Von Friede, Freude und Eierkuchen war das Verhältnis zwischen Ulm und Neu-Ulm vor 20 Jahren weit entfernt: Hinter den Kulissen wurde heftig um Ikea gerungen. Das schwedische Möbelhaus wäre als Magnet und Steuerzahler auch im bayerischen Teil der Doppelstadt mehr als willkommen gewesen. Doch es kam anders.
Neu-Ulm bekam statt Ikea nur ein Briefverteilzentrum, das eigentlich für Ulm geplant war. Der Streit um Ikea führte aber nicht zu einem tiefen Graben zwischen den Städten – sondern zu einer Kooperation – dem Stadtentwicklungsverband. Einen Zusammenschluss, den Ulms OB Gunter Czisch jüngst bei einer Jubiläumsveranstaltung im Neu-Ulmer Rathaus als einzigartig in der Republik bezeichnete.
Stadtentwicklungsverband mit Ulm und Neu-Ulm ist der einzige länderübergreifende Zweckverband
Der Stadtentwicklungsverband (SUN) sei bis heute der einzige länderübergreifende Zweckverband. Kooperationen gebe es viele, doch die seien oftmals nicht viel mehr als Papiertiger. Der SUN hingegen könne als öffentlich-rechtlicher Zweckverband Entscheidungen treffen, ihm seien echte Hoheitsrechte übertragen worden.
Vor zwei Jahrzehnten sprach Neu-Ulms damalige Oberbürgermeisterin Beate Merk bei der Gründung des SUN von einer „historische Stunde von nicht da gewesenem Ausmaß“. Schließlich sei damit die Entscheidung Napoleons ein Stück weit revidiert worden, der einst die Grenzen zwischen Bayern und Württemberg auf der Donau gezogen hatte.
Populärstes Beispiel des SUN: die Ansiedlung der Ratiopharm-Arena in Neu-Ulm
Mit dem Verband gelang es den beiden Städten, die langjährige Konkurrenz bei der Ansiedelung von Betrieben zu begraben. Gemeinsam vermarkten die Städte seitdem ihre Gewerbegrundstücke. Das vielleicht populärste Beispiel von bisher 306 verkauften Grundstücken: die Ansiedlung der Ratiopharm-Arena, die größtenteils von Ulm auf Neu-Ulmer Grund finanziert wurde.
Von einem „Symbol“ der Partnerschaft sprach Neu-Ulms Oberbürgermeisterin Katrin Albsteiger. Zwei Jahrzehnte hätten gezeigt: „Gemeinsam geht‘s besser.“ Auch in Zukunft müssten die Städte an einem Strang ziehen, etwa wenn es um die Versorgung der Gewerbegebiete mit schnellem Internet geht: „Ohne Glasfaser findet keine Firma einen Standort attraktiv.“
Letztlich sei der SUN für das Eingemachte verantwortlich, so OB Czisch: Arbeitsplätze nämlich. Die niedrigen Arbeitslosenzahlen in der Region kämen nicht von selber. „Dafür muss man etwas tun.“ Zum Beispiel, mit Nachbarn Ziele gemeinsam verfolgen.
Neu-Ulms OB Katrin Albsteiger ist derzeit an der Spitze des Stadtentwicklungsverbands
Den Verbandsvorsitz führen die Spitzen der Doppelstadt wechselweise jeweils für ein Kalenderjahr. Derzeit ist Albsteiger am Ruder. Die Verbandsversammlung besteht aus je 13 Mitgliedern des Gemeinderats Ulm und des Stadtrats Neu-Ulm. Ganz paritätisch also. Was damals so beschlossen wurde, dass das kleine Neu-Ulm nicht unter die Räder des größeren Ulms kommt.
Ein weiteres friedensstiftendes Merkmal ist der Gewerbesteuerausgleich zwischen beiden Städten. Die Finanzierung erfolgt durch eine Umlage. Auch die Gemeinden Dornstadt, Blaustein, Nersingen und Elchingen sind als „Kooperationspartner“ mit an Bord. Die vergleichsweise kleinen Nachbarn der Doppelstadt bedienten sich quasi der Marketingkraft von Ulm/Neu-Ulm und den Vorteilen durch eine einzige Anlaufstelle für potenzielle Investoren.
Gerade Blaustein etwa, wächst immer weiter mit Ulm zusammen. Blausteiner Wohngebiete grenzen direkt an die Wissenschaftsstadt an. Und Neu-Ulm gründete eine Wohnungsbaugesellschaft gemeinsam mit Elchingen und Nersingen. Auch der Containerbahnhof im Norden – teilweise auf Dornstädter Grund – ist ein Kind des SUN, dessen Erweiterung seit Längerem debattiert wird.
Zwei andere „Kinder“ des Verbandes werden mit dem Jubiläum verabschiedet: SUN-Urgestein, Ulrich Soldner, seit Gründung des Verbands Geschäftsführer in Ulm, und somit der oberste Grundstückskäufer und -verkäufer, hört in dieser Position auf. Der 62-Jährige Ulrich Soldner wechselt direkt in das Team des OB und soll unter anderem die berühmte Ulmer Bodenpolitik nach außen darstellen. Und sein Neu-Ulm Gegenüber, Peter Stamm, geht in Pension.
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