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Ulm: Nach Brandanschlag auf Ulms Synagoge - was tun gegen Antisemitismus?

Ulm

Nach Brandanschlag auf Ulms Synagoge - was tun gegen Antisemitismus?

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    Das Archivfoto zeigt eine Kundgebung gegen Antisemitismus in Hannover.
    Das Archivfoto zeigt eine Kundgebung gegen Antisemitismus in Hannover. Foto: Christophe Gateau, dpa (Archivbild)

    Ein Brandanschlag hat die Ulmer Synagoge getroffen. Zwar wurde kein Mensch verletzt. Aber seit dieser Tat ist die jüdische Gemeinschaft noch enger zusammengerückt - davon erzählt Michael Kashi, Vorstandsmitglied der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW). Die Ulmer Gemeinde ist Teil der IRGW, eine Zweigstelle, eng verbunden mit der Stuttgarter Zentrale. Vor fünf Minuten habe er noch mit Shneur Trebnik telefoniert, dem Ortsrabbiner von

    In der Entscheidung, wie es nun weitergeht, vertraut Kashi auf seinen guten Draht zu Rabbiner Trebnik, der seit 2000 die Ulmer Zweigstelle leitet. "Er weiß, was zu tun ist", sagt Kashi. Trebnik habe gute Kontakte zur Stadtspitze, zu Oberbürgermeister Czisch, und zur Polizei. Schließlich ist Trebnik auch offiziell ein Ansprechpartner für die Behörden, als

    Engagiert sich die Politik intensiv genug gegen Antisemitismus?

    "Der Staat macht eine Menge, damit wir hier sicher leben können", sagt Kashi. Von Angst-Gefühlen spricht er nicht - aber zumindest von Sorgen, die ihn und die Gemeinde nach dem Anschlag besonders plagen. "Ich mache mir zwar keine Sorge um mich, aber um meine Enkel", erklärt er. Denn Kashi sieht eine Tendenz: "Solche antisemitischen Fälle werden immer häufiger." Sichtbar wird das für ihn in antisemitischen Parolen, auf Querdenker- und Anti-Israel-Demos. Die Zahlen der bayerischen Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) scheint sein Gefühl zu bestätigen. In der Jahresstatistik für 2020 verzeichnete die Meldestelle einen deutlichen Anstieg antisemitischer Vorfälle. Im Vergleich zu 2019 blieben die registrierten Vorfälle nur in Oberbayern relativ stabil - während die Zahl in allen anderen Regierungsbezirken anstieg. In Bayerisch-Schwaben wurden 2019 insgesamt 10 Fälle an

    Konsequenzen aus dem Brandanschlag auf die Ulmer Synagoge

    Auch der Ulmer Landtagsabgeordnete Michael Joukov-Schwelling (Grüne) äußerte sich zum Anschlag auf die Ulmer Synagoge: "Es ist traurige Realität, dass jüdische Einrichtungen in Deutschland nicht ohne besonderen Schutz arbeiten können", erklärt er. "Wir werden auf Bundes- und Landesebene alles uns Mögliche tun, um Antisemitismus und Rechtsextremismus keinen Freiraum zu geben und entschlossen zu bekämpfen." Aber was bedeutet das? Würde noch stärke Polizeipräsenz helfen? Kashi sagt: "Es gibt kein Land der Welt, das absolute Sicherheit geben kann." Er stamme aus Israel - und selbst dort, unter ständiger Alarmbereitschaft, treffen die Bürger immer wieder schwere Anschläge. Und so ist Kashi einerseits dankbar für die Sicherheitsmaßnahmen in und rund um jüdische Gemeinden und Synagogen hierzulande. Aber: "Es ist aus meiner Sicht aber auch beschämend, dass es nötig ist."

    Michael Kashi, Vorstandsmitglied der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg.
    Michael Kashi, Vorstandsmitglied der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg. Foto: Christoph Schmidt, dpa

    Der IRGW-Vorsitzende weiß, was ein Leben im Sicherheitsmodus bedeutet: "In Stuttgart haben wir noch deutlich mehr Sicherheitsmaßnahmen als zum Beispiel in Ulm." Viel Sicherheitspersonal, strenge Schleusen, an denen sich sogar die Gemeindemitglieder kontrollieren lassen müssen. Kashi fragt sich: "Warum können wir nicht offene Türen haben, wie die meisten christlichen Kirchen? Vor 30, 40 Jahren war das auch in unseren Gemeinden noch so, die Türen standen offen."

    Mit Bildung gegen Antisemitismus? Michael Kashi im Gespräch

    Michael Kashi hat einen Wunsch: "Die Gesellschaft muss genau so auf Antisemitismus reagieren, wie im Ulmer Fall. Klar sagen: Damit sind wir nicht einverstanden." Er hofft, dass Aufklärung über Antisemitismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit auch noch stärker zum Thema an allen Schulen wird. Umfassend, nicht nur mit dem Respekt für die jüdische Kultur. Denn: "Antisemitismus ist meistens nur der Anfang des Hasses", sagt Kashi. "Wenn Menschen das schon von klein auf lernen, werden sie immun gegen solche Gedanken." Frühe Aufklärung für Schüler, besondere Schulungen für die Lehrer, das wünscht sich Kashi - "anders geht es nicht".

    Die Tat in Ulm schlägt Wellen, in ganz Deutschland. Der geschäftsführende Vizepräsident des Auschwitz-Komitees, Christoph Heubner, meldete sich am Samstag aus Berlin zu Wort: Mit jedem Anschlag auf jüdisches Leben wachse die Angst der Überlebenden des Holocaust, dass "die Schlacht gegen den aktuellen Antisemitismus in Wirklichkeit längst verloren ist und sie ihren Kindern und Enkelkindern eine Welt hinterlassen, in der auch ein neues Auschwitz möglich sein kann". So zitiert ihn der Katholische Nachrichtendienst. Heubner stellt die Frage: "Haben die Menschen verstanden, dass auch ihre Demokratie im Strudel dieses antisemitischen Hasses zerstört wird?"

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