Regeln als Bärendienst: Gastronomen beklagen sich über Corona-Wirr-Warr
Hohe Inzidenzen, geöffnete Gaststätten in der Nachbarschaft und unterschiedliche Verordnungen in Bayern und Baden-Württemberg lassen Gastronomen verzweifeln.
Jörg Pahl-Meinl und seine Frau Silvia machen aus der Not eine Tugend: Wenn schon das Lokal Josi im Brückenhaus in Neu-Ulm zuhat, wollen die zwei nicht nur mit der Teddybären-Aktion auf die Notlage der Gastronomen aufmerksam machen, sondern damit auch etwas Gutes tun. Die 60 Plüschgefährten werden gegen eine Spende verlost, die Einnahmen gehen an "Ulms kleine Spatzen". Die Aktion macht Jörg Pahl-Meinl sichtlich Spaß. Sie kann aber nicht über den tiefsitzenden Frust der Gastronomen in der Region hinwegtäuschen.
In Neu-Ulm bis 22 Uhr, in Ulm und dem Alb-Donau-Kreis bis 21 Uhr
Die Meinls schauen jeden Tag auf die Inzidenzen, wie früher auf den Wetterbericht. Sollte die Entwicklung so weitergehen, so hat sich Jörg Pahl-Meinl ausgerechnet, dann könnte er am Montag, 7. Juni, wieder öffnen. Aber nur die Außenbewirtschaftung. Wenn es plötzlich auf das Lachsfilet samt Zitronenhaube regnet, darf er seine Gäste nicht hineinbitten. In Ulm und dem Alb-Donau-Kreis hingegen könnten, niedrige Corona-Zahlen vorausgesetzt, unter Umständen auch die Restaurants ihre Innenräume öffnen. Eine Person je angefangene 2,5 Quadratmeter ist erlaubt. In Bayern hingegen bleibt die Innengastronomie noch zu. Und in Bayern darf der Biergarten bis 22 Uhr aufbleiben, in Baden-Württemberg aber nur bis 21 Uhr. "Das ist ein Flickenteppich, der nervt."
Über diese Bedingungen, die sich binnen eines Zwei-Minuten-Fußmarsches über die Landesgrenze ändern können, kann sich der Großgastronom Eberhard "Ebbo" Riedmüller in Rage reden. "Es kann doch noch so schwer sein, für einheitliche Öffnungszeiten zu sorgen." Das sei den Leuten nicht mehr vermittelbar. "Die Politik kann einfach Corona nicht managen." Da merke man, dass die von dem Geschäft keine Ahnung haben. Unterschiedliche Öffnungszeiten seien in einer Doppelstadt "null Komma null" nachvollziehbar. "Föderalismus hin oder her."
Barfüßer-Bier musste vernichtet werden
Geduldig habe Riedmüller bisher Corona ertragen. Über 1000 Hektoliter der Barfüßer-Hausbrauerei habe er wegschütten müssen, weil es nicht mehr zu verkaufen war. Riedmüller fügte sich den Regeln, weil auch ihm die Gefahren der Pandemie bewusst sind. Aber für gewisse Regeln gebe es nun keine Rechtfertigung mehr, eine gewisse "Willkür" in der Politik lasse ihn langsam zweifeln.
Riedmüller hat bereits seine Lokale in Reutlingen und Pfullendorf auf. Wann es in Ulm, Neu-Ulm und Weißenhorn losgeht, weiß freilich auch er nicht. "Doch ich bin in engem Kontakt mit meinen Zulieferern." Am Anfang wolle er mit einer kleineren Karte planen. "Damit nicht zu viel Ware kaputtgeht." Weder Schnitzel noch Bier sollen im Mülleimer landen.
Adler in Dellmensingen hat schon auf
Während Barfüßer, Josi und Co noch zuhat, dürfen im Alb-Donaukreis seit Pfingstmontag wieder Gäste empfangen werden. Geöffnet hatte etwa der Adler in Dellmensingen, der auch in Ulm/Neu-Ulm durch seine Präsenz auf dem Kleinbrauermarkt bekannt ist. Doch überrannt wurde die Gastwirtschaft hingegen nicht. Juniorchef Thomas Brehm erklärt das zum einen mit dem schlechten Wetter am Pfingstmontag. Und zum anderen mit mangelnder Information seiner Gäste. 75 Leute dürften die Brehms im Innern bewirten. Doch viele Gäste kamen am Montag zur Abholung und wunderten sich, dass der Adler öffnen durfte.
Als Ausflugslokal lockt der Adler Gäste aus dem Alb-Donau-Kreis, Kreis Neu-Um und dem Kreis Biberach. Da fällt es freilich schwer durchzublicken, welche Inzidenzen gerade zu welchen Regeln führen. "Wir liegen direkt zwischendrin." Der verpflichtende Schnelltest scheint die Leute zudem abzuschrecken. "Die Verunsicherung ist groß." Dabei habe der Adler sogar eine eigene Teststation eingerichtet. "Das ist ein sehr, sehr hoher bürokratischer Aufwand."
In Dietenheim ist die Gastro auch schon auf
Außen und innen aufmachen dürfen auch die Gaststätten in Dietenheim, quasi vor der Haustüre von Illertissen. Das Gasthaus Rose etwa macht ab Mittwoch, 26. Mai, auf. "Außen und innen", sagt die Wirtin Christine Krazeisen. Mit einem großen Andrang rechnet sie nicht. "Das mit den Schnelltests wird noch ein Problem werden." Der Biergarten sei auch nur noch über einen Eingang zugänglich, sodass der Zugang besser kontrolliert werden könne. "Das ist ein jessas Aufwand." Aber sei freue sich wahnsinnig, dass "wir wieder schaffen dürfen". Doch eine gewisse Angst spiele auch mit. "Da geht's ein paar Tage über 100 und wir dürfen wieder zumachen."
Davor hat auch die größte Brauerei der Region, Gold Ochsen, Angst. "Wir sind bereit", sagt Frank Schlagenhauf, der Leiter Marketing und Vertrieb bei dem Ulmer Traditionsunternehmen. Die ersten Bestellungen aus der Gastronomie kämen in diesen Tagen schon wieder rein. "Es zieht langsam an." Aber nur zögerlich. Zusammen mit der Erfrischungsgetränke-Tochter UGV habe das Unternehmen durch die Pandemie 40 Prozent Umsatz verloren. Gerade Fassware habe in erheblichen Umfang vernichtet werden müssen. "Uns fehlten die Gastronomie, die Feste und Veranstaltungen." Das habe durch den Konsum im Privaten nicht kompensiert werden können. Noch ein Lockdown wäre "fatal", sagt Schlagenhauf. Kaum ein Gastronom wird ihm widersprechen.
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