Über keine der 240 Brücken in Ulm fahren mehr Autos und Lastwagen als über die Adenauerbrücke. Das wichtige Bauwerk über der Donau bereitet den Städten Ulm und Neu-Ulm schon seit geraumer Zeit Kummer, denn es ist chronisch überlastet und muss baldmöglichst durch einen Neubau ersetzt werden. Wobei „baldmöglichst“ in diesem Fall mehrere Jahre bedeutet. An ungewohnter Stelle trafen sich am Freitag der Ulmer Gemeinderat und der Neu-Ulmer Stadtrat zu einer gemeinsamen Sitzung, um sich auf den neuesten Stand in Sachen Neubau zu bringen. Weil im Edwin-Scharff-Haus kein Platz war, fand die Zusammenkunft im zugigen Foyer der Ratiopharm-Arena in Neu-Ulm statt.
100000 Fahrzeuge fahren jeden Tag über die Adenauerbrücke
Zuständig für den länderübergreifenden Brückenneubau ist das Staatliche Bauamt Krumbach. Behördenleiter Wilhelm Weirather erläuterte, dass jeden Tag etwa 100000 Fahrzeuge über die Adenauerbrücke rollen. „Solche Verkehrszahlen haben wir in ganz Schwaben nicht“, sagte er. „Man möchte gar nicht daran denken, dass dieser Übergang einmal nicht mehr funktioniert.“ Bei der jüngsten Hauptuntersuchung voriges Jahr wurde das Bauwerk mit der Zustandsnote 3,4 bewertet, was „nicht ausreichend“ bedeutet. Schon vor mehreren Jahren wurde beschlossen, die 1954/55 erbaute Brücke durch einen Neubau zu ersetzen. Kostenpunkt: mindestens 20 Millionen Euro.
Gebaut werden soll die neue Brücke über der Donau unter Verkehr
Weirather räumte ein, dass das Vorhaben nur langsam vorankommt. „Wir stehen wirklich ganz am Anfang des Planungsprozesses“, sagte der Behördenchef. Immerhin sei vor wenigen Tagen eine Planungsvereinbarung unterzeichnet worden. Die Entwurfsplanung werde etwa ein Jahr in Anspruch nehmen. Danach beginne das Genehmigungsverfahren. Ziel sei es, bis Ende 2023 Baurecht zu haben. Loslegen könnten die Ingenieure dann ab 2024. Weirather rechnet mit einer Bauzeit von etwa drei Jahren. Gebaut werden soll unter Verkehr – das macht die Sache noch komplizierter und langwieriger, als sie ohnehin schon ist.
Das Bauwerk zwischen Ulm und Neu-Ulm muss ständig überwacht werden
Bis der Neubau fertig ist, muss die alte Brücke noch halten. Doch das Bauwerk ist marode. „Fakt ist: Die Tragfähigkeit der Brücke lässt sich nicht mehr nachweisen“, sagte Weirather. „Das Einzige, was hilft, ist kontinuierliche Überwachung.“ Dies geschieht über ein Monitoring-System. „Wenn das anschlägt, haben wir ein Problem“, räumte der Leiter des Staatlichen Bauamts ein. Falls Grenzwerte überschritten würden, müssten Maßnahmen ergriffen werden, bis hin zu einer vollständigen Sperrung der Brücke.
Stadträte aus Ulm und Neu-Ulm äußern Bedenken
Mehrere Ulmer und Neu-Ulmer Stadträte äußerten angesichts dieser Unsicherheit Bedenken. „Was passiert, wenn wir einen Teil sperren müssen? Gibt es Alternativplanungen?“, fragte Thomas Kienle (CDU). „Der Worst Case wäre, wenn die Gänstorbrücke sich noch im Bau befände und die Adenauerbrücke gesperrt werden müsste“, sagte Christa Wanke (FDP). „Was machen wir dann?“ – „Ich bin kein Hellseher“, sagte Wilhelm Weirather. „Unser Statiker hat uns bestätigt, dass die Brücke problemlos bis 2024 betrieben werden kann.“ Freilich könne immer etwas passieren. Weirather räumte ein: „Wir haben keinen Plan B.“
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Karin Graf (CDU) appellierte an die Verantwortlichen, dies noch mal dringend zu überdenken. Michael Joukov-Schwelling (Grüne) fragte, ob eine Tonnagebeschränkung die Lebensdauer der Adenauerbrücke verlängern könnte. Das würde vor allem den Schwerlastverkehr betreffen. Weirather äußerte sich skeptisch: „Man muss sich ganz genau überlegen, ob man auf dieser Straße eine Beschränkung durchführt.“ Letztlich sei das eine wirtschaftliche und politische Frage. „Wir vertrauen darauf, dass wir die Brücke über die Zeit bringen mit dem ganzen Verkehr.“ Günter Zloch (UfA) schlug vor, eventuell ein juristisches Gutachten erstellen zu lassen. Möglicherweise könne der Schwerlastverkehr ausgeschlossen werden, wenn Gefahr im Verzug sei. „Dann fahren die woanders drüber“, gab Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch (CDU) zu bedenken. Die technischen und juristischen Möglichkeiten, den Durchgangsverkehr auszuschließen, seien begrenzt. Baubürgermeister Tim von Winning wies außerdem darauf hin, dass es nicht nur für auswärtige Firmen, sondern auch für die heimische Wirtschaft schwerwiegende Folgen hätte, wenn keine Lastwagen mehr über die Adenauerbrücke fahren dürften.
Städte beschließen gemeinsames Mobilitätskonzept
Neben dem Mammutprojekt über der Donau standen auch gemeinsame Mobilitätsthemen der beiden Städte auf der Tagesordnung. Dazu gehören beispielsweise Teststrecken für Wasserstoffbusse oder eine Kooperation in Sachen Geodaten. Die Verwaltungen wurden beauftragt, ein städteübergreifendes Mobilitätskonzept zu erarbeiten. Der Neu-Ulmer Stadtrat beschloss dies einstimmig. Der Ulmer Gemeinderat war am Schluss der Sitzung aufgrund zahlreicher Absenzen nicht mehr beschlussfähig. Laut Czisch war die Entscheidung aber „zu Protokoll gegeben“ worden, was im Plenum allerdings niemand mitbekommen hatte.
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