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Ulm/Neu-Ulm: So war die Kulturnacht 2020 in Ulm und Neu-Ulm

Ulm/Neu-Ulm

So war die Kulturnacht 2020 in Ulm und Neu-Ulm

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    Es war ein anderes Kulturnacht-Flair als sonst, doch die Veranstalter zogen ein positives Fazit. Und viele Veranstaltungen waren gut besucht, wie hier in der Neuen Mitte in Ulm mit Sängerin Pia Weirather.
    Es war ein anderes Kulturnacht-Flair als sonst, doch die Veranstalter zogen ein positives Fazit. Und viele Veranstaltungen waren gut besucht, wie hier in der Neuen Mitte in Ulm mit Sängerin Pia Weirather.

    Das Flair der Kulturnacht war in Corona-Zeiten anders als sonst, doch trotz der Umstände waren Tausende in Ulm und Neu-Ulm unterwegs. Wir haben uns ins Nachleben gestürzt und Eindrücke gesammelt. Dazu gibt es eine Bildergalerie und ein Video.

    Menschen stehen vor der gläsernen Fassade des Theaters und versuchen sich amüsiert in Verrenkungen. Wer genau hinschaut, sieht: Hinter der Glaswand animiert eine attraktive Tänzerin im Kleidchen, mit glitzernden Tanzschuhen und mit schulterlangem Haar die Zuschauer draußen, die Tanzbewegungen zu imitieren, die sie vorführt. Bei den Zuschauern passiert das natürlich mit weit weniger Eleganz als im angedeuteten Ballettsaal hinter Glas, doch der Spaß auf beiden Seiten ist groß.

    Verrenkungen nach Anleitung: Choreograf Gaetan Chailly bereitete dem Kulturnacht-Publikum im Guckkasten am Theater Ulm Spaß, indem er sie zum Mittanzen nach seinem Vorbild animierte.
    Verrenkungen nach Anleitung: Choreograf Gaetan Chailly bereitete dem Kulturnacht-Publikum im Guckkasten am Theater Ulm Spaß, indem er sie zum Mittanzen nach seinem Vorbild animierte.

    Die Corona-Pandemie distanziert Akteure und Zuschauer, sagt das Theater Ulm mit der Guckkasten-Inszenierung als Beitrag zur 20. Kulturnacht – aber Corona kann Künstler und ihr Publikum doch nicht trennen. Der Hunger nach Kultur kann auch mit Abstand gestillt werden. Doch was da so ironisierend, geistvoll-witzig und kreativ daherkommt, ist zugleich ein grandioses Spiel mit der Illusion: Die grazile Ballerina ist ein Mann. Gaetan Chailly tanzte unter anderem am Bolschoi-Theater Moskau. Am Theater Ulm ist der 51-Jährige heute Choreograf und Tanzpädagoge – und sein Einsatz dürfte der amüsanteste der Kulturnacht gewesen sein.

    Wegen steigender Corona-Zahlen ging der Kulturnacht eine wochenlange Zitterpartie voraus

    Etwa 7500 Menschen hatten sich für die Jubiläums-Kulturnacht am Samstagabend Einlassbändchen gekauft. Das ist ungefähr die Hälfte der sonst üblichen Besucherzahl. Und was in der Zeit wieder steigender Corona-Infektionszahlen eine wochenlange Zitterpartie für die Veranstalter gewesen war, funktionierte: Durch ein Konzept, das Öffnungszeiten entzerrte, durch die Bitten der Veranstalter an die Menschen, sich ihre Wege zwischen den ausgesuchten Programmpunkten vorher festzulegen.

    Auch durch ein kleineres Programm mit weniger Veranstaltungen „knubbelte“ es sich an keiner Stelle so sehr, dass das Hygienekonzept in Gefahr geraten wäre. Der eine oder andere Veranstalter verlegte seinen Beitrag nach draußen. So entstand ein anderes Kulturnacht-Flair als gewohnt – aber eines, das sowohl für Organisator Christian Pfeifer von der Kulturabteilung der Stadt Ulm als auch fürs Publikum sehr positiv war.

    In Neu-Ulm war weniger los als in Ulm

    Deutlich weniger als in Ulm war in Neu-Ulm los, wo beispielsweise das Edwin-Scharff-Museum aus Sicherheitsgründen (so die Stadt Ulm) aus der Teilnehmerliste gefallen war, wo aber in der Petruskirche experimentelle Musik gespielt wurde. Bei prächtigem Spätsommerwetter und einer klaren, aber nicht zu kühlen Nacht genossen die Menschen die Unterschiedlichkeit des ungefähr 70 Veranstaltungen umfassenden Programms, das von Theater und Lesungen bis hin zu ungewöhnlichen Angeboten von Kartoffelrezepten und Brüste-Performance reichte. Überhaupt, die Lust: Social Distancing scheint die erotische Fantasie anzuregen. Das Theater Ulm war mit seinen Schaufenster-Guckkästen nicht der einzige Programmpunkt, der die sexuelle Lust – mit Nonne auf plüschigem Sofa – im Focus hatte. Die Anspielung von Chefdramaturg Christian Katzschmann, der im Kostüm eines blond gelockten, schein-heiligen Engelchens in einer Folterkammer die Beichtvater-Passagen aus dem bis 2017 auf dem Index jugendgefährdender Schriften stehenden Roman „Josefine Mutzenbacher“ las, dürften sich dagegen konkret auf Missbrauchs-Aufdeckungen in der Kirche bezogen haben.

    Auch auf dem Münsterplatz, im Fischerviertel und in der Handwerkskammer Ulm war etwas geboten

    Aber auch ganz anderes war zu entdecken – in der Handwerkskammer beispielsweise, wo Martin Mayer hochwertige Ulm-Bilder in Schwarz-Weiß zeigte, oder im Café Gustaff, wo die Menschen draußen Schlange standen, um im Café ein Konzert zweier Musiker des Ponte-Festivals zu hören. Die Schauspielerinnen und Schauspieler des integrativen Heyoka-Theaters hatten bestimmt noch nie eine derart große Bühne wie bei der Kulturnacht auf dem Münsterplatz, und im Rosengarten spielte Claudia Schoeppls internationales Theater Geschichten vom Scheitern – solche, die dem Teatro International berichtet worden waren, aber auch solche, die weltweit seit langer Zeit in Märchengestalt erzählt werden. Und im Fischerviertel hatte Ira Dentler für Kinder eine Schlaumach-Schnitzeljagd entlang der Blau organisiert. Bei den Preisen für die klügsten Köpfe waren die Erwachsenen aber ausgeschlossen: Die aus Ton geformten Überraschungsschatzkugeln durften nur die Kinder selbst aufklopfen.

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