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Ulm: Premiere von "Benefiz" im Podium: Stück macht nachdenklich

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Premiere von "Benefiz" im Podium: Stück macht nachdenklich

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    Im Stück „Benefiz – Jeder rettet einen Afrikaner“ proben mehrere Idealisten (im Bild von links: Maurizio Micksch, Nicola Schubert, Frank Röder und Benedikt Paulun) für einen Wohltätigkeitsabend. Dabei bleibt es nicht lange harmonisch.
    Im Stück „Benefiz – Jeder rettet einen Afrikaner“ proben mehrere Idealisten (im Bild von links: Maurizio Micksch, Nicola Schubert, Frank Röder und Benedikt Paulun) für einen Wohltätigkeitsabend. Dabei bleibt es nicht lange harmonisch. Foto: Martin Kaufhold

    Sind wir nicht alle ein bisschen Rainer, Leo, Christine, Eva oder Eckhard? Das Stück „Benefiz – Jeder rettet einen Afrikaner“ der in Ingolstadt geborenen und in Berlin lebenden Autorin Ingrid Lausund ist zwar zehn Jahre alt – aber die Gegenwart lässt das Stück aktueller denn je erscheinen. Im Podium des Theaters Ulm inszeniert Mona Kraushaar das bissig-satirische Kammerspiel um eine geplante Wohltätigkeitsveranstaltung, die den Bau einer Schule im Dorf Ilondé in Guinea-Bissau unterstützen soll – und entlarvt dabei die deutsche Gesellschaft. Geht es beim verantwortungsbewussten Weltbürgertum wirklich darum, zu helfen, oder darum, das eigene Gewissen zu beruhigen und vor anderen moralisch toll dazustehen? Ingrid Lausunds Gratwanderung spürt den Absurditäten der Wohltätigkeit nach.

    Gut gemeint ist der Benefiz-Abend für das westafrikanische Dorf auf jeden Fall, für den fünf „weißdeutsche“ Idealisten proben. Aber macht es das Publikum nicht spendenfreudiger, wenn eine echte Frau mit afrikanischen Wurzeln und dunkler Haut auftritt? Valeria, die in Deutschland aufgewachsen ist und richtig gut singen kann, könnte doch das Publikum unterhalten, meint Christine (Marie Luisa Kerkhoff). Aber ist das nicht schon Rassismus? Valeria spielt selbst gern mit den Klischees, frotzeln die Männer im Team – doch für Eva (Nicola Schubert), entschiedenste Kämpferin für eine politisch korrekte Ausdrucksweise und chronisch betroffen, ist quasi jedes Adjektiv der deutschen Sprache der Diskriminierung verdächtig – und dabei tritt sie gewaltig selbst in die Fettnäpfchen der PC.

    Plötzlich entbrennt ein Streit bei der Vorbereitung des Benefiz-Abends

    Über den Männer-Joke von der „Afro-dite“ Valeria gerät das Team des Benefiz-Abends in Streit: Zwischenmenschliche Boshaftigkeiten wie die Streitereien darum, wer zu wenig in die Kaffeekasse einbezahlt oder wer das angebissene Käsebrötchen hat liegenlassen, lassen die Masken der guten, immer hilfsbereiten Menschen fallen. Auf der anderen Seite stehen große Menschheitsfragen: Wie viel Verantwortung trägt jeder, dem es gut geht, für Afrika? Und trägt auch Afrika Verantwortung, gegebenenfalls sogar für Europa? Was tun gegen Gewalt und Korruption? Oder brauchen Europäer Afrika, um sich selbst gut zu fühlen? Und warum eigentlich sprechen Spendenaufrufe Menschen so viel mehr an, wenn Kindergesichter einen Namen haben?

    Rainer (Maurizio Micksch) präsentiert sich bei den Proben schwer erträglich ahnungslos und vermengt jede Menge Halbwissen zu einem Afrika-Bild, Eckhard (Frank Röder) kann sich kaum bremsen, und der gutmütige Leo (Benedikt Paulun) wird von den anderen immer wieder ausgegrenzt und beleidigt, sein Einsatz weggestrichen. Aber die toughe Christine macht schonungslos klar: Sie steht im Zentrum der Aufmerksamkeit und kann die kalkulierten Tränen an der richtigen Stelle einsetzen.

    Podium Ulm spielt "Benefiz – Jeder rettet einen Afrikaner“

    Darf man das Publikum mit dem Millionenseller „The Lion Sleeps Tonight“ aus „König der Löwen“ unterhalten, wenn man Gelder sammeln will für Afrika? Oder gar mit Elvis Presleys „In the Ghetto“? Eitelkeit versus Moral, und in der Seele des Zuschauers steigt die Erkenntnis auf, warum es einfacher ist, Spenden für entfernte Hilfsbedürftigkeit zu generieren als für tatsächliches Engagement für ganz in der Nähe lebende Menschen in Not zu werben. Und wie ist das eigentlich? Wenn man heute Abend keinen Cocktail trinkt und stattdessen zehn Euro spendet – darf man dann morgen wieder einen Cocktail trinken? Denn Not gibt es auch morgen ...

    Einem der fünf Akteure gelingt es, die Probe für den Benefizabend zu retten. Wem? Hingehen und anschauen! Die Spendenbox übrigens steht nach den Vorstellungen im Foyer des Podiums.

    Weitere Aufführungen gibt es am 12., 20., und 31. Dezember.

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