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Ulm: Philharmoniker im CCU: Rendezvous mit Raritäten

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Philharmoniker im CCU: Rendezvous mit Raritäten

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    Bratschensolist Filip Saffray-Eberwein (links) und das Philharmonische Orchester unter der Leitung von Timo Handschuh (rechts) harmonierten bei Hector Berlioz’ „Harold en Italie“-Sinfonie prächtig.
    Bratschensolist Filip Saffray-Eberwein (links) und das Philharmonische Orchester unter der Leitung von Timo Handschuh (rechts) harmonierten bei Hector Berlioz’ „Harold en Italie“-Sinfonie prächtig. Foto: Florian L. Arnold

    Sein erstes Orchesterwerk, die prachtvolle Ouvertüre „Shéherazade – Ouverture de Féerie“, schrieb Maurice Ravel noch als Student 1898 und die Reaktionen darauf vielen gemischt aus – man schmähte ihn sogar als „mittelmäßig begabt“. Das Philharmonische Orchester der Stadt Ulm unter dem Dirigat von Generalmusikdirektor Timo Handschuh wusste bei seinem ersten Konzert der Spielzeit im CCU die Ravel-typischen Elemente allerdings elegant zu betonen, sodass das Werk recht nahtlos zu den späteren Kompositionen aufschließt.

    Unverkennbar spielt Debussy eine einflussreiche Rolle in dem farbigen, etwa viertelstündigen Werk, das einmal der Auftakt zu einer (leider nie weiter verfolgten) Oper werden sollte. Die Behandlung der Holz- und Blechbläser, die sich förmlich anschleichenden und dann heftig ausbrechenden Schlagwerk-Eruptionen, die subtile Verflechtung der Themen – das alles ist Ravel reinsten Wassers und wurde von den Philharmonikern mit Schmelz und Dynamik serviert.

    Charles Tournemire war vor allem als Orgelvirtuose bekannt

    Reich an klanglichen Effekten und betörenden Momenten ist auch die dritte Symphonie des hauptsächlich als Orgelvirtuose bekannt gebliebenen Charles Tournemire. Obgleich ein Zeitgenosse, liegt Tournemires Musik eine andere Klangwelt zugrunde als der des ungleich bekannteren Ravel. Tournemire orientiert sich eher an konservativeren Positionen, unüberhörbar standen etwa Richard Wagner und Hector Berlioz (in den lichteren Momenten) Pate für die gläserne Partitur des 1939 verstorbenen Franzosen. Ungewöhnlich das Konzept: Ein Moskau-Aufenthalt beeindruckte den gläubigen Komponisten mehr durch die Erfahrung russischer Spiritualität als durch Sehenswürdigkeiten.

    Und so durchzieht das Werk eine klangliche Reminiszenz an Moskau nach der anderen, ob es nun die zahlreichen Glocken der Stadt sind, die sich insbesondere im Lento des dritten Satzes klanglich ausbreiten dürfen, oder die an den „Gopak“-Tanz angelehnten Rhythmen des zweiten Satzes. Der vierte Satz schließlich fasst die in den vorangegangenen Abschnitten entwickelten Themen zusammen, lässt diese ein dichtes Netz von Stimmungen weben und endet mit großem Klang – wuchtig, strahlend, wie man das in der französischen Symphonie dieser Zeit fast nirgends findet. Das Orchester machte seine Sache blendend: Ganz gleich, ob es sich um die diffizilen Geflechte der „Glocken“-Echos oder die komplexe Architektur des Finalsatzes handelte, hier hatte Handschuhs Mannschaft Note für Note die Oberhand.

    Zwischen den Solisten und das Orchester passt in Ulm kein Blatt

    Zu Tournemire passte Berlioz’ „Harold en Italie“-Sinfonie ganz fabelhaft. Ungewöhnlich die Anlage des Werkes, das ursprünglich ein klassisches Viola-Konzert werden sollte: Während Kopfsatz und Allegretto dem Solisten reichlich Gelegenheit geben, mit dem Orchester zu interagieren, tritt diese Solostimme immer weiter zurück und darf erst im vierten und letzten Satz noch einmal auftreten. Diese zunächst so markante und dann sehr zurückgenommene Rolle erfüllte Bratschist Filip Saffray-Eberwein hervorragend. Zwischen den Solisten und das Orchester passte kein Blatt Papier, so gut funktionierten die Anschlüsse und Übergänge. Das reizende Alegretto ließ keine Wünsche offen und selbst den etwas medleyhaften Charakter des Schlusssatzes verbanden Orchester, Solist und Dirigent zu einer schlüssigen Form.

    Einmal mehr hat sich das Ulmer Orchester damit als Interpret weniger bekannter, gleichwohl komplexer Stoffe empfohlen und bewährt.

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