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Ulm: Polizeigewalt gegen Asylbewerber? Anwalt befürchtet Vertuschung

Ulm

Polizeigewalt gegen Asylbewerber? Anwalt befürchtet Vertuschung

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    Zwei Ulmer Polizisten droht nach einem Vorfall mit einem Asylbewerber die Suspendierung.
    Zwei Ulmer Polizisten droht nach einem Vorfall mit einem Asylbewerber die Suspendierung. Foto: Silas Stein, dpa (Symbolbild)

    Nach einem Vorfall mit einem Asylbewerber in einer Bank in Ulm wurden jüngst zwei Ulmer Polizisten verurteilt. Ihnen droht, wie bereits berichtet, eine Freiheitsstrafe sowie die Suspendierung. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig. Derweil hat sich auf unsere Berichterstattung der Anwalt des Mannes gemeldet, der beinahe unschuldig verurteilt worden wäre. Er befürchtet gar, dass etwas unter den Teppich gekehrt werden könnte.

    Rechtsanwalt Jürgen Steppe selbst sei bis kurz vor Ende des Prozesses davon ausgegangen, dass es sich im August 2018 so zugetragen hat, wie die beiden Beamten es geschildert hatten, und er für seinen Mandanten, einen Asylbewerber aus Ghana, lediglich auf eine milde Strafe plädieren könne. "Die Aussage eines Polizisten zählt vor Gericht immer mehr. Noch dazu haben beide ja das Gleiche gesagt", so der Anwalt aus Altenmünster im Gespräch mit unserer Redaktion.

    Mit dem Überwachungs-Video nimmt der Fall eine brisante Wendung

    Doch dann bekam der Fall eine brisante Wendung: Wie der Anwalt berichtet, habe er sich in der Verhandlung bei der Richterin nach dem im Ermittlungsbericht erwähnten Video der Überwachungskamera der Bank erkundigt. Das sei aber von der Polizei nicht herausgegeben worden, obwohl es das Gericht angefordert habe, erzählt Steppe und fügt hinzu: "Das ist ja schon mal komisch." Beim Amtsgericht war die zuständige Richterin zwar zu erreichen, jedoch wollte sie keine Stellungnahme zum Verfahren abgeben, da es sich um ihren Fall handelt.

    An einem zweiten Verhandlungstag sei das Video dann als Beweismittel eingeführt worden. Darauf sei zu sehen, dass die Schilderungen der Polizisten "voll gelogen" waren, so Steppe. Diese hätten nämlich angegeben, der Ghanaer habe sie angegriffen und sei tätlich geworden. Die Aufnahme aus der Überwachungskamera würde aber ein gänzlich anderes Bild vermitteln. Demnach sollen die beiden Beamten mit ausreichend Abstand mit dem Asylbewerber, der sich trotz eines Platzverweises in einem Vorraum der Bank aufgehalten haben soll, erst ausführlich diskutiert haben. Dann sollen sich die Polizisten Handschuhe angezogen und einer davon seinen Mandanten angesprungen und ihn mit der flachen Hand "umgecheckt" haben, sodass dieser am Boden lag. Der andere habe anschließend die Füße genommen und dabei geholfen, den Ghanaer nach draußen zu bringen.

    Anwalt: Wird im Fall der Ulmer Polizisten etwas vertuscht?

    Steppe habe daraufhin Strafanzeigen und Dienstaufsichtsbeschwerden gegen die beiden Polizisten gestellt. Auch die Vorwürfe der Freiheitsberaubung, Nötigung im Amt und Körperverletzung im Amt hätten im Raum gestanden. Doch die seien von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden mit der Begründung des "Verwaltungshandelns". Sprich, wenn jemand nicht spurt, dann dürfe auch mal Zwang angewandt werden. "Daher hatte und habe ich auch bezüglich der noch bestehenden Vorwürfe die Befürchtung, dass etwas unter den Teppich gekehrt werden könnte", sagt Steppe.

    Denn bislang habe er davon nichts mehr gehört. Auch sei er zur Verhandlung gegen die beiden Beamten Anfang Mai nicht als Zeuge geladen worden. "Was mich doch sehr verwundert." Außerdem verwundere ihn, dass nur ein Polizist wegen Falschaussage verurteilt wurde. Schließlich hätten beide denselben Ablauf geschildert.

    War Fremdenhass oder Darstellung von Macht das Motiv?

    Warum die Beamten, die in erster Instanz wegen Verfolgung Unschuldiger zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt wurden, offensichtlich die Unwahrheit gesagt haben, kann der Anwalt sich nicht erklären. Ein mögliches Motiv könne Fremdenhass, aber auch die Darstellung ihrer Machtposition sein, so Steppe. Auch wenn er die Verhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes für diskutierbar hält, sei Lügen vor Gericht aus seiner Sicht nicht notwendig gewesen. "Zumal sie das die Karriere kosten kann." Jedoch haben die Beamten Rechtsmittel eingelegt.

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