricht Rolf Waldvogel. Weitere Vorträge zur gleichen Uhrzeit am gleichen Ort: "Welche Geschichte feiern wir an Weihnachten? Die neutestamentlichen Texte und die Krippentradition im Gespräch" (Sonntag, 7. November, Professor Stefan Krauter) und "Bild und Bilderverbot - Erinnerung an ein heikles Erbe" (Sonntag, 28. November, Susanne Schenk).