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Ulm: "Pop up Space Wilhelmsburg": Helle Momente hinter Festungsmauern

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"Pop up Space Wilhelmsburg": Helle Momente hinter Festungsmauern

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    Reizvolle Schattenspiele: Die Lichtskulptur von Vanessa Hafenbrädl wird in den kommenden Wochen für Performances genutzt, aber auch die Besucher können mit Licht und Schatten spielen.
    Reizvolle Schattenspiele: Die Lichtskulptur von Vanessa Hafenbrädl wird in den kommenden Wochen für Performances genutzt, aber auch die Besucher können mit Licht und Schatten spielen. Foto: Alexander Kaya

    In der Wilhelmsburg ist alles ein bisschen größer. Der Innenhof mit seinen 1,3 Hektar Fläche ist so gewaltig, dass der Freilichtbühne beim Theatersommer eine einzelne Ecke genügt. Das Gemäuer mit seinen 570 Räumen ist so unüberschaubar, dass man sich darin verirren kann. Und selbst der Kartoffelkäfer ist in der Wilhelmsburg kein kleines Krabbeltier, sondern ein Riesenvieh, dessen Körper fast bis ans Gewölbe reicht. Doch in der alten Festung auf dem Michelsberg sind nicht die Schädlinge los, sondern die Künstler – das Insekt ist Teil einer Installation. Am Donnerstag ist die zweite Saison des „Pop up Space Wilhelmsburg“ gestartet. Bis Ende September gibt es dort wie 2018 verschiedene Kunstprojekte, Performances und Konzerte, aber auch ein paar Neuerungen.

    Die wichtigste sieht man schon, wenn man den Innenhof betritt: Dort sieht es kaum mehr nach Baustelle aus, der Platz wirkt trotz seiner Ausmaße heimelig. Die kleine Bühne steht vor Liegestühlen und Sitzbänken auf der grünen Insel in der Mitte der Fläche, direkt vor dem Nordflügel. Und die ist zur Eröffnung gut gefüllt, mehrere hundert Besucher sind gekommen, um dabei zu sein, wenn die zweite Runde auf der Burg beginnt, auf der Bühne unterhalten von Bands der Popbastion. Ein traumhafter Sommerabend, bei dem vor allem jungen Kulturinteressierte und -schaffende das Publikum stellen.

    2018 kamen 12.000 Menschen zum "Pop up Space Wilhelmsburg"

    Im vergangenen Jahr folgten rund 12.000 Menschen dem Appell „Stürmt die Burg!“ – die meisten von ihnen genossen vor allem den Aufenthalt im Freien. Der Hof ist der Star auf der Burg, das habe man bei der Ulmer Kulturabteilung erkannt, sagt Organisator Sebastian Huber. Die Gastronomen von der Wilhelmsbar stellt an den Samstagen ein Programm mit Live-Musik und DJs auf die Beine, der Ulmer Arbeitskreis Kultur präsentiert an den Donnerstagen Veranstaltungen von Live-Hörspiel bis Party. Eine ganz neue Attraktion ist das „Pop up Kino“: Immer Freitag- und Sonntagabend flimmern auf der Burg Filme über die Leinwand. Und das Essensangebot an den Veranstaltungstagen ist jetzt noch größer.

    Und drinnen in der Burg? Da wartet der Kartoffelkäfer darauf, dass heute, Samstag, 10. August, um 19 Uhr „Reframe.burg“ eröffnet wird, der von den beiden Kuratoren Michael Schlecht und Elisabeth Würzl erdachte künstlerische Staffellauf. Bis zum Ende des „Pop up Space“ leben und arbeiten Künstler jeweils ein bis zwei Wochen in dem Gemäuer aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, sie sollen sich mit ihrer Kunst in die Räume einschreiben – und sie dann so zurückzulassen. Dann übernimmt der Nächste den Staffelstab und macht dem vorgefundenen Material, was er will: Es kann es ergänzen oder auch einfach nur in Stücke hauen, ganz nach eigenem Gusto.

    Künstler Daniel Theiler macht in Ulm eine Kartoffel zur Reliquie

    Der Künstler Daniel Theiler aus Leipzig legt vor mit seiner „Kartoffelrepublik“ in Panik vor dem Kartoffelkäfer, eine Metapher für die Angst der (Bio-)Deutschen vor dem Fremden. „Die Kartoffel kommt aus Südamerika, der Kartoffelkäfer kommt aus Nordamerika, die kannten sich eigentlich gar nicht“, erklärt Theiler mit einem Schmunzeln. Was er im Rund des nordöstlichen Flankturms zeigt, ist so schlau wie amüsant: Da wird eine goldene Kartoffel wie eine Reliquie verehrt, in einem Labor wird geforscht, überall hängen Schilder, die vor dem bösen Insekt warnen – in Frakturschrift natürlich. Die Wilhelmsburg, so Theiler, stehe als Trutzburg für Rückzug und Abschottung, daher die Idee.

    Bei „Reframe.burg“, sagt Co-Kurator Schlecht, sei entscheidend, dass die Kunst auf den Ort und seine Geschichte Bezug nehme. Der Kulturverwaltung ist es Huber zufolge ebenso wichtig, dass die Künstler sich des Raumverbunds annehmen, nicht gegen, sondern mit der Architektur arbeiten. So wie das inklusive Ulmer Heyoka-Theater, dessen Projekt deswegen zu denen gehört, das es aus rund 100 Bewerbungen ins Programm geschafft haben. Bei der Eröffnung gibt das Ensemble Einblick in sein Stück „Ver Wandel Gang“, das am Donnerstag, 15. August, um 19 Uhr Premiere hat. Das Heyoka-Theater bespielt keine Bühne, sondern eine Raumflucht, der die Zuschauer folgen und so in den einzelnen Räumen immer neue Geschichten erleben, „Geschichten aus der Zeit, in der die Burg existiert“, wie Heyoka-Gründerin Eva Ellerkamp erklärt. Bezug zum Raum, Bezug zur Historie: ein künstlerisches Projekt ganz nach dem Geschmack der Macher.

    Die Lichtskulptur kann von den Besuchern interaktiv bespielt werden

    Eher etwas fürs Auge ist die „Lightsculpture“ von Vanessa Hafenbrädl. Wer den Raum der Videokünstlerin vom Ammersee betritt, blickt in einen Tunnel aus Nebel, der auf einen Lichtpunkt zuzulaufen scheint. Doch bei der Eröffnung erwacht der Tunnel zum Leben, zu perkussiven Klängen schafft eine Tänzerin immer neue Schattenfiguren, während sich Lichtfarben und Formen ändern. Immer wieder in den kommenden Wochen soll der Raum performativ bespielt werden, doch auch die Besucher selbst können mit Licht und Schatten experimentieren. „Ich mag es, dass der Betrachter eine eigene Geschichte erzählen kann“, sagt Hafenbrädl.

    Die zweite Runde des „Pop up Space“ ist mehr als nur der Versuch, den Koloss Wilhelmsburg für sieben Wochen mit Leben zu füllen – sie soll den fast komplett leer stehenden Bau den Menschen der Region nachhaltig ins Gedächtnis rufen. Die erste Runde, habe da bereits etwas bewirkt, glaubt Organisator Sebastian Huber. Was die zukünftige Nutzung angeht, ist man bei der Stadt inzwischen einen kleinen Schritt weiter: Einzelne Räume können ab Herbst für Tagungen oder Feiern gemietet werden. Der Kartoffelkäfer ist dann schon wieder weg.

    An allen Veranstaltungstagen fahren kostenlose Busse von der Neuen Mitte über die Gold-Ochsen-Parkplatz auf die Wilhelmsburg, in der Regel halbstündlich zwischen 18 und 24 Uhr. Mehr zur Anfahrt und zum Programm des „Pop up Space“ gibt es online auf die-wilhelmsburg.de.

    Ebenfalls interessant: Sie ist Neu-Ulms Fachfrau für Freiluftkultur

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