Das Wort „Smombie“ kennt in Deutschland mittlerweile wohl fast jeder. Es ist eine Mischung aus „Smartphone“ und „Zombie“ und bezeichnet Menschen, die sich statt mit ihrer Umwelt nur noch mit ihrem Handy beschäftigen. Vor wenigen Tagen wurde „Smombie“ zum Jugendwort des Jahres gewählt – Manfred Spitzer findet das „einfach nur genial“. Der Ulmer Hirnforscher und Neuropsychiater beschäftigt sich seit Längerem mit den Auswirkungen der digitalen Medien auf den Menschen. Sein Buch „Cyberkrank!“ steht aktuell auf Platz 16 der Spiegel-Bestseller-Liste. Morgen berichtet Spitzer in der Neu-Ulmer Ratiopharm-Arena von seinen Erkenntnissen.
Bei seinem Vortrag gehe es im Grunde darum, aufzuzeigen, was die digitalen Medien mit uns machten: „Warum uns die Informationstechnik tatsächlich krank macht und was man dagegen tun kann“, fasst Spitzer bei einem Pressegespräch im Ulmer Buchladen Jastram zusammen. Er richte sich dabei vor allem an Eltern, Erzieher und Lehrer, zu verstehen sei sein Vortrag allerdings für jeden ab 14 Jahren.
Sein neues Buch „Cyberkrank!“ sei weitaus positiver aufgenommen worden als sein vergangenes Werk „Digitale Demenz“. Damals habe er „einen Shitstorm sondergleichen“ erlebt: „Es kamen oft keine Argumente, sondern nur persönliche Beleidigungen“, so Spitzer. Erst nach seinem Auftritt in der Talkshow von Markus Lanz im April 2013 habe er positive Reaktionen erhalten.
Spitzers Thesen richten sich vor allem gegen das Smartphone – aus einem einfachen Grund: „Es ist die kulturelle Errungenschaft, die den ganzen Globus erfasst hat“, so Spitzer. Mittlerweile seien fast so viele verkauft worden, wie Menschen auf der Welt lebten. Dass „Smombie“ Jugendwort des Jahres wurde, macht ihn zuversichtlich: „Offensichtlich haben die jungen Menschen begriffen: Wenn wir zu viel das Smartphone nutzen, werden wir zu seelenlosen, willenlosen Untoten.“ Denn das Gehirn müsse trainiert werden: „Wenn sie das mit maximal 25 Jahren nicht gelernt und gemacht haben – dann war’s das.“
Besonders kritisch sieht er die zunehmende Einführung Neuer Medien an Schulen: In München habe man beschlossen, die Klassenzimmer mit W-Lan auszustatten. Laut Spitzer wird die Lernleistung dadurch um etwa 20 Prozent schlechter. „Damit mache ich die Schüler dümmer“, erklärt er. Auch im Hinblick auf Weihnachten findet er klare Worte: „Wenn die Eltern eine Playstation verschenken, verschenken sie damit schlechte Noten.“ Und Spitzer geht noch weiter: Zu viel digitale Mediennutzung mache am Ende nicht nur süchtig, sondern auch krank, löse Volkskrankheiten wie Schlaganfälle und Krebs aus. „Es geht hier langfristig um Tote.“ Mehrere Länder hätten schon präventive Maßnahmen ergriffen: In Südkorea würden um Mitternacht die Online-Spieleserver abgeschaltet. Bis man volljährig sei, würden die Eltern regelmäßig über die Smartphone-Nutzung ihrer Kinder informiert. In China gebe es gar extra Entzugs-Camps für Smartphone-Süchtige.
Solche Maßnahmen in Deutschland einzuführen, das sei nicht Spitzers Ziel. „Ich will ja nichts verbieten, ich will aufklären.“ Grundsätzlich sollten sich Eltern überlegen, was ihrem Kind guttue und was ihm schade. So hätten praktische Hobbies wie Musikmachen oder Theaterspielen positive Effekte auf das Gehirn, besonders aber: Sportmachen. „Das gehört zu dem Besten, was man für eine geistige und körperliche Entwicklung tun kann“, so Spitzer. Deshalb fördert er mit seinem Vortrag in Neu-Ulm ein sportliches Projekt: Die Einnahmen aus den Kartenverkäufen sollen für die Entstehung eines Basketball-Freiplatzes genutzt werden. Geplant ist es auf dem Orange Campus, dem Trainings- und Jugendzentrum, das die Ulmer Basketballer in Neu-Ulm errichten wollen. Auf diese Idee hat ihn sein jüngster Sohn gebracht, der selbst begeistert Basketball spielt. Bei seinem Auftritt in der Arena im vergangenen Jahr hat Spitzer bereits um die 20000 Euro eingenommen. Laut Ulms Basketball-Sprecher Martin Fünkele kann ein ordentlicher Freiplatz schnell zwischen 50000 und 70000 Euro kosten. Fünkele ist aber zuversichtlich: „Wir gehen einmal davon aus, dass wir es nach dem zweiten Vortrag dann zusammen haben werden.“ Und wenn nicht, hat Spitzer schon einen Ausweg parat: „Dann drohe ich mit dem dritten Vortrag“, sagt er und lacht.