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Ulm: Nobelpreis-Glanz fällt auch auf Ulm

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Nobelpreis-Glanz fällt auch auf Ulm

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    Bei der Tagung im CCU mit Ulmer Münster im Hintergrund: Stanley Whittingham entwickelte in den 1970er Jahren die erste funktionsfähige Lithium-Batterie.
    Bei der Tagung im CCU mit Ulmer Münster im Hintergrund: Stanley Whittingham entwickelte in den 1970er Jahren die erste funktionsfähige Lithium-Batterie. Foto: Oliver Helmstädter

    Um 11.15 Uhr klingelte am Mittwochmorgen im Ulmer Congress Centrum ein Handy in der Nähe von Stanley Whittingham. „Wir haben gute Neuigkeiten“, sagte ein Mitarbeiter des Nobelpreis-Komitees am anderen Ende der Leitung zu einem der Tagungsorganisatoren. Und der informiere sofort den Briten, dass die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Apparat sei.

    Soeben hatte der Vortrag von Christopher Johnson (University of Chicago Argonne) begonnen. Doch von da an dominierte auf der Fachtagung „Advanced Lithium Batteries for Automobile Applications“, die bis am Abend in Ulm stattfand, nur ein Thema: Der Nobelpreis für Chemie geht in diesem Jahr an den in Jena geborenen US-Amerikaner John Goodenough, Akira Yoshino (Japan) und – den in

    Der Nobelpreisträger mag Scotch

    „Ich fühle mich einfach glücklich und froh“, sagte Whittingham. Der 77-Jährige sei „wirklich überrascht“. Zwar werde er seit fünf Jahren immer wieder für den Nobelpreis für Chemie gehandelt, doch dass es wirklich so weit kommt, dachte er nicht. Seinen Vortrag in Ulm konnte er noch ohne Störung aus Stockholm beenden: Bereits um 8.30 Uhr referierte er als Nochnichtnobelpreisträger über die Grenzen von Lithium-Batterien. Und seine Familie erfuhr erst viel später von der Ehre: Seine Wahlheimat New York, wo seine Frau noch schlief, ist sechs Stunden in der Zeit zurück. Nur sein Bruder in London wusste gleich Bescheid.

    Am Donnerstag in aller Früh reiste der Brite wieder zurück in die USA: „Zur Arbeit.“ Er ist seit 1988 Chemieprofessor und Direktor des Instituts für Materialforschung (Institute for Materials Research) an der Binghamton University im US-Bundesstaat New York tätig. Doch zuvor, lässt er sich noch zum Essen ausführen. Wo ist ihm egal: „Ich bin nicht wählerisch.“ Ein guter Scotch sei seine einzige Voraussetzung. Von dieser Warte aus gibt es vielleicht bessere Adressen als den Ulmer Ratskeller. Denn hier dinierte er am Dienstag mit anderen Tagungsteilnehmern und ließ sich ein „köstliches Kalbssteak“ schmecken.

    In Ulm ist der Nobelpreisträger zum ersten Mal. Doch gehört hat er von der Stadt an der Donau schon öfters. Nicht wegen dem höchsten Kirchturm der Welt, sondern als Standort der Batterieforschung. „Das ist eine der aktivsten Batterieforschungszentren der Welt“, sagt Whittingham. So kennt er das Batterieforschungszentrum Helmholtz-Institut in Ulm. Und „natürlich“ ist ihm das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) auf dem Eselsberg ein Begriff, das die Tagungsteilnehmer am vergangenen Sonntag besuchten. Mit Tagungspräsidentin Margret Wohlfahrt-Mehrens (ZSW) stieß der frisch gebackene Nobelpreisträger dann auch am Vormittag spontan mit einem Gläschen Sekt an. Und natürlich habe er dabei vom Streit um die Ansiedelung einer Forschungsfabrik des Bundes gehört, die nun nicht nach Ulm sondern Münster kommen soll. „Die Regierung will halt nicht alles an einem Ort haben“, vermutet Whittingham.

    Nobelpreisträger als Werbung für Ulmer Forschung

    Whittingham ist ein Pionier: Er entwickelte in den 1970er Jahren die erste funktionsfähige Lithium-Batterie. Das Nobelpreis-Komitee preist Lithium-Ionen-Batterien als Grundlage für eine emissionsfreie Welt. Mit dem Blick auf den Verkehr vor dem CCU sagt auch Whittingham: „Ich hoffe, meine Idee beseitigt einmal die ganzen Diesel hier.“ Als OB Gunter Czisch davon Wind bekam, dass ein frisch gebackener Nobelpreisträger in seiner Stadt weilt, kam er zum Gratulieren und überreichte eine Medaille mit dem geprägten Konterfei von Albert Einstein, dem gebürtigen Ulmer Nobelpreisträger. „Die Situation ist nicht ganz von Ironie befreit“, sagte Czisch. Dass der Konstrukteur der ersten funktionsfähigen Lithium-Batterie sich ausgerechnet zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Nobelpreises der Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Ulm – und nicht etwa in Münster oder sonst wo – aufhalte, könne kaum Zufall sein. „Wenn jetzt noch jemand wissen will, wo die Exzellenz sitzt, ist das die Antwort“, sagte Czisch. Seinen Ärger über die Entscheidung von Bundesforschungsministerin Anja Karliczek, die 400-Millionen-Euro-Förderung für eine Forschungsfabrik trotz anderslautender Einschätzung von Fachleuten der Fraunhofer-Gesellschaft, nach Münster und nicht Ulm zu vergeben, kann Czisch kaum verbergen.

    100 Millionen für Batterieforschung in Ulm?

    Als Reaktion auf das Aus für Ulm hatte Ministerpräsident Kretschmann ein Projekt im Umfang von 100 Millionen Euro zum Aufbau eines „Sustainable Lithium-Ion Hub“ am Standort Ulm vorgestellt. Czisch könne der Ministerin nur empfehlen, nicht auf die Exzellenz aus Ulm zu verzichten. In Ulm könne nämlich sofort begonnen werden, Batteriezellen im großen Stil zu produzieren, in Münster erst in zwei Jahren. Das Problem für den „Standort Deutschland“: Derzeit dominieren Batteriezellen-Hersteller aus Südkorea und China den Weltmarkt. Die Autohersteller sind hochgradig abhängig von den Zellen, die sie zu vollständigen Batterien zusammenbauen.

    Wie in Ulm auf der Tagung deutlich wurde wird aber längst an den Nachfolgern von Whittinghams Entwicklung geforscht: Lithium-Ionen-Batterien hätten zwar noch Potenzial für zehn, bis 15 Jahre. Doch die Zukunft wird in vielen Vorträgen mit Varianten der Feststoffbatterie beschrieben.

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